Am 18.Juni ist es exakt 5 Jahre her, als ich die indirekte Fortsetzung zu "Der Tierflüsterer" bei Boypoint veröffentlichte. Indirekt deshalb, weil Charaktere aus "Der Tierflüsterer" in "Die Kunst der Magie" auftreten, aber andere Charaktere im Vordergrund stehen. Das Feedback zu dieser Geschichte war fantastisch! Diese 24 Kapitel erwarten euch ab Montag:

1. Der Neubeginn (1-4)
2. Die CODA (1-3)
3. Die Halloween-Party (1-4)
4. Der rätselhafte Kuss (1+2)
5. Schmetterlinge im Bauch (1-3)
6. Bilder der Vergangenheit (1-4)
7. Die Mode-Show (1-3)
8. Eine Weihnachtsgeschichte (1-6)
9. Schneesturm! (1-5)
10. Alles ändert sich… (1-3)
11. Panikattacken! (1-3)
12. Das Rätsel um die magischen Kunstutensilien (1-3)
13. Der Tag der Entscheidung (1-3)
14. Zack-und-Bumm! (1-4)
15. Abschied (1-3)
16. Vergissmeinnicht (1-4)
17. Das Klassentreffen (1+2)
18. Der Ironman-Triathlon (1+2)
19. Freundschaft und Liebe (1-4)
20. Das Ende der CODA (1-5)
21. Träume werden wahr! (1-5)
22. Showdown (1-6)
23. Ein Sommernachtstraum (1-3)
24. Der Weg in die Zukunft (1+2)

Die Geschichte ist eindeutig in das Genre LGBT einzugliedern, aber auch Drama, Romantik und sogar ein wenig Mystery kommen nicht zu kurz. Die Kapitel erscheinen immer Montags, Mittwochs und Freitags. Folglich könnt ihr in 8 Wochen die komplette Geschichte hier lesen. Also schönes Wochenende und bis Montag!

18.Juni 2013 - Ich begann, die Fortsetzung zu "Der Tierflüsterer" bei Boypoint zu veröffentlichen. Nach langem hin und her, empfand ich den Titel "Die Kunst der Magie" als passend. Während "Der Tierflüsterer" nur 25.000 Klicks verbuchte, konnte "Die Kunst der Magie" schon über 28.000 Klicks sammeln! In "Der Tierflüsterer" noch eine Nebenrolle, wird hier nun Leon Scchopp zum Protagonisten, der eine völlig neue Seite an sich entdeckt, während er sein Kunststudium antritt und viele interessante Menschen kennenlernt. Hier ist Kapitel 1 und am Mittwoch folgt Kapitel 2 und am Freitag Kapitel 3. Viel Spaß beim Lesen!


Die Kunst der Magie


1. Der Neubeginn – Teil 1
Ich saß auf einer der vielen unbequemen Stühle, die in der Aula meiner Universität aufgestellt wurden. Unzählige Studenten liefen aufgeregt durch die Gegend und unterhielten sich mit ihren Mitstudenten. Während die ersten Studenten bereits auf den Stühlen Platz nahmen – einschließlich mir – wurde auf der Bühne vor uns ein Podest mit Mikrofon parat gestellt.
„Ganz schön viel los hier, oder?“, fragte mich ein sportlicher Blondschopf, der mit kurzer Hose und oberarmfreien Shirt sich neben mich auf einen Stuhl platzierte und sich gelassen in der Aula umsah.
„Ja.“, erwiderte ich ihm nervös. „Bist du auch neu hier? Ist das auch dein erstes Semester?“
„Äh ja?! Alle die sich heute hier befinden, sind Erstsemestler.“, antwortete der Junge mir verwirrt und ich klatschte mir die Hand ins Gesicht, für diese selten doofe Frage. „Naja wird sicher lustig hier.“, sagte der Junge und danach fing er an, sich mit dem Mädchen zu unterhalten, dass neben ihm saß.
Als die Professoren auf ihren Stühlen auf der Bühne Platz nahmen, nahmen auch die restlichen Studenten nach und nach ihre Plätze in der Aula ein und hörten mit ihrem Geschnatter auf.
Das war ja ein guter Start in mein neues Leben, dachte ich mir und ihr frägt euch inzwischen vielleicht schon, wer ich eigentlich bin. Ich bin ein schlanker und mittelgroßer Typ mit schwarzen Haaren, die mir inzwischen schon fast bis zu den Schultern reichen. Zusätzlich durch meine schwarzen Augen, könnte man meinen ich wäre ein Emo, aber dies trifft nicht auf mich zu. Meine Leidenschaft sind allerlei Arten von Kopfbedeckungen und in meiner Freizeit fahre ich gerne Skateboard. Ich heiße…!
„Test, Test, eins, zwei, drei.“, rief der Dekan durch das Mikrofon. Ein großer, dürrer und älterer Herr mit grauem Haar und grauem Sakko stand auf der Bühne und blätterte in seinen Unterlagen, die er vor sich aufs Podium legte. „Darf ich um Ruhe bitten?!“, fragte der Dekan mit mürrischer Miene, aber in einem recht freundlichem Ton und Ruhe kehrte in die Aula ein. „Sehr verehrte Damen und Herren, ich heiße sie zu ihrem ersten Semester an unserer Kunstuniversität willkommen. Ich danke ihnen allen, dass sie den Schritt gewagt haben, sich an unserer Kunstuniversität zu bewerben. Dies war ein wichtiger Schritt in ihr neues Leben. Doch zuerst müssen wir uns fragen, was ist Kunst eigentlich und was bedeutet Kunst für sie? Sobald jemand das Wort Kunst hört, nimmt er an, es handle sich um einen Maler, der Bilder herbeizaubert. Doch Kunst ist so viel mehr! Eine Opernsängerin ist eine begnadete Künstlerin, ein Akrobat kann ein talentierter Künstler sein, ein Geschichtenschreiber der sein erstes Buch auf den Markt bringt, ist ein angehender Künstler und sie alle sind ab dem heutigen Tag, ebenfalls angehende Künstler, die sich ihren Traum erfüllen wollen.“ Der Dekan sprach und sprach und es nahm kein Ende. Mit Müh und Not versuchte ich meine Augen offen zu halten und ihm aufmerksam zuzuhören, doch dies war leichter gesagt als getan.
Ich hörte wie der Junge neben mir anfing, wieder mit seiner Nachbarin zu reden. „Du kennst doch diese Teenie-Horror-Filme, in denen eine Gruppe von Jugendlichen am Campus von einem irren Serienkiller angegriffen wird und als sie es dem Dekan erzählen, der diesen kein Wort glaubt und kurz darauf selbst vom Serienkiller getötet wird. Der Typ da auf der Bühne, sieht genauso aus.“
Ich gähnte einmal, als mein Blick auf die Bühne zu einem der Stühle wanderte, auf dem ein recht junger und gutaussehender Professor mit kurzem braunem Haar saß. Irgendwie schien der junge Professor meinen Blick zu spüren, denn auf einmal starrte er zu mir her und sah mir direkt in die Augen. Zumindest kam es mir so vor und ich wandte meinen Blick schnell ab.
Wie dumm war ich eigentlich? Wieso benahm ich mich nur so oberpeinlich? Das hatte so was von was Schwules an sich, dabei bin ich zu hundert Prozent heterosexuell, da bin ich mir sicher!
„Ich wünsche ihnen allen ein glückliches und erfolgreiches Semester. Danke!“, rief der Dekan durch das Mikrofon, dessen Rede schließlich doch noch ein Ende fand und in der Aula ging ein lauter Applaus durch die Reihen.
„Was für eine ergreifende Rede.“, sagte der Junge neben mir scherzhaft und lachte, während ich ihn nur leicht nervös ansah und kein Wort erwiderte.
Der Tumult in der Aula löste sich schließlich langsam auf. Ich verabschiedete mich von dem Jungen der neben mir saß und ging in die entgegengesetzte Richtung, als er mir noch hinterherrief: „Vielleicht sehen wir uns ja wieder. Würde mich freuen!“ Ich lächelte und winkte zurück. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte er mich noch laut und deutlich.
„Schopp… Mein Name ist Leon Schopp!“, rief ich ihm als Antwort zu.
„Ich heiße Zacharias Tanner. Meine Freunde nennen mich aber Zack. Freut mich dich kennen zu lernen Leon!“, rief mir der Junge namens Zack zu und marschierte dann mit seiner Freundin davon.
Mein erster Tag an der Universität und schon lern ich neue Leute kennen. Eigentlich gar nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass ich meine Freunde aus der Schulzeit nicht mehr so schnell wieder sehe…, abgesehen von Einer. In meiner Schulzeit war ich mit einem Mädchen zusammen, die sich allerdings von mir trennte und mit einem Typen zusammenkam, der sich am Ende als bisexuell herausstellte und sich in seinen besten Freund verknallte. Meine Ex-Freundin trennte sich daraufhin von ihm und da wir auf dieselbe Universität gehen und Beide Kunst studieren, bot ich ihr die Freundschaft an. Ihr Name war Maria, die ich heute seltsamerweise nirgends entdeckte.


2. Der Neubeginn – Teil 2
Kennt ihr dieses Gefühl, dass wenn man in einen neuen Ort zieht, es einem anfangs nur recht schwer fällt, sich dort einzuleben? Seitdem ich von Zuhause auszog und in die Stadt in eine WG zusammen mit einem anderen Studenten zog, ist dies der Fall und jetzt… jetzt hab ich an meinem ersten offiziellen Uni-Tag auch noch verschlafen!
Ich rannte also so schnell mich meine Füße tragen konnten zur Universität. Zeit für Zähne putzen, Haare kämmen und anderen Schönheitsschnickschnack hatte ich nur minimal. Ich verfluchte meinen Mitbewohner, der mich ohne jede Frage, mit Absicht nicht weckte. Ich weiß nicht wieso, aber ich glaub er mag mich nicht, aber das erzähl ich euch ein andermal, denn momentan bin ich in Eile.
Mit der Trambahn erreichte ich schließlich den Campus, der einen großen Teich mit mehreren Holzbrücken aufwies. Ich rannte über eine der Brücken und hörte das Quaken der Enten, die in dem Teich vor sich hintrieben. Dann betrat ich das Unigebäude und bei der ersten „Schnell-um-die-Ecke“ rannte ich in den erstbesten Menschen rein.
„Verflixt und zugenäht, kannst du nicht besser aufpassen, du Vollidiot!“, schrie mich der Junge an, in den ich hineinrannte, während wir beide rücklings am Boden lagen. Er hatte eine rosa kurze Hose und ein grünes T-Shirt an, hatte braunes, lockiges Haar und eine kleine Stupsnase.
„Es tut mir Leid.“, entschuldigte ich mich freundlich. „Ich hab verschlafen und hab es eilig…“
„Und das ist ein Grund in mich hinein zu rennen?!“, schrie mich der Junge weiterhin an.
Meine Stimmung war schon gereizt und diesen aufbrausenden Kerl, konnte ich nun am allerwenigsten vertragen, schoss mir durch den Kopf und konnte nicht mehr an mich halten: „Na hör mal! Du hättest genauso gut aufpassen können!“
Der Junge sah mich zunächst wütend an, als sich sein Blick plötzlich lockerte. Er fing an zu grinsen und begann schließlich sogar zu lachen. Was war denn jetzt los, fragte ich mich und der Junge sagte: „War nur Spaß, war nur Spaß! Ich studiere Theaterschauspiel und du warst das beste Objekt um „Wut“ zu üben! Wenn du es eilig hast, dann schnell. Die Professoren sehen es gar nicht gerne, wenn man am ersten Tag zu spät kommt, auch dann nicht, wenn der Saal so überfüllt ist und sie es sowieso kaum merken, wer wann ein- und ausgeht.“ Der Junge lachte wieder, dann verabschiedete er sich von mir und ging wieder seinen eigenen Weg. Komischer Typ, schoss mir durch den Kopf und dann fiel mir wieder ein, dass ich mich beeilen musste.
Die erste Vorlesung und ich komme zu spät. Von einem gelungenen Neustart kann nicht wirklich die Rede sein. Als ich den vollen Saal betrat, hielt bereits der Professor seine Rede. Ich setzte mich an den erstbesten freien Platz zwischen einem Kerl, der nach Zwiebeln roch und einem Mädchen mit Brille, die mich mit einem unfreundlichen Blick anstarrte, als ich mich neben sie setzte.
Ich warf meinen Blick über die einzelnen Sitzreihen und hoffte inständig Maria irgendwo zu entdecken. Da sie blondes lockiges Haar trug, dürfte sie eigentlich nicht schwer zu finden sein, doch wieder wurde ich enttäuscht und fand sie nicht.
Stattdessen konnte ich den Jungen von gestern ausmachen. Zack saß sechs Reihen vor mir und unterhielt sich mit dem Mädchen, mit dem er bereits gestern ein Gespräch führte und einem anderen Jungen.
Nach der ersten Vorlesung füllte sich der Gang in der Universität recht schnell. Da von Maria keine Spur zu entdecken war, fasste ich mir ans Herz und begrüßte Zack und seine Freunde.
„Da bist du ja wieder. Ich wusste doch, dass wir uns wieder sehen!“, rief mir Zack freudig entgegen und stellte mich seinen beiden besten Freunden vor: „Das weißhäutige Mädchen mit den hellblauen Haaren neben mir ist Fiona. Sie ist ein wenig abgedreht, was an ihrer Frisur wohl schon deutlich zu erkennen ist. Du kennst sie ja noch von gestern.“
„Hey! Werde bloß nicht frech Zackyyy!“, ärgerte sie ihn und stieß ihn leicht mit ihrem Ellenbogen.
Zack fuhr unbeirrt, aber mit einem Grinsen, fort: „Und dieser Knabe hier ist Max.“ Zack rubbelte mit seiner Faust in den Haaren seines besten Freundes. Max hatte dunkelblondes Haar, gemischt mit schwarzen Strähnen. Er hatte unglaublich große und wunderschöne grüne Augen.
„Freut mich sehr, euch kennen zu lernen.“, sagte ich erfreut und schüttelte beiden die Hände.
„Bist du ganz alleine hier?“, fragte mich Max freundlich.
„Äh ja, das heißt nein, eigentlich nicht.“, stotterte ich herum. „Eigentlich bin ich mit meiner Freundin hier, aber ich kann sie einfach nirgends finden und an ihr Handy geht sie auch nicht.“
„Vielleicht hat sie einen Typen kennen gelernt und amüsiert sich nun. Das geht am Campus schnell.“, sagte Zack und ich wusste nicht, ob er das im Ernst oder aus Spaß sagte.
„Oh nein, da sind diese Bitches schon wieder!“, rief Fiona entsetzt und zeigte hinter mich. Ich drehte mich um, um zu sehen, wenn sie meinte. Drei Mädchen in hohen Schuhen, kurzen Miniröcken und Oberteilen, die einen recht freizügigen Ausschnitt aufwiesen, marschierten den Gang entlang. „Das sind solch hochnäsigen und männerverschlingende Zicken… ich hasse diesen Typ von Mädchen.“, beschwerte sich Fiona lauthals, so dass wir alle es hören konnten.
Mir rutschte das Herz in die Hose. Konnte das…, war das…, ist das etwa… „Maria?!“, rief ich meiner Freundin überrascht entgegen, die ihre blonden Locken weggeglättet hatte und zudem noch rote Strähnen in ihr Haar machen ließ.
„Oh, hallo Leon.“, sagte Maria überrascht und klang in der Tat ein kleinwenig hochnäsig.
„Wie siehst du denn aus?“, fragte ich sie erstaunt und begutachtete sie von unten bis oben.
„Mein neuer Look. Gefällt er dir?“, fragte sie mich und drehte sich im Kreis.
„Äh… ja schon…“, antwortete ich ihr verlegen, den Blick von Zack, Fiona und Max im Nacken.
„In unserer Schulzeit hielt man mich immer für ein blondes Modepüppchen, weißt du noch?! Doch war ich gar nicht so und man hat mir nur das Herz gebrochen. Ich nutze meine Studienzeit für einen Neustart, indem ich zu dem werde, für das man mich immer hielt – nur besser!“, erklärte Maria mir. „Man sieht sich Leon.“ Dann marschierte sie mit ihren beiden neuen Freundinnen weiter, indem sie sich zwischen Zack und Fiona durchdrängelten und Letztere dabei sogar leicht anrempelten. Fiona beschwerte sich lauthals, doch Zack hielt sie zurück und versuchte sie zu beruhigen.
„Nette Freundin hast du da.“, sagte Fiona schließlich eiskalt an mich gewandt, drehte mir den Rücken zu und ging davon. Max folgte ihr und Zack ebenfalls, der mir trotz allem freundlich zuwinkte.
Hab ich schon erwähnt, dass das kein gelungener Neustart für mich war?


3. Der Neubeginn – Teil 3
Bevor der Herbst Einzug hielt, schien die Sonne noch einmal brennend herab. Ich setzte mich unter den Schatten eines Baumes und lehnte mich an dessen Stamm, während ich mein Zeichenbrett und einen Bleistift hervorzog und ein junges Liebespaar zeichnete, die Händchenhaltend auf einer Bank am Teich saßen und sich liebevoll küssten.
Während ich sie zeichnete, fragte ich mich, wann ich das letzte Mal eigentlich jemanden küsste. Meinen ersten Kuss hatte ich mit vierzehn Jahren. Das Mädchen war stark in mich verschossen, doch wie es bei Jungs in dem Alter so ist, wollte ich damals mehr Zeit mit meinen Freunden verbringen, als die Zeit mit einem Mädchen zu vertreiben und so entstand daraus nichts Ernsthaftes. Im Alter von siebzehn Jahren, es war vor knapp über einem Jahr, da lernte ich im Kunstunterricht Maria kennen. Die Leidenschaft zur Kunst verband uns, ich war in sie verschossen und sie in mich. So dauerte es nicht allzu lange, dass ich mich mit ihr zu einem Date verabredete und wir schließlich kurz darauf ein Paar wurden. In der Zeit hab ich sehr oft geküsst. Doch unsere Beziehung hielt nur vier Monate, da wir Beide merkten, wie unterschiedlich wir doch eigentlich waren. Doch so sehr ich mich über die Auflösung unserer Beziehung damals freute, so schmerzte es mich dennoch, wie schnell sie über mich hinweg kam und sich damals einen neuen Freund angelte. Vielleicht schmerzte es mich aber auch nur deshalb, weil sie eine neue Liebe fand und ich mich allein und verlassen fühlte.
„Hey Picasso!“, rief mir eine Stimme auf einmal zu und ich befreite mich aus meinen schmerzvollen Erinnerungen an die Vergangenheit. Als ich aufblickte, entdeckte ich Zack, der mit einem strahlenden Lächeln auf mich zukam. „Was zeichnest du denn schönes? Keine Angst, ich will dich nicht ausspionieren, aber es kann trotzdem nicht schaden, zu wissen, wie gut die Konkurrenz ist, oder?!“
„Du denkst wir wären Konkurrenten?“, fragte ich ihn und sah ihn dabei skeptisch an.
„Nein, denn das würde ja bedeuten, wir wären gleich gut in etwas, aber es dürfte klar sein, dass ich der sehr viel talentiertere Künstler von uns Beiden bin.“, erwiderte Zack hochmütig und grinste dabei, während er sich neben mich ins Gras lag und seinen Kopf mit einem Arm abstützte.
„Arrogant bist du gar nicht oder?“, fragte ich ihn scherzend und lachte.
„Nö, nur ein zu starkes Selbstbewusstsein.“, antwortete Zack mir und entriss mir mein Zeichenbrett.
„Hey!“, rief ich empört auf.
„Zeig doch mal her. Ich will ja nur mal sehen, wie gut du wirklich bist.“, sagte Zack und sah sich meine Zeichnung über das junge Liebespaar genau an. Dabei konnte ich ein Funkeln in seinen Augen entdecken, dass ich von mir selber kannte, wenn ich mir Zeichnungen und Bilder ansah.
„Und wie findest du es?“, fragte ich ihn schließlich vorsichtig und skeptisch.
„Du bist wirklich ein talentierter Zeichner, meinen Respekt!“, antwortete Zack mir voller Ehrfurcht und gab mir mein Zeichenbrett zurück.
„Danke sehr.“, gab ich verlegen von mir. „Ich hoffe, ich habe dich und deine Freunde nicht verschreckt, als ihr feststelltet, dass ich mit Maria befreundet bin.“
Zack schüttelte den Kopf. „Fiona war vielleicht nicht so begeistert, aber das hatte nichts mit dir zu tun, Max ist das egal und was mich angeht, so muss ich schon zugeben, dass Maria nicht ganz unattraktiv ist, wenn sie auch leicht zickig sein kann.“
Ich lachte leicht. „Okay, denn ich würde mich sehr darüber freuen, wenn wir in Kontakt bleiben. Außer Maria, kenne ich nämlich noch keinen Menschen hier.“
„Jetzt kennst du ja mich, und Fiona und Max sind auch ganz okay, wenn du sie erst einmal richtig kennen gelernt hast.“, sagte Zack zu mir.
„Cool, danke.“ Ich gab Zack einen freundschaftlichen Faustschlag.

„Mein Name ist Professor Shane West und ab dem heutigen Tag bin ich ihr Kunstlehrer.“, stellte sich der gutaussehende Professor mit dem braunen Haar vor, den ich am Einführungstag auf der Bühne entdeckte. „Meine Aufgabe wird es sein, aus ihnen allen einen herausragenden Künstler hervor zu bringen, dies wird mir bei manchen gelingen…, bei manch anderen wiederrum leider nicht.“ In der Stimme des Professors lag ein sarkastischer Unterton. „Ich werde ihnen Inspiration geben, ich werde sie herausfordern und sie bis an ihre Grenzen treiben, ich werde sie zu dem machen was sie jetzt noch nicht sind – zu etwas Besonderem!“
Im Saal wo die Zeichenstunden abgehalten wurden, befanden sich insgesamt zwölf große Tische, die mit allen möglichen Zeichenutensilien ausgestattet waren. Von den zwölf Studenten die hier teilnahmen, war ich einer davon. Von Zack, oder seinen Freunden befand sich leider keiner in diesem Seminar, auch Maria war nicht zu sehen, was nicht tragisch war, da ich mich so sowieso besser auf meine Arbeit konzentrieren konnte.
Während Professor West uns erzählte, was auf uns zukam, begutachte ich noch einmal meine Zeichnung des Liebespaares. Zack nannte mich einen talentierten Zeichner…
Eine Hand griff nach der Zeichnung und ich erschrak. Professor Shane West hielt sich die Zeichnung ausgestreckt vors Gesicht und musterte es von unten bis oben. Angst breitete sich in meinem Körper aus, doch gab es überhaupt einen Grund dafür? Eigentlich nicht, oder? Gespannt wartete ich auf den Kommentar des Professors, doch lies dieser auf sich warten.
„Alles in Ordnung?“, fragte ich ihn schließlich vorsichtig.
Professor West warf mir einen Blick zu, dann antwortete er mir: „Die Zeichnung ist gut.“
Erleichterung und Glück durchströmten meinen Körper. „Danke.“, sagte ich voller Stolz.
Der Professor nickte und ohne jede Vorwarnung zerriss er meine Zeichnung mehrmals und ließ die Papierfetzen zu Boden fallen. Meine Kinnlade fiel vor Schreck und Entsetzen runter und ich warf dem Professor einen wütenden Blick zu, der mich mit ernstem Blick ansah.
„Gut reicht nicht für meinen Kurs. Sie müssen grandios werden und wenn sie das nicht schaffen, dann verlassen sie meinen Kurs auf der Stelle und wagen sie es nicht, mir noch einmal jemals unter die Augen zu treten!“, warnte mich Professor West und der Schock saß tief bei mir.


4. Der Neubeginn – Teil 4
Ich drückte meine Faust ganz fest zusammen und schlug mit voller Wucht in das hübsche Gesicht von Professor West… verdient hätte er es, aber ich tat es natürlich nicht. Stattdessen versuchte ich Ruhe zu bewahren und mir meinen Zorn und Hass nicht anmerken zu lassen. Der Mann hatte meine Zeichnung zerrissen – einfach so! Was fällt diesem Kerl eigentlich ein?
Es half alles nichts. Meine Zeichnung lag inzwischen zerstückelt im Papierkorb und meine schlechte Laune, die sich über den gesamten Tag ansammelte, ließ ich an meinem WG-Mitbewohner Gregor Sturm aus, von dem ich glaubte, dass er mich in der Früh mit Absicht nicht weckte.
Gregor Sturm war ein Rocker und zwar ein echter Rocker! Er hat lange Haare, am ganzen Körper Tattoos, Piercings an Nase, Lippe und Zunge, trägt ein schwarzes T-Shirt mit Totenkopfschädel und hört Rockmusik in voller Lautstärke. Würde mich nicht wundern, wenn er einer Sekte angehört.
„Kann ich doch nichts dafür, wenn du dir deinen Wecker nicht stellen kannst.“, wehrte er meine Vorwürfe vehement ab.
Doch um ihm nicht Recht geben zu müssen, schrie ich ihn weiter an, was damit endete, dass er mich aus seinem Zimmer warf, die Tür zuknallte und die Musik bis zum Anschlag aufdrehte, so dass mir die Ohren bluteten.
Lange konnte ich das nicht ertragen, also ging ich nochmal raus an die frische Luft und legte einen kleinen Spaziergang hin. Die Abgase einer Großstadt einzuatmen, hat schon was…
Ich spazierte auf der linken Gehwegseite einer großen Straße entlang und bei jedem Geschäft mit Schaufenster an dem ich vorbeikam, blieb ich kurz stehen und lugte hinein.
Ein Geschäft tat es mir besonders an. Es war ein recht kleiner und auch düsterer Laden, aber im Schaufenster wurden einige seltsamer Dinge ausgestellt, wie das Horn eines Einhornes, eine alte und verdreckte Öllampe, ein elegantes Ritterschwert und ein goldener Ring mit geheimer Inschrift. Alles nicht echt, dachte ich mir. Auf dem Ladenschild stand: „Mystic-Shop“.
„Wenn du da reingehst, wird sich dein ganzes Leben verändern.“, sagte ein bärtiger Mann in zerlumpten Kleidern, der mir vorher gar nicht aufgefallen war. Er saß am Boden auf einer verschmutzen Decke. Er war offensichtlich ein Penner. „Gehst du da rein, wirst du als anderer Mensch wieder herauskommen und alles wird sich ändern.“, wiederholte der Mann, ohne mich dabei anzusehen.
Ein unheimlicher Mann, dachte ich mir, aber mir war langweilig und ich war interessiert, also betrat ich den düsteren Laden. Als ich in das Innere trat, wurde eine Klingel betätigt, die sofort den Ladenbesitzer auf den Plan rief, der sich als kleiner kauziger Mann mit Lesebrille herausstellte.
„Willkommen im Mystic-Shop. Hier kommen leider nicht sehr viele Leute rein, doch wenn einer meinen Laden betritt, dann wird ihm eine besondere Beratung zuteil.“, sagte der alte Mann.
„Danke, aber ich wollte mich eigentlich nur mal umsehen.“, sagte ich freundlich.
„Aber das können sie doch auch.“, sagte der alte Mann euphorisch. „Sehen sie mal, was wir hier alles haben. Nach was sieht das für sie aus?“ Der Mann hielt mir einen kleinen Glasbehälter vor die Nase, indem sich etwas sehr Schönes und glitzerndes befand.
Ich überlegte nichtsahnend. „Juwelen?“
„Meerjungfrauenschuppen!“, antwortete der Ladenbesitzer mir begeistert.
„Okay.“, sagte ich im ungläubigen Ton.
„Hier haben wir einen Perserteppich der fliegt, wenn ihm der Besitzer eine bestimmte Zauberformel zuruft und hier hab ich eine Pulle von Blut aus der Sammlung eines Vampires.“, sagte der alte Mann. „Ich war sogar mal im Besitz einer Tinktur, die es einem ermöglichte, mit Tieren zu kommunizieren.“
Der Ladenbesitzer wurde mir langsam zu aufdringlich und kein Mensch würde ihm diesen Schwachsinn abkaufen. Ich wollte bereits gehen, als der alte Mann auf einmal eine Schatulle hochhob und sie behutsam öffnete. Im Inneren erschienen ein wunderbar designter Pinsel und ein ebenso wunderbarer Zeichenstift.
„Wow.“, sagte ich. „Was sind das für feine Linien auf dem Pinsel und dem Zeichenstift?“
„Das sind Linien die das Feuer symbolisieren.“, antwortete der alte Mann mir. „Du musst nämlich wissen, dass dieser Pinsel aus den Federn und der Zeichenstift aus der Asche eines Phönixes hergestellt wurden. Der Legende nach, erwacht alles zum Leben, was man mit diesem Pinsel und Zeichenstift aufs Papier bringt.“
„Ich halte zwar nicht viel von Aberglauben, aber ich muss zugeben, dass mich der Pinsel und der Zeichenstift in den Bann ziehen.“, gab ich erstaunt zu. „Wie viel würden die kosten?“
„Die Beiden zusammen? Zweihundert!“, antwortete mir der alte Mann.
„Das ist nicht wenig.“, sagte ich, dachte an die Miete, Unikosten, und andere Kosten und meine Begeisterung sank wieder in den Keller.
„Ich mache dir ein Angebot.“, sagte der Ladenbesitzer, als er merkte, dass ich mir das nicht leisten konnte. „Ich gebe dir den Pinsel und den Zeichenstift für sagen wir nur achtzig. Dafür versprichst du mir aber, dass du sie wie einen Schatz hüten wirst, sie niemanden anderen zum Malen oder zeichnen überlässt, nur du sie verwendest und dass du anfängst zu glauben!“
„Ich soll anfangen zu glauben?“, fragte ich den alten Mann verwirrt.
„Du beißt dich zu fest an deine Überzeugungen. Du wolltest einen Neubeginn starten, der dir bislang nicht gelang. Du musst anfangen dich auf neue Dinge im Leben einzulassen. Glaub an dich Leon und du wirst Wunder vollbringen!“ Der Ladenbesitzer überreichte mir die Schatulle mit dem Pinsel und den Zeichenstift, während ich ihm ohne Worte das Geld dafür gab.
Ich bedankte mich leise bei dem alten, kauzigen Mann und zog glücklich ab. Erst als ich wieder in meiner WG ankam, wurde mir bewusst und fragte mich, woher der alte Mann über meinen Neubeginn Bescheid wusste, woher er wusste, dass ich ausgerechnet von dem Pinsel und Zeichenstift so angetan sein würde und woher er wusste, wie ich heiße!

Fortsetzung folgt...!

5. Die CODA – Teil 1
„Sie müssen das Bild das sie zeichnen fühlen, es in jedem kleinsten Detail in ihrem Kopf vorstellen und es dann auf ihr Blatt Papier vollenden.“, erklärte uns Kunstprofessor West, während wir ihn alle mit unseren wachsamen Augen ansahen und jedes Wort lauschten, was er uns sagte.
Hinter mir konnte ich zwei Mädchen flüstern und leise kichern hören. Aus ihrem Gespräch konnte ich entnehmen, dass es um den jungen Professor West ging, denn sie offenbar für sehr attraktiv hielten.
Immer diese Weiber, dachte ich mir. Was hat der Kerl, was ich nicht habe? Sehe ich so miserabel aus? Andererseits würde ich diese beiden gackernden Weiber auch nicht haben wollen. Eigentlich gefiel mir schon seit längerer Zeit kein Mädchen mehr so richtig, abgesehen von Maria, die sich allerdings auch weiterentwickelte – und ich wusste noch nicht, ob zum Guten, oder zum Schlechten.
„Herr Schopp!“, rief Professor West nach mir und ich wurde aus meinen Gedanken gerissen. „Langweile ich sie etwa?“
„N-Nein, nein. Ich höre ihnen aufmerksam zu.“, antwortete ich ihm schnell und unruhig.
„Und was habe ich dann eben gesagt?“, fragte Professor West mich und sah mich mit einem skeptischen Lächeln an.
„Das…“, dehnte ich meine Antwort aus. „… ich weiß es nicht.“
„Herr Schopp.“, sagte Professor West in einem ruhigen Ton, doch sein Blick war steinhart. „Wenn sie ihre Zeit lieber in Gedanken, Fantasien und Träumereien verbringen, dann können wir ihnen auch ein Bett hier reinstellen, oder aber… sie verlassen diesen Raum und kommen erst wieder, wenn sie sich dazu bereit erklärt haben, aktiv an meinem Kurs teilzunehmen.“
„Ich bin nun geistig völlig anwesend Professor.“, sagte ich schnell und lächelnd.
„Natürlich.“, sagte Professor West sarkastisch. „Verlassen sie mein Seminar!“
„Professor, ich…“, versuchte ich die Lage zu retten, doch…
„Auf der Stelle!“, rief der Professor im Befehlston und ich hatte keine andere Wahl. Ich wollte die Lage nicht noch schlimmer machen, also nahm ich meine Sachen und verließ den Raum.
Im rasanten Tempo rannte ich die Treppe runter zum Eingangsbereich, der komplett mit Teppich ausgelegt war, und warf aus Wut und Enttäuschung meine Tasche in eine Ecke am Fenster.
„Hey! Was soll denn das?!“, fragte mich ein Junge mit dunkelrotem Haar erschrocken, dem ich meine Tasche quasi vor die Füße warf. Er war sehr galant gekleidet und trug einem Stecker an der Brust auf dem ein Kürzel stand: CODA! Was immer das auch bedeuten mag…
„Entschuldigung! Ich bin nur so verdammt wütend!“, erklärte ich dem Jungen und hob meine Tasche wieder vom Boden auf.
„Ist ja kein Ding. Ist ja nichts passiert.“, sagte der Junge. „Sag mal, kannst du mir vielleicht helfen? Ich such die Theater AG.“
Ich musste selber kurz überlegen und starrte auf dem Plan, vor dem der Junge und ich standen. „Ich glaube da musst du da rüber, dann nach recht, dann nach links, die Treppe rauf in den zweiten Stock, dann nach links um die Ecke, dann nach rechts… ich glaube es ist besser, wenn ich mitkomme und dir den Weg zeige. Ich hab jetzt sowieso Zeit.“
„Coole Sache, danke dir!“, bedankte sich der Junge glücklich und ich ging mit ihm zur Theater AG.
Als wir drei Minuten später vor der Tür standen, sagte ich zu dem Jungen: „Hier ist es. Ich wünsch dir viel Glück!“
„Oh nein. Ich nehme an dem Seminar nicht teil.“, erklärte der Junge mir. „Mein Freund aber, und heute entscheidet sich, welche Rolle er bei dem nächsten Stück spielen wird. Ich bin hier um ihn im Notfall Beistand zu leisten.“
„Dein Freund?“, fragte ich, denn irgendwie hörte sich der Teil aus seinem Mund seltsam an.
„Naja…er und ich… wir sind zusammen.“, antwortete der Junge mir. „Hast du was gegen Homosexualität?“
„Ich? Nein! Ihr seid tolle Leute.“ Ich lachte ironischerweise und kam mir dabei selbst albern vor.
Mit einem Schlag öffnete sich die Tür zur Theater AG und der Junge mit dem braunen, lockigen Haar und der Stupsnase, in den ich neulich reinrannte, stürmte heraus. Sein Gesicht sprach Bände.
„Nicht gut gelaufen?“, fragte der Junge, den ich dem Weg hierher zeigte.
„Nein.“, antwortete der Junge ihm traurig, enttäuscht und auch wütend.
„Das tut mir so leid, Derek.“, sagte der rothaarige Junge zu seinem Freund und nahm ihn kurz darauf auch in den Arm und tröstete ihn.
Ich fühlte mich fehl am Platze und wollte gehen, als Derek mich bemerkte. „Ich kenne dich!“
„Äh ja… wir sind neulich ineinander reingerumpelt.“, erklärte ich ihm nervös.
„Ich erinnere mich wieder. Schön dich wieder zu sehen.“, sagte Derek freundlich zu mir.
„Er hat mir den Weg hierher gezeigt.“, klärte Dereks Freund auf.
„Cool danke. Ich heiße übrigens Derek und dieser süße Junge hier ist Roy, ein talentierter Klavierspieler und mein Freund!“, stellte sich Derek bei mir vor und hielt dabei die Hand seines Freundes.
„F-Freut mich.“, sagte ich nervös. „Ich heiße Leon.“
„Derek übertreibt gerne, denn so talentiert wie er behauptet, bin ich gar nicht.“, sagte Roy lächelnd. „Genaugenommen bin ich sogar einer der Schlechtesten aus unserer Gruppe.“
„Du bist nicht schlecht. Ich glaub an dich und weiß, dass du gut sein kannst.“, versuchte Derek nun seinen Freund aufzupäppeln.
„Ja… vielleicht…“, sagte Roy. „Aber jetzt gibt es ja die CODA.“
„Die CODA?“, fragten Derek und ich gleichzeitig.
„Die „Community Of Dreaming Artist“, zu Deutsch „Gemeinschaft der träumenden Künstler“.“, klärte Roy uns auf und zeigte auf den Stecker an seiner Brust. „Ich bin seit heute Morgen ein Mitglied.“


6. Die CODA – Teil 2
Roy führte seinen Freund Derek und mich zum Clubhaus der CODA. Ich ging einfach aus Langeweile mit, da Professor West mich aus seinem Kunstseminar warf, hatte ich genügend Zeit.
Der Club befand sich in einer eher zweifelhaften Gegend, denn hier und da konnte man den ein oder anderen Penner auf der Straße erkennen, sowie Leute, die ihr Geld mit Straßenmalerei, Geigenmusik oder einfachem Betteln verdienten. Wir bogen an einer Ecke ab und marschierten in eine Hofeinfahrt. Dann betraten wir ein Gebäude, das sich wie ein Hufeisen um den Hof entlang zog und marschierten bis in den zweiten Stock hinauf.
Dort angekommen, führte uns Roy zu einer Tür, die er mit einem Schlüssel, den er aus seiner Hosentasche zog, aufsperrte. Wir betraten den Club und ich war verwirrt…
Wir standen inmitten eines riesigen, hellbeleuchteten Raumes. Die Decke wurde von vier Stützpfeilern getragen und außer einer vergammelten, löchrigen Couch und einem eher morschen Holztisch, befand sich nichts im Raum.
„Äh, bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragte Derek, ebenso verwirrt wie ich, seinen Freund.
„Sicher bin ich sicher. Ich hab schließlich den Schlüssel dazu.“, antwortete Roy ihm und ließ de Schlüsselbund in seiner Hand umherwirbeln.
„Und wo ist die Einrichtung? Wo sind all die Clubmitglieder?“, fragte ich ihn schließlich.
„Also was das angeht…“, sagte Roy und hörte auf mit dem Schlüsselbund rumzuspielen und steckte diesen wieder in seine Hosentasche. „Genaugenommen bin ich der Gründer der CODA und ihr Beiden wärt meine ersten Mitglieder.“
„Moooment mal.“, sagte ich hastig. „Ich bin nur mitgekommen, weil mir langweilig war und nicht um mich irgendeinem Club anzuschließen.“ Ich sah mich um. „Der noch nicht einmal wirklich existiert…!“
„Er existiert sehr wohl.“, reagierte Roy beleidigt und wandte sich an seinen Freund Derek. „Hör mal, der Raum hier wird von meinem Dad gepachtet, doch er benötigt ihn nicht mehr und da er keinen Käufer fand, hab ich ihn eben gefragt, ob ich ihn nicht haben kann, um ein Clubhaus aufzubauen.“
„Das ist ja alles schön und gut, aber wie willst du das finanzieren?“, fragte Derek ihn.
„Sind wir Künstler oder ahnungslose Schrumpfhirne?! Ich bin Musiker, du bist Schauspieler und unser neuer Freund Leon hier, studiert soviel ich weiß Kunst. Wir könnten zum Beispiel seine Bilder die er zeichnet verkaufen.“, erklärte Roy uns.
„Hallo?! Werde ich hier überhaupt noch gefragt?“, fragte ich entsetzt. „Ich hab doch soeben gesagt, dass ich keinem Club beitreten werde!“
„Dann hilf uns wenigstens diese Flyer hier auf dem Campus zu verteilen, damit wir genügend junge und talentierte Künstler zusammenbekommen, die diesem Club beitreten.“, bat Roy mich und zeigte auf den Stapel Flyer, die auf dem Holztisch lagen. „Zusammen können wir Großes erreichen und wenn wir Geld haben, werden wir aus dieser Bude ein einladendes und wohlfühlendes Clubhaus zaubern.“ Roy grinste mich und Derek begeistert an und irgendwie konnte ich nicht anders als ja zu sagen. Mit Feuereifer und voller Zuversicht drückte Roy mir einige Flyer in die Hand und los ging es!

Erstaunlicherweise erreichten die Flyer die jungen Studenten sogar und schon nach wenigen Tagen kamen die ein oder anderen in kleinen Gruppen im Clubhaus vorbei. Doch als sie sahen, was sie dort erwartete, verschwanden sie ganz schnell wieder, ohne ein Wort des Abschieds.
„Das wird nicht funktionieren.“, sagte ich zu Roy, nachdem eine Schar Mädchen abzog, die als sie das Clubhaus sahen, uns auslachten und wieder gingen.
„Doch, dass wird schon. Nur Geduld…“, sagte Roy und ich verdrehte die Augen.
„Also ich verschwinde jetzt von hier. Meine Arbeit ist getan. Die Flyer sind im Umlauf und mehr kann ich für euch nicht tun. Tut mir Leid.“, sagte ich und als ich die Tür öffnete um zu gehen, stieß ich fast mit Zack zusammen, der auf einmal vor mir stand. „Was tust du denn hier?“, fragte ich ihn überrascht.
„Ich hab den Flyer gesehen und wollte mich hier mal umschauen.“, erklärte er mir augenzwinkernd.
Zack betrat das leerstehende Clubhaus und ich fragte mich, wann er wie die Mädchen anfing zu lachen und wieder kehrtmachte, doch nichts dergleichen geschah, stattdessen sah er sich sehr gründlich um. „Sind die Wände mit Schalldämpfern versehen?“, fragte er Roy schließlich.
Roy der genauso wie ich ein wenig perplex schien, antwortete ihm stotternd. „Äh, j-ja, i-ich glaube schon.“
„Und wenn man hier etwas rumtrampelt, hört man das im Untergeschoss?“, fragte Zack ihn weiter.
„Nein, wieso?!“, antwortete Roy ihm verwirrt, aber auch ein wenig glücklich, dass sich offenbar doch jemand für seinen Club interessierte.
„Gut, denn ich bin nämlich Tänzer und hier ist so viel Platz. Da wird sich doch sicher auch mal Zeit finden, dass ich hier trainieren kann, oder?“, erklärte Zack ihm und sah ihn fragend an.
„Jedes Clubmitglied hat ein Recht darauf, das Clubhaus für die Verwirklichung seiner Träume zu benutzen.“, erklärte Roy ihm und strahlte über beide Ohren.
„Sehr schön, dann trete ich offiziell deinem Club bei.“, sagte Zack lächelnd und ich war so überrascht, dass mir die Kinnlade runterfiel. „Bist du auch ein Clubmitglied Leon?“, fragte er mich schließlich.
Ich überlegte kurz und sah in das grinsende Gesicht von Roy und dann in das hoffnungsvolle Gesicht von Zack. Ich nickte mit dem Kopf und antwortete: „Ja, ich bin ein Mitglied der CODA!“


7. Die CODA – Teil 3
Die CODA hatte nun also bereits vier Mitglieder. Roy den Gründer, seinen Freund Derek, der übereifrige Zack und mich…! Wieso hab ich ja gesagt? Was ist in mich gefahren? Ich glaubte nicht mehr ich selbst zu sein, doch da schien ich nicht der Einzige zu sein…
„Du bist ein Mitglied in diesem jämmerlichen Club?“, fragte mich Maria entsetzt, als ich ihr am nächsten Tag zufällig auf dem Parkplatz begegnete und wir gemeinsam zur Universität gingen.
„So jämmerlich ist er nun auch wieder nicht.“, verteidigte ich den Club vor ihr.
„Also bitte! Ich war ebenfalls dort und hab mich umgesehen, weil es mich interessierte, aber da ist ja gar nichts, außer diesem ekligen Tisch und der noch ekligeren Couch.“, erwiderte Maria daraufhin.
„Die Jungs sind aber ganz cool drauf.“, meinte ich.
„Ein weiterer Grund warum ich nicht diesem Club beitrete. Der eine Kerl ist doch ein Freund von dieser Schreckschraube, die mich als Bitch beschimpft hat, oder?“, fragte Maria mich.
„Du meinst Zack… und seine Freundin heißt Fiona.“, klärte ich sie säuerlich auf.
„Ja und die anderen beiden Jungs sind schwul wie ich hörte. Ich hab nichts gegen Homosexuelle, aber nach meinen bisherigen Erfahrungen kann ich gut und gerne auf sie in meinem Leben verzichten.“, sagte Maria und ich schwieg zu diesem Thema. Mir war bewusst, dass Maria noch immer nicht über die Trennung ihres Ex-Freundes hinweg ist, dass sie allerdings immer noch so verletzt ist und zu einem verbittertem Menschen verkommt, wurde mir erst jetzt klar. „Wenn du mich fragst, solltest du schnellstmöglich aus dem Club wieder austreten. Das sind doch sowieso nur alles Spinner dort.“
„Ähm… mal schauen.“, sagte ich unsicher, denn ich wollte mich nicht jetzt entscheiden.
In der Eingangshalle der Universität verabschiedete ich mich schließlich von Maria und wir gingen in verschiedene Richtungen auf und davon.
Auf dem Weg zu meinem nächsten Seminar lief mir Roy in der Begleitung eines Mädchen über den Weg. „Hey Leon, gut dass ich dich hier antreffe.“, begrüßte er mich freudig. „Darf ich dir meine Schwester Annabelle vorstellen? Sie ist Sängerin und ist ab heute ebenfalls ein Mitglied der CODA.“
„Hallo, freut mich sehr dich kennen zu lernen.“, sagte Annabelle mit einem Lächeln zu mir. Sie war unverkennbar Roys Schwester. Roy hatte dunkelrote Haare und Annabelle schwarze kurze Haare mit lila Strähnen auf der rechten Haarseite. Zudem spielte Roy Klavier und seine Schwester singt.
„Entschuldigung, aber seid ihr Beiden aus einer Musikerfamilie?“, fragte ich die Beiden lachend.
„So ist es!“, bestätigte Roy. „Unser Dad ist ein Rocker und mit seiner Band auf Tournee und unsere Mutter eine ehemalige Klavierspielerin.
„Das ist ja cool.“, sagte ich begeistert.
„Wir müssen los. Sehen wir uns heute Nachmittag im Clubhaus?“, fragte Roy mich.
„Ich werde da sein.“, antwortete ich ihm.
„Gut und bring deinen Freund Zack mit. Wir haben eine Menge zu tun!“, rief mir Roy noch zu, während er zusammen mit Annabelle bereits auf halbem Wege fortstolzierte.
„Er ist nicht mein Freund!“, rief ich hinterher, doch wusste ich gar nicht, wieso ich das nun sagte, geschweige denn, wieso ich das so ernst nahm.
„Wer ist nicht dein Freund?“, fragte eine Stimme hinter mir und als ich mich umdrehte, stand – wie könnte es anders sein – Zack mit einem breiten Grinsen vor mir.
„Heeey!“, rief ich ertappt. „Nicht wichtig was ich sagte. Kommst du heute Nachmittag mit ins Clubhaus?“
„Keine Zeit. Bin mit Fiona und Max zum Eis essen verabredet.“, erklärte mir Zack.
„Kein Problem. Dann sehen wir uns eben morgen. Bis dann.“ Ich verabschiedete mich abrupt von Zack, denn irgendwie wurde mir auf einmal ganz heiß im Inneren meines Körpers. Was war nur los mit mir? Werde ich vielleicht krank? Ich fasste mit der linken Hand an meine Stirn. Fieber hatte ich schon mal keins. Inzwischen normalisierte sich mein Körper auch wieder. Wird sicher alles gut sein.

Am Nachmittag wartete eine kleine Überraschung auf mich, als ich das Clubhaus der CODA betrat, denn neben Roy, Derek und Annabelle befanden sich noch drei weitere Studenten hier.
Roy stellte mich den drei Neulingen vor. Der Erste war ein Junge mit aalglattem Haar und einer Brille. Sein Name war Wallace und er ist Autor. Zu Dereks Freude schrieb er auch Theaterstücke und Derek meinte sofort, dass wenn er eines schreiben würde, er gerne die Hauptrolle darin hätte. Wallace war allerdings ein eher mürrischer Knabe und als ich ihn begrüßte, nickte er mir nur zu. Er meinte: „Verzeih das ich dir zur Begrüßung nicht die Hand schüttle, aber meine Hände sind mein Heiligtum. Ohne sie könnte ich meinen Traum nicht verwirklichen, ein begnadeter Autor zu werden.“
Als nächstes wurde ich einem Mädchen mit brünetten langen Haaren vorgestellt. Sie schien etwas nervös zu sein, aber auch sehr freundlich. „Hallo, ich bin Katharina, du darfst mich aber gerne wie alle anderen Kat nennen. Ich studiere Modedesign und freue mich, hier viele neue Leute kennen zu lernen.“
Der dritte Neuzugang war ein stämmiger Junge mit kurzem braunem Haar. Er hieß Oskar und war handwerklich sehr geschickt. Seine Leidenschaft war aus Schrott etwas Nützliches herzustellen – ob es Sinn gab oder nicht. „Servus!“, begrüßte er mich nur und griff nach einem Burger, die Annabelle für alle bereitstellte.
Sie alle traten dem Club bei und als wir uns gemeinsam überlegten, wie wir den Club aufbauen konnten, um noch mehr Mitglieder zu bekommen, klopfte es an der Tür.
Derek öffnete die Tür und Zack stürmte zusammen mit Fiona und Max herein. „Sorry, sind wir zu spät?“, fragte er lächelnd in die versammelte Runde.
„Ich dachte du wolltest nicht kommen.“, sagte ich verwirrt und überrascht.
„Wollte ich auch nicht, aber als ich Fiona vom Club hier berichtete, bestand sie darauf herzukommen.“, erklärte Zack mir.
„Ist doch eine geile Szene hier.“, erwiderte Fiona begeistert.
„Das ist ja wunderbar!“, rief Roy begeistert und stand von der Couch auf. „Noch mehr Mitglieder. Damit wären wir jetzt zehn Leute und ich verspreche euch Allen – Hier werden eure Träume war. Wenn wir zusammen halten, wird jeder von uns Großes vollbringen. Willkommen in der CODA!“

Fortsetzung folgt...!

8. Die Halloween-Party – Teil 1
"Wer das Leben nicht schätzt, verdient nicht zu Leben. Kennt einer von ihnen jenes Zitat?“, fragte Professor West in seinem Seminar in die Runde. „Ich gebe ihnen einen Tipp. Es stammt aus einem sehr erfolgreichen Horrorfilm.“
Ich hob meine Hand. Zum ersten Mal im Kurs von Professor West hob ich meine Hand, denn ich kannte die Antwort. „Das Zitat stammt aus dem Horrorfilm Saw.“
„So ist es.“, bestätigte Professor West schmunzelnd. „Und wieso erwähne ich dieses Zitat und frage danach? Weil ich möchte, dass sie ihre Kunst walten lassen und das zeichnen, was sie am meisten in ihrem Leben schätzen. Ich weiß das das nicht leicht für sie sein wird, doch ich hab ihnen gegenüber auch nie behauptet, dass mein Seminar ein Zuckerschlecken ist. Machen sie sich nun an ihre Arbeit!“
Das war eine schwere Aufgabe, dachte ich mir, aber ich wusste, dass Professor West uns fordern wollte und ehrlich gesagt, war ich darüber auch sehr froh und angespornt. Professor West mag ein unsympathischer Mensch sein, aber er weiß was er tut.
Ich begutachtete die Schatulle mit dem Zeichenstift und dem Pinsel aus dem Mystic-Shop, der vor meiner Nase auf dem Tisch lag. Bisher hielt ich mich zurück von ihnen Gebrauch zu machen. Es war nicht wegen der Einzigartigkeit ihres Aussehens wegen, sondern aus Angst und dem unguten Gefühl darüber, es würde etwas geschehen was ich nicht erwartete, wenn ich sie benutzte.
„Hast du dir schon überlegt, was du in deinem Leben am meisten schätzt?“, fragte mich Professor West, der auf einmal neben mir stand und mich von oben herab ansah.
„I-Ich überlege noch.“, antwortete ich ihm ein wenig unsicher.
„Alle anderen haben bereits mit ihrer Zeichnung begonnen.“, sagte Professor West.
„Ja.“, sagte ich und sah mich im Raum um. „Es ist nur nicht so leicht.“
„Das ist der Sinn an meinem Kurs. Das Leben ist nun mal nicht immer leicht, aber das ist auch gut so, denn ansonsten würde man schnell anfangen sich zu langweilen.“, sagte Professor West und in meinem Kopf legte sich ein Schalter um und es machte Klick.
„Das ist es!“, rief ich lauter aus, als geplant und meine anderen Seminarteilnehmer schauten auf. „Das was ich am meisten im Leben schätze, sind die Herausforderungen die auf einen warten. Man wird nur so gut, wie man gefordert wird. Ansonsten bleibt man auf ewig an einer Stelle kleben und entwickelt sich nicht weiter.“
Professor West lächelte mich an. Ich glaube, dass ist das erste Mal, dass ich ihn lächeln sah. Bisher warf er einem immer nur ernste, wenn nicht sogar wütende Blicke zu und auch seine Augen wurden weicher und strahlten auf eine ganz andere Art und Weise wie sonst.
Ich begann mich der Herausforderung zu stellen und sie auf Papier zu bringen. Doch wie sollte man so etwas überhaupt zeichnen? Mir fehlte die Inspiration, doch als ich die Schatulle öffnete, und den Zeichenstift zur Hand nahm, durchströmte mich eine Flut von Gedanken und Erinnerungen. Ich fing an den Stift am Papier anzusetzen. Ich legte einfach los, ohne zu wissen, wie das Endergebnis aussehen sollte.

„Yeah Leon, gut das du kommst!“, rief mir Roy freudig entgegen, als ich das Clubhaus betrat. Seltsames war hier im Gange. Oskar stand auf einer Leiter und hämmerte Nägel in die Wände und Säulen, Katharina und Annabelle waren mit schwarzen, weißen und roten Stoffen beschäftigt, die sie im Raum verteilten und an den Wänden befestigten, während Wallace und Derek auf der Couch saßen, vor ihnen um die dreizehn Kürbisse und sie ausschnitzten.
„Was zum Teufel ist hier los?“, fragte ich Roy verwirrt.
„Wir suchen doch noch nach mehr Mitgliedern für unseren Club oder? Dein Freund Zack hatte die Idee eine Halloween-Party zu veranstalten um die Leute anzulocken.“, erklärte Roy mir.
„Er ist nicht mein Freund.“, sagte ich trocken. „Und wo ist Zack?“
„Er ist zusammen mit Fiona zum Supermarkt und besorgt uns Naschereien und Stimmungsmacher, wenn du verstehst!“, antwortete Roy und in seinen Augen konnte ich pure Begeisterung für diese Sache erkennen. „Das ist perfekt! Heute ist Freitag und wir haben dreizehn Kürbisse! Dreizehn, du verstehst?! Dein Freund ist ein Genie!“
„Er ist nicht mein Freund.“, wiederholte ich nun etwas mürrischer. „Und du machst mir Angst.“
„Sehr gut. Angst ist für Halloween unabdinglich.“, sagte Roy und sein Gesicht nahm dabei sogar schon horrorähnliche Züge an.
Die Tür zum Clubhaus knallte auf und Max stürmte herein. Oskar erschrak und fiel dabei fast von der Leiter. Max schien zornig zu sein und in seinen Händen hielt er einen weißen Zettel, den er vor Derek und Wallace auf den morschen Holztisch knallte. „Wo ist Zack?! Wo ist er?!“, brüllte er durch den Raum.
„Er ist nicht da. Was ist denn los?“, fragte Roy ihn verwirrt.
„Das ist los!“, rief Max laut und deutete auf den Zettel.
Derek nahm den Zettel zur Hand und las uns allen laut vor, was auf dem Papier geschrieben stand: „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast!“


9. Die Halloween- Party – Teil 2
„Da erlaubt sich sicherlich jemand nur einen Streich.“, meinte Kat, nachdem Derek vorlas was auf dem Zettel stand. „Irgendjemand, der zu viele Horrorfilme sah.“
„Ein geschmackloser Streich, wenn ihr mich fragt.“, gab ich von mir, als Zack und Fiona schließlich mit vollbepackten Einkaufstüten aus dem Supermarkt zurückkehrten.
Max nahm den Zettel auf dem „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ geschrieben stand und ging mit großen Schritten auf Zack zu und drückte den Zettel an dessen Brust. „Was ist denn mit dir los? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.“, merkte Zack erschrocken an.
„Wir müssen reden!“, sagte Max klar und deutlich. „Draußen!“
Kurz darauf verschwand Max zusammen mit Zack nach draußen und ließ uns verwirrt zurück. Roy versuchte die Stimmung wieder aufzulockern: „Vergesst bitte nicht, heute Abend alle in Kostümen hier aufzutauchen. Einladungen zur Party sind bereits am Campus verteilt.“
„Ich denke ich werde als Glitzer-Eddy aus Twilight hier aufkreuzen.“, sagte Derek ironisch.
„Es soll eine Horror-Party werden.“, sagte Annabelle zu ihm und verdrehte dabei die Augen.
„Ja eben.“, sagte Derek grinsend. „Die Filme sind so schlecht, dass ist der reinste Horror!“

Als Kostüm entschied ich mich für einen Zombie im Anzug und Zylinder. So konnte ich gruselig und zugleich gut aussehen. Um halb neun Uhr abends machte ich mich auf den Weg zum Clubhaus. Es war bereits dunkel und eine Nebeldecke zog durch die leeren Straßen der Stadt, als ich glaubte Schritte hinter mir zu hören. Ich drehte mich um – Keiner zu sehen. Ich setzte meinen Weg fort und nach etwa zehn Sekunden, konnte ich erneut Schritte hören. Wieder blieb ich stehen und drehte mich schnell um – doch es war wieder Keiner zu sehen. Doch als ich dieses Mal meinen Weg fortsetzen wollte, stand urplötzlich Maria in einem weißen Kleid vor mir.
„Fucking Shit!“, stieß ich laut schreckhaft aus. „Maria!“
„Erschrocken?“, fragte mich Maria fies lächelnd.
„Mir ist beinahe das Herz stehen geblieben. Mach das nie wieder!“, antwortete ich ihr noch immer laut, doch auch mir fuhr ein schmunzelndes Lächeln übers Gesicht. „Was machst du hier?!“
„Auf eure Halloween-Party gehen.“, antwortete sie mir.
Ich sah Maria von oben bis unten an. „Die Party ist aber ein Kostümfest.“
„Ich trag doch ein Kostüm.“, sagte Maria und zupfte dabei an ihrem weißen Kleid.
„Und was stellst du da?“, fragte ich sie nun verwirrt.
„Sieht man das etwa nicht? Ich gehe als Bloody Mary!“, antwortete Maria mir.
„Nimm es mir bitte nicht übel, aber ich dachte immer, Bloody Mary wäre von Kopf bis Fuß blutüberströmt.“, sagte ich.
„Ja schon, aber sind wir doch mal ehrlich…, welcher gutaussehende Typ würde mit mir rumhängen und mich küssen wollen, wenn an mir überall Blut klebt. Scheußliche Vorstellung.“, erklärte Maria mir und ich musste lachen.
Wir marschierten schließlich zusammen zu der Halloween-Party. Mir war klar, dass Maria nur zur Party ging, um Jungs kennen zu lernen, denn ihren Standpunkt zu dem Club hat sie mir neulich bereits verdeutlicht.
Die Party war bereits im vollen Gange, als wir gemeinsam den Club betraten. Laute Musik tönte uns entgegen. Ich war überrascht, dass das Clubhaus voll mit Studenten war, die hier Party machten.
„Ich denke ich hol mir erst einmal ein Glas Bowle, bevor ich mich auf Männerjagd begebe.“, sagte Maria und verabschiedete sich tanzend von mir.
„Hey, da bist du ja endlich.“, sagte eine Frau in Schwarz zu mir. An der Stimme erkannte ich, dass es Annabelle war. „Du kommst etwas spät. Freddy Krüger, Jason Voorhees und Chucky die Mörderpuppe legten bereits eine Breakdance auf der Tanzfläche hin.“
„Äh…okay...“, sagte ich und schmunzelte. „Wo sind die Anderen?“
„Wallace spukt als Poltergeist hier rum, Hexe Kat mischt Gift in die Bowle, Oskar hat sich als Clown mit Axt im Schädel verkleidet und trinkt ein Bierchen mit seinen Freunden, Zack, Max und Fiona hab ich noch nicht gesehen, Frankensteins Monster namens Roy legt die Musik auf und Derek, der sich als Graf Dracula verkleidet hat, geht uns allen wie immer mit seiner zickigen Art auf die Nerven.“, antwortete Annabelle mir ausführlich.
„Kann es sein, dass du Derek nicht sonderlich magst?“, fragte ich sie schließlich, nachdem mir ihr abfälliges Verhalten ihm gegenüber schon länger aufgefallen war.
„Roy mag ihn und das akzeptiere ich, aber ob ich ihn mag? Nein!“, antwortete Annabelle mir und ich erahnte, dass ihr dieses Thema unangenehm war. „Magst du ein wenig Blob?“
„Was?!“, fragte ich völlig überrumpelt und verwirrt.
„Naja eigentlich ist es Blaubeerpudding, aber Kat fand, dass er wie dieses schleimige Monster aus dem Horrorfilm aussah, dass den Namen Blob trägt.“, erklärte mir Annabelle belustigend.
„Danke.“, sagte ich lächelnd und nahm eine Schüssel davon dankend an. Doch ich hielt sie nicht sehr lange sicher in meinen Händen, denn beinahe ließ ich sie fallen, als ich sah wer da so eben bei der Tür reinmarschierte: Mein Kunstprofessor Shane West!


10. Die Halloween-Party – Teil 3
„Dieser Mann, der da soeben zur Tür reinspazierte, kommt mir bekannt vor.“, meinte Annabelle und starrte in dieselbe Richtung wie ich.
„Das ist Professor West und er unterrichtet Kunst an der Universität.“, erklärte ich ihr und war genervt davon, dass dieser Mann sich traute, auf einer Studentenparty aufzukreuzen.
„Er sieht nicht schlecht aus.“, meinte Annabelle und ich warf ihr einen verstörenden Blick zu.
„Er ist Professor und hat hier nichts zu suchen!“, sagte ich genervt zu ihr und zog von dannen, um mir ein Bier zu besorgen.
Ich drängelte mich durch die Massen der Gäste und kam dabei auch an Wallace, der sich als Poltergeist verkleidet hatte, und an Kat, die sich als giftgrüne Hexe offenbarte, vorbei. Sie waren in ein Gespräch miteinander verwickelt. „Als ich noch klein war, so Sechs oder Sieben, hatte ich schreckliche Angst, dass meine Eltern sterben würden. Ich lag nachts wach und hatte Panik.", erzählte Wallace.
"Ich glaube, dass es den meisten Kindern so geht.", gab Kat als Antwort zurück.
"Den meisten Kindern passiert es aber nie.", sagte Wallace und starrte Kat mit seinen großen Augen durch seine Brille an. Sollte das bedeuten, dass Wallace Eltern nicht mehr lebten? Ich hatte weder Zeit noch Lust nachzufragen, denn als allererstes wollte ich mir ein Bier gönnen.
Als ich endlich ein Bier zur Hand hatte und mir ein paar Schlucke gönnte, hätte ich sie beinahe wieder ausgespuckt, als ich merkte, dass Professor West auf einmal neben mir stand und mich freudig anlächelte. „Schönen guten Abend. Hätte nicht gedacht, sie hier anzutreffen.“, sagte er zu mir und ich wusste erst gar nicht, ob ich überhaupt antworten sollte, denn wie würde das auf die anderen Studenten hier wirken, wenn ich mich mit meinem Professor auf einer Party unterhalte. Ich entschied mich dann aber dafür, mich wenigstens kurz mit ihm zu unterhalten, damit ich nicht ganz unfreundlich auf ihn wirkte.
„Das ist eine Studentenparty.“, antwortete ich ihm schließlich. „Wo sollte ich sonst sein?“
„Keine Ahnung. Ich habe sie nur nicht für jemanden gehalten, der gerne Party macht.“, erklärte er mir und griff ebenso zu einer Flasche Bier und trank daraus.
Ich überlegte kurz, dann fragte ich: „Und was machen sie hier? Nicht das es mich was anginge, aber…“
„Aber ich bin kein Student, sondern Professor. Das wollten sie doch sagen oder?“, beendete Professor West meinen Satz und nahm sich gleich noch ein paar Schlucke. Ich staunte nicht schlecht.
„So hab ich das nicht gemeint…“, versuchte ich mich schnell herauszureden, auch wenn es stimmte, was er sagte.
„Hm… ich bin wegen meinem kleinen Bruder hier. Er hat mich eingeladen hier mal aufzutauchen und ein paar Bierchen mitzutrinken. Ich wollte nicht lange bleiben und hätte ich geahnt, dass ich meinen Studenten ein mulmiges Gefühl bereite, wenn ich hier auftauche, dann wäre ich mit Sicherheit nicht gekommen.“, erklärte er mir und nahm hinterher noch drei weitere Schlucke.
„So habe ich das nicht gemeint, ich…“, versuchte ich die Lage zu retten, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das am Montag im Seminar wieder auf mich zurückfallen könnte.
Zum meinem Erstaunen fing Professor West an zu lachen. „Ist schon in Ordnung und falls es sie beruhigt, ich bin ganz privat hier.“
„Danke Professor.“, sagte ich und entschuldigte mich auch noch zusätzlich.
„Shane.“, sagte er und streckte mir seine Hand entgegen.
Okay, das war nun wirklich eigenartig. Mein Professor bietet mir das Du an und streckt mir auch noch freundlich seine Hand entgegen. Was kommt als nächstes? Das wir zusammen mit dem Bier anstoßen und uns gegenseitig eine tolle Zeit an der Universität wünschen?
„Leon, aber das wissen sie… ich meine, das weißt du ja.“, sagte ich zu ihm nervös und gab damit meinem Drang, auf der Stelle wegzurennen und zu schreien, auf.
Shane trank sein Bier leer und nahm sich eine weitere Flasche. „Ich such mal meinen Bruder. Man sieht sich.“, sagte Shane und verließ mich.
Ich schaute ihn hinterher, bis er in der Menschenmenge verschwand. Auf einmal bohrte sich ein spitzer Gegenstand in meine linke Schulter und als ich mich erschrocken umdrehte, stand vor mir, breitlächelnd, Zack. „Was ist denn mit dir los? Hast du etwa einen Geist gesehen?“, fragte er mich lachend, nachdem er in mein bleiches und schreckhaftes Gesicht blickte.
„Nein, nein, alles okay. Du kommst spät und als was bist du verkleidet?“, fragte ich ihn.
„Der Hakenmann.“, sagte Zack voller Stolz. „Max fand das zwar nicht so komisch, aber der kriegt sich schon wieder ein. Ich wollte ja zuerst als Werwolf kommen, aber das Fell roch nach Lammbraten. Das hätte ich keine zehn Minuten darin ausgehalten.“
„Wo sind Max und Fiona? Geht es Max wieder besser?“, fragte ich und spielte auf den Zettel mit der ominösen Inschrift an, den Max heute Mittag erhalten hatte.
„Fiona treibt als Todesfee hier ihr Unwesen und Max hat sich wie Derek als Graf Dracula verkleidet. Derek findet das gar nicht toll und streitet sich nun mit Max, aber da hat er bei Max schlechte Karten, denn der ist immer noch auf 180!“
„Was hat es damit auf sich? Was war im letzten Sommer?“, fragte ich Zack neugierig, denn mein Interesse war nun natürlich schon ein wenig geweckt.“
„Sorry, aber das ist eine Sache zwischen mir und Max. Kann ich dir nicht sagen.“, antwortete Zack mir und ich akzeptierte das.
Zack und ich stoßen mit einer Flasche Bier zusammen an, als es weiter hinten plötzlich zu einer Rangelei kam. Offenbar schien der Streit von Derek und Max zu eskalieren. Zack drückte mir sein Bier in die Hand und rannte davon. Kurze Zeit später fiel der komplette Strom aus und alle Partygäste standen im Dunklen. Einige Jungs nutzten die Chance, ihre weiblichen Begleitungen zu erschrecken. Ich stand mit jeweils einer Flasche Bier in meinen Händen still da und rührte mich keinen Millimeter vom Fleck, als ich plötzlich eine Person in meiner Nähe spürte. Die Person stellte sich vor mich und ehe mich versah, drückte die Person mir ihre feuchten Lippen auf meine und fing an mich einfühlsam zu küssen. Ob ich mich gewehrt hätte, wenn meine Hände nicht blockiert gewesen wären? Ich weiß es nicht…, denn der Kuss war sehr schön, wenn auch recht kurz. Denn nach etwa einer Minute ging der Strom wieder an und als ich meine Augen öffnete, war die Person die mich küsste verschwunden.


11. Die Halloween-Party – Teil 4
Perplex und regungslos stand ich am Getränketisch, noch immer mit jeweils einem Bier in der Hand, und wusste nicht so recht was ich denken und fühlen sollte. Der Kuss war schön, doch von wem stammte er? War es jemand den ich kannte? Doch die wichtigste Frage die sich mir stellte: War es ein Mädchen oder ein Junge?! Diese Frage bereitete mir zunehmend Angst und ich wurde das ungute Gefühl nicht los, dass ich soeben missbraucht wurde. Vielleicht übertreibe ich auch gerade, aber…
„Gott ey, was für ein Chaos.“, schimpfte Zack, der sich durch die Menschenmasse zu mir durchkämpfte und sein Bier wieder entgegennahm. „Max ist auf Derek losgegangen, nachdem dieser
den Zettel erwähnte. Max ist völlig ausgeflippt und dann sind die Beiden im Gerangel gegen den Stromkasten geknallt. Nach einer Minute konnten Roy und ich die Beiden voneinander lösen und Oskar brachte den Strom wieder zum Laufen. Und was hast du die letzten Minuten so getrieben…?“
Ich schaute Zack geistig verwirrt an und antwortete ihm nicht. Zack warf mir einen verwirrten Blick zu. „Ich muss weg.“, sagte ich schließlich schnell, drückte Zack mein Bier in die Hand und verzog mich. Es war wieder da. Dieses warme Gefühl in meinem Bauch. Ich musste raus hier! Einfach nur raus, an die frische Luft. Als ich mir einen Weg zum Ausgang bahnte, kam ich an Oskar vorbei, der sich zu meiner Überraschung mit meinem Mitbewohner Gregor Sturm unterhielt. Der war auch hier? Was hatte er hier zu suchen? Sie führten ein Gespräch über Horrorfilme.
„Das ist doch immer dasselbe.“, sagte Gregor zu Oskar „Ein dämlicher Killer lauert einem Mädchen mit prallen Titten auf, die immer die Treppe rauf, statt die Haustür raus rennt und miserabel spielt. Das ist doch hirnrissig! Es gibt gewisse Regeln, die man beachten muss, um in einem Horrorfilm zu überleben: 1. Enthalte dich jeder Form von Sex, Sex ist gleich Tod; 2. Nicht trinken und keine Drogen. Das alles fällt unter Sünde, Sünde ist die Erweiterung von Nummer 1; 3. Du darfst nie, niemals, unter keinen Umständen sagen - Ich komm gleich wieder! - denn du kommst nicht wieder! Jeden, der gegen die Gesetze verstößt erwartet der Tod! Ich hol mir noch ein Bier. Auch eins?“
„Ja klar!“, antwortete Oskar ihm dankbar.
„Ich komm gleich wieder!“, sagte Gregor grinsend und brach somit Regel 3.
Konnte der Abend noch schlimmer werden? Ja, er konnte! Shane, also Professor West, trat zu Oskar und fasste ihm freundschaftlich an die Schulter. „Hey Bruderherz, danke für die Einladung.“
Der Bruder von Shane war Oskar? Das war nun wirklich zu viel für einen Abend für mich. Ich verließ die Halloween-Party. Ich konnte noch Annabelle mir hinterherrufen hören, was denn los sei, doch antwortete ich ihr nicht mehr und zog von dannen. Als ich das Gebäude verlassen hatte, erblickte ich im Hof Max, der auf dem Bordstein saß und sich eine Zigarette gönnte.
Er sah mich an, als er mich hörte und als er meine Mimik sah, sagte er: „Beschissener Abend was?“
„Wem sagst du das.“, bestätigte ich wortkarg.
„Ich hab gerade so was von die Schnauze voll.“, sagte Max, warf den Zigarettenstummel zu Boden und drückte ihn mit seinem rechten Fuß aus.
„Vor 28 Tagen war ich noch in meiner bescheidenen Kleinstadt und lebte ein sorgenfreies Leben.“, erzählte ich Max.“
„Vor 28 Wochen hatte ich mehr Probleme am Hals, als sich ein Mensch nur vorstellen kann.“, erzählte Max mir. „Jetzt scheinen mich diese Probleme wieder einzuholen.“
„Vor seinen Problemen kann man leider nicht weglaufen.“, erwiderte ich daraufhin.
„Und wieso bist du dann gerade aus dem Gebäude gerannt, als wäre der Tod höchstpersönlich hinter dir her?“, fragte mich Max.
„Panik, Angst, hab mich auf einmal ganz komisch gefühlt.“, versuchte ich ihm zu erklären, wusste allerdings nicht so recht, wie ich es ihm beschreiben sollte.
Max nickte nur und nachdem kurz Ruhe einkehrte, fragte er mich: „Hey, hast du noch Lust in eine Bar zu gehen. Dort kann man sich in Ruhe unterhalten und zufälligerweise arbeitet dort jemand, den ich kenne und der uns Freigetränke besorgen könnte.“
„Klingt gut, lass uns gehen, aber nur damit du es weißt, wenn ich schon von etwas gejagt werde, dann ist es nicht der Tod, sondern ein Alien. Die sind wenigstens cool.“, sagte ich zu Max.
„Und nur damit du es weißt…“, setzte Max zum Satz an und wiederholte damit meine Worte. „… der den ich in der Bar kenne und dort arbeitet, das bin ich selber.“
„Wieso arbeitest du in einer Bar?“, fragte ich ihn verwirrt, während wir losgingen.
„Benötige das Geld um die Uni zu bezahlen.“, erklärte Max mir.
„Verstehe, aber was ist mit deinen Eltern? Zahlen dir die nichts?“, harkte ich vorsichtig nach.
„Falsches Thema.“, sagte Max, dann lächelte er mich an und ich ließ vom Thema ab.
Max führte mich schließlich in die Bar in der er hin und wieder arbeitete. Sie nannte sich „Höllenbar“ – wie passend! Er versprach nicht zu viel, denn man konnte sich dort wirklich ausgesprochen gut unterhalten und die erste Runde bekamen wir tatsächlich gratis spendiert.
An jenem Abend lernte ich Max besser kennen. Doch er war nicht der Einzige über den ich an jenem Abend so einiges erfuhr. Auch über die anderen Club-Mitglieder hab ich etwas in Erfahrung bringen können. Eines war damit schon mal sicher: Im Club würde es garantiert nicht langweilig werden!

Fortsetzung folgt...!

Sorry für den einen Tag Verspätung. Dafür gibt es jetzt heute und dann gleich morgen wieder ein Kapitel zu lesen.
Wer hat Leon geküsst? Ein Club-Mitglied? Ein Unbekannter? Leon will es wissen und geht der Sache auf den Grund.


12. Der rätselhafte Kuss – Teil 1
Eine Woche war seit der Halloween-Party vergangen und je mehr Tage vergingen, desto weiter rückten die Geschehnisse des Abends weiter nach hinten in mein Gedächtnis. Den Kuss verdrängte ich, bis zu jener Nacht, als ich in einem Traum damit konfrontiert wurde.
Ich stand in einem leeren dunklen Saal, um mich herum war kein Mensch, außer dieser einen mysteriösen Person. Sie drückte mir ihre Lippen auf die meinen und wir küssten uns. Wir konnten nicht mehr aufhören uns zu küssen, es war, als wäre ich mit dieser einen Person verbunden. Auf einmal erhellte sich der Saal und als ich meine Augen öffnete…, lag ich in meinem Bett, in meinem Zimmer.
Mein Mitbewohner Gregor schien das Licht angemacht zu haben. Jedenfalls stand er in der Türschwelle und starrte mit seinem typischen rockigen Blick von oben auf mich herab. „Sorry, dass ich dich wecke, aber du verschläfst sonst und ich will mir nicht noch einmal vorwerfen lassen, dich nicht geweckt zu haben.“, sagte er zu mir und zog dann wieder ab und ließ mich alleine.
Nun war die Erinnerung an den Kuss wieder da und brannte sich auch in meine Gedanken. Ich muss herausfinden, wer mich küsste.

Auf dem Weg zur Uni überlegte ich fieberhaft wer in Frage käme. Es müsste jemand sein, der mich kannte, alles andere wäre noch verrückter und kurioser, als es ohnehin schon ist. Nach wie vor wusste ich nicht, ob es ein Mann oder eine Frau war. Von den Mädchen kämen Annabelle, Kat, Fiona und Maria in Frage. Alle waren solo, soweit ich wusste. Maria konnte ich eigentlich ausschließen, schließlich war sie meine Ex – eigentlich. Ich kannte Kat und Fiona noch nicht so gut und mit Annabelle verstand ich mich inzwischen recht gut, also beschloss ich, sie als Erste anzusprechen.
Ich fand sie in der Mensa, wo sie in einem Buch las und sich dazu einen Kaffee gönnte. „Morgen Belle.“, begrüßte ich sie freundlich mit ihrem Kosenamen, den ich mit ihrem Einverständnis vor ein paar Tagen verabreichte. „Ich hätte eine Frage an dich, die vielleicht ungewöhnlich und unangenehm für dich sein könnte.“
„Schieß los.“, sagte sie skeptisch, aber zugleich auch neugierig geworden.
„Okay, ich rede nicht lange um den heißen Brei herum, denn das wäre einfach nur dumm und ich würde das Unvermeidliche hinauszögern, aber das will ich nicht, denn ich will Dunkel ins Licht bringen und das so schnell wie möglich. Diese Sache belastet mich ungemein und ich…“
„Leon, du redest um den heißen Brei…“, wies mich Annabelle daraufhin.
Ich zog ein doofes und peinlich berührtes Gesicht. „Tut mir Leid.“
„Was ist los mit dir?“, fragte sie mich und legte ihr Buch auf die Seite.
„Also gut…, hast du mich auf der Party letzte Woche geküsst?“, fragte ich sie und gestikulierte dabei mit meinen beiden Händen.
Annabelle sah mich verwirrt an. „Wüsstest du das nicht, wenn wir Beiden uns geküsst hätten?!“
„Nein, denn als ich geküsst wurde, war gerade dieser eine Stromausfall und…“
„Du wurdest also wirklich geküsst?!“, stieß Annabelle aus und schien ganz aufgeregt über diese Neuigkeit in ihrem Leben zu sein. „Erzähl, wie war es?!“
„Du warst es also nicht…“, sagte ich mit ein wenig Enttäuschung im Ton.
„Nimm es mir bitte nicht übel Leon, aber du bist so gar nicht mein Typ.“, sagte Annabelle lächelnd zu mir und trank einen Schluck Kaffee.
Ich verzog ein verwirrtes Gesicht über ihre Aussage. „Bist duuuu… lesbisch?“, fragte ich sie langsam.
Annabelle brach in schallendes Gelächter aus. „Leon du Pappnase!“, rief sie laut, so dass jeder der in der Mensa saß, es hören konnte. „Nur weil du nicht mein Typ bist, heißt das doch noch lange nicht, dass ich auf Frauen stehe. Nein, du bist nur nicht mein Typ. Ich stehe eher auf den harten und starken Typ, du bist mir hingegen ein wenig weichgespült.“
Ich wurde rot im Gesicht. Ich bin also weichgespült? Wie nett, dachte ich mir und war ein klein wenig beleidigt. „Okay, du warst es nicht, dann muss ich eben weiter suchen.“, sagte ich schließlich und stand von meinem Stuhl auf.
„Halt Moment! Du gehst jetzt nicht einfach und lässt mich hier unwissend und neugierig zurück. Du wurdest während des Stromausfalls geküsst und weißt nicht von wem?!“
„Ganz genau. Ich muss herausfinden wer es war, denn sonst…“, versuchte ich ihr zu erklären.
„Bedeutet das, du weißt nicht einmal, ob du von einem Mädchen oder einem Jungen geküsst wurdest?“, fragte mich Annabelle weiter aus.
„Jap!“, bestätigte ich. „Es muss aber jemand gewesen sein, der mich kannte – hoffe ich.“
„Soll das bedeuten, es würde dir nichts ausmachen, wenn dich ein Junge küsst?“, fragte mich Annabelle und ein Lächeln fuhr ihr durchs Gesicht.
„Doch würde es!“, protestierte ich laut – etwas zu laut…
„Ist ja schon gut.“, sagte Annabelle und wies mich an mich zu beruhigen. „Aber wer würde denn von den Jungs in Frage kommen, wenn ich fragen darf?“
„Roy und Derek, wobei die zusammen sind und zur Zeit des Stromausfalls in den Streit verwickelt waren. Das Letztere trifft auch auf Zack und Max zu. Bleiben noch Wallace und Oskar, von denen ich aber eigentlich ausgehe dass sie hetero sind.“, zählte ich an meiner Hand auf.
„Also Max ist schwul und Zack ist dem männlichen Geschlecht auch nicht ganz abgeneigt, soweit ich mitbekommen habe.“, erzählte Annabelle mir und trank einen weiteren Schluck Kaffee. Diese Neuigkeit überraschte mich. „Dein Mitbewohner war doch auf der Party, oder? Wie war sein Name doch gleich?“, quetschte mich Annabelle ein wenig aus.
„Gregor und wir hassen uns gegenseitig. Außerdem ist er hetero…!“, antwortete ich ihr genervt, so wie ich es immer bin, wenn ich seinen Namen höre.
„Ich will doch hoffen, dass er hetero ist.“, sagte Annabelle und grinste hämisch. Ich guckte sie verwirrt an, als mir plötzlich noch eine weitere Person einfiel, die an jenem Abend auf der Party war. Mir fiel die Kinnlade runter. „Was ist los?“, fragte mich Annabelle verwirrt, als sie meinen Gesichtsausdruck bemerkte.
„Es gab da noch Jemand, der auf der Party war, mich kennt und mir sogar das Du anbot. Mein Kunstprofessor Shane West!“


13. Der rätselhafte Kuss – Teil 2
Annabelle schaute mich überrascht und entsetzt an, als ich meinen Kunstprofessor erwähnte. „Ist das nicht der Bruder von Oskar? Ist der schwul?!“, fragte sie mich überrascht.
„Das war nur eine Vermutung von mir. Ich weiß es nicht und hab keine Ahnung.“, erwiderte ich.
„Wenn er es war, dann wäre das eine tolle Schlagzeile für die Klatschpresse. Professor einer Universität küsst auf einer Studentenparty, bei einem Stromausfall, einen seiner männlichen Studenten!“ Annabelle schien das lustig zu finden, ich hingegen empfand das ganz und gar nicht so.
„Was soll ich denn jetzt machen?“, fragte ich sie ratlos. „Ich kann doch nicht zu jedem hingehen und ihn fragen, ob er mich geküsst hat. Da werde ich doch zum Gespött der Nation.“
„Wenn du wirklich wissen möchtest, wer dich geküsst hat, wirst du ums Fragen nicht herum kommen, aber wenn du willst, dass man dir ehrlich antwortet, dann hätte ich da eine Idee.“, schlug mir Annabelle vor und fing an, mir von ihrer Idee zu erzählen.

Diesen Tag werde ich so schnell nicht wieder vergessen. Um endlich zu erfahren, wer mich küsste, machte ich mich zum totalen Affen. Ich fand Maria mit ihren beiden neuen Freundinnen beim Eis essen in der Cafeteria. Ich bat Maria mit mir zu kommen, da es um ein sehr ernstes und wichtiges Thema ging, mit dem ich mich mit ihr unter vier Augen unterhalten möchte.
„Was ist denn los Leon?“, fragte sie mich verwirrt, als wir raus vor die Tür gingen.
„Ich hab ein Problem. Genaugenommen sogar ein großes Problem.“, sagte ich zu dir.
„Du kannst mit mir über alles reden, dass weißt du.“, sagte Maria zu mir tröstend.
„Ich habe Mundsoor.“, sagte ich und Maria sah mich noch verwirrter an, als sie es ohnehin schon tat. „Das ist ein Pilzbefall im Mund.“, erklärte ich ihr. „Er äußert sich durch eine starke Rötung mit weißen Flecken auf der Zunge und auf der Wangeninnenseite. Der Belag lässt sich schwer abwischen und darunter befinden sich zum Teil blutige Hautstellen. Zusätzlich hab ich ein Brennen im Mundraum, einen unangenehmen Geschmack und Schluckbeschwerden.“
„D-Das klingt ja schrecklich.“, sagte Maria schockiert. „M-Moment, ist das ansteckend?“
„Beim Küssen kann die Infektion weitergegeben werden. Ich hab die Infektion jetzt seit einer Woche und in diesem Zeitraum hat mich zum Glück nur jemand geküsst, den ich gar nicht kenne.“, antwortete ich Maria und als ich ihr schockiertes Gesicht sah, wusste ich, dass ich gewonnen habe.
„Du meine Güte. Ich glaube mir wird schlecht.“, sagte Maria und wurde kreidebleich im Gesicht.
Meine besorgte Miene verschwand und ich lächelte. „Keine Angst, war alles nur gelogen, um herauszufinden, wer mir seine Zunge in den Hals gesteckt hat.“, erklärte ich ihr.
Maria sah mich entsetzt an. „Du dämlicher Idiot!“, schrie sie mich laut an.
„Du hast es nicht anders verdient. Wieso hast du mich geküsst? Was sollte das?!“, fragte ich sie laut.
Maria war beleidigt und wütend, aber das war mir egal. Ich wollte eine Antwort hören und die bekam ich auch. „Der Abend lief nicht so gut für mich. Jeder Junge, den ich nur halbwegs interessant fand, hatte bereits eine Beziehung, oder aber kein Interesse an mir. Das deprimierte mich und dann sah ich dich, kurz bevor der Strom ausfiel. Ich hab mir nichts dabei gedacht, ich wollte doch nur wieder dieses warme Gefühl der Liebe in meinem Körper spüren.“
„Das war gemein von dir und es tut mir leid, aber dieses warme Gefühl spür ich bei dir nicht mehr.“, sagte ich zu Maria, ohne boshaft klingen zu wollen.
„Ich hab es ebenfalls nicht gespürt…“, sagte Maria nun kleinlaut. „Es tut mir Leid Leon.“
Ich war nicht wirklich wütend auf Maria, also nahm ich sie tröstend in den Arm und ließ die Sache auf sich beruhen. „Du wirst deinen Prinzen schon noch finden.“, sagte ich und versuchte ihr damit Hoffnung zu machen. „Tut mir Leid wegen der vorgetäuschten Krankheit.“ Ich grinste und Maria musste ebenfalls lächeln, zwickte mich aber für diese Gemeinheit in den Arm.

Nun da das Thema endlich geklärt war, konnte ich wieder aufatmen und mich auf meine Seminare vorbereiten. Ich war erleichtert, dass es „nur“ Maria war…, denn wenn es ein Junge gewesen wäre… Ich vertrieb diese Gedanken ganz schnell und als mein Kunstseminar begann, lauschte ich jedem Wort, dass uns Professor West heute mitteilte. Er hatte unsere Arbeiten von letzter Woche dabei und zu jedem seine eigene Meinung. Ich überlegte, was ich letzte Woche gezeichnet hatte, denn irgendwie konnte ich mich gar nicht mehr daran erinnern.
Ich bekam als Letzter meine Zeichnung zurück und als Professor West vor mich trat, mit meiner Zeichnung in seinen Händen, lächelte er mich hocherfreut an. „Ich bin stolz auf sie Herr Schopp. Mit dieser Zeichnung haben sie mir bewiesen, dass sie doch ein wahrer Künstler sind und es zu etwas bringen wollen.“
Ich bedankte mich leise. Nun war ich aber wirklich gespannt, was ich da nochmal fabrizierte. Ich weiß nur noch, dass ich für diese Zeichnung erstmals den Zeichenstift aus dem Mystic-Shop hernahm. Professor West legte mir meine Zeichnung auf den Tisch und ich starrte entgeistert drauf. Das konnte doch nicht wahr sein… was… wieso… was habe ich da gezeichnet?!
Die Zeichnung zeigte einen sehr fein und säuberlich gezeichneten jungen Mann mit verträumten Augen und einer wunderschönen Statur. Er versprühte eine ermutigende und beschützende Aura, so als wolle er sagen: „Finde mich, trau dich, komm zu mir und habe keine Angst!“
Ich schluckte und da war es wieder: Das warme Gefühl in meinem Körper.

Fortsetzung folgt...!

14. Schmetterlinge im Bauch – Teil 1
„Sie haben also Beschwerden über Erhitzung ihres Körpers?“, fragte mich die Ärztin, zu der ich am darauffolgenden Tag marschierte, um mich untersuchen zu lassen. Ihr Name war Dr. Gisela Fauna und sie war noch eine sehr junge Ärztin, aber auch sehr erfahren, wie mir auffiel.
„Ja, aber es ist kein Fieber!“, versuchte ich ihr verzweifelt zu erklären.
„Und wann genau treffen diese Überhitzungen immer ein?“, fragte mich Dr. Fauna etwas genauer.
„Ich ähm… keine Ahnung… zu unterschiedlichen Zeiten.“, antwortete ich ihr unsicher und ratlos.
Dr. Fauna saß an ihrem Bürotisch und fing an leicht zu schmunzeln. „Ich denke, dass was sie haben, ist völlig harmlos.“, sagte sie schließlich zu mir.
„Und was habe ich nun?“, fragte ich sie verwirrt.
„Das was sie haben, nennt sich „Schmetterlinge im Bauch“. Ist also völlig harmlos.“, antwortete sie mir und sah mich mit ihren strahlenden Augen lächelnd an.
„Ich bin nicht verliebt?!“, erwiderte ich überrascht. „I-Ich wüsste nicht einmal in wen…“

„Zack, dass sieht wirklich fantastisch aus!“, rief Fiona ihrem besten Freund begeistert zu, der gerade eine Tanzprobe absolvierte, als ich das Clubhaus betrat.
„Danke für das Lob, aber ich bin nur halb so gut, wie du mich darstellst.“, sagte er ganz lässig, während ihm der Schweiß von der Stirn rann, den er sich mit einem Handtuch abwischte, dass ihm Fiona reichte.
Zack hatte bequeme Schuhe, labbrige Shorts und ein armfreies Shirt an. Seine Arme waren goldbraun von der Sonne und der Schweiß setzte sich auch dort ab. Er sah echt heiß aus…
„Aaaaargh!“, schrie ich laut auf und mit einem Satz, waren die Augen von Zack und Fiona auf mich gerichtet. Ehe ich wusste was ich tat, war es schon geschehen. Ich fing an laut zu schreien, als sich in meinem Kopf Gedanken verbreiteten, die ich da keineswegs haben wollte.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte mich Fiona und sah mich an, als wäre sie von mir angewidert. Unser Verhältnis war nach wie vor etwas angespannt, nachdem sie herausfand, dass ich und Maria miteinander befreundet sind.
„Nichts, gar nichts.“, antwortete ich ihr schnell und schaute mich im Raum um, als wäre ich das erste Mal hier, nur um nicht zu Zack rüber starren zu müssen. Schließlich fragte ich: „Ist sonst gar keiner da?“
„Nein, ich hab meine Tanzstunde, die ich mit Roy vereinbart habe.“, erklärte Zack mir und trank aus einer Flasche, die mit Leitungswasser gefüllt war. Mit offenem Mund stand ich da und fing an zu sabbern, ohne es zu merken. Als es mir bewusst wurde, murmelte ich mürrisch leise vor mich hin, so dass es nur Fiona bemerkte, aber sie sagte kein Wort. „Ich fahr nach Hause und geh duschen. Kommst du mit Fiona?“, fragte Zack seine Freundin, nachdem er seine Flasche verschloss.
„Klar.“, antworte Fiona ihm klar und deutlich.
„Äh… ihr seid zusammen? Ihr seid ein Paar?“, fragte ich die Beiden verwirrt. Zack und Fiona sahen mich an, als hätte ich soeben eine Bombe platzen lassen, dann warfen sie sich gegenseitig Blicke zu und fingen an zu lachen. Na toll, dachte ich mir. Schon wieder werde ich ausgelacht…, das wird langsam zur Gewohnheit…
„Fiona ist meine beste Freundin. Ich werde mich hüten, diese Freundschaft mit Liebesduselei zu gefährden.“, sagte Zack zu mir, nachdem er sich langsam wieder fing.
„Zack wird mir nicht übel nehmen, wenn ich das sage, aber Typen wie ihn, lass ich erst gar nicht an mich ran.“, fügte Fiona zu Zacks Erklärung hinzu, was die Frage in den Raum warf, wieso das so ist.
Ich hielt mich mit weiteren Fragen jedoch zurück, war die Lage in die ich mich manövrierte, ohnehin schon schlimm genug.
Zack und Fiona zogen schließlich ab und ich fand mich alleine im Clubhaus wieder. Ich setzte mich auf die alte Couch, die inzwischen mit einer roten Decke überzogen wurde, öffnete meine Tasche und breitete meine Kunstutensilien auf dem Tisch aus.
Ich öffnete meinen Zeichenblock und das Bild mit dem verträumten Jungen kam zum Vorschein. Ich begutachtete das Werk, das von Professor West in den höchsten Tönen gelobt wurde. Meine Gedanken waren verworren. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dieses Bild gezeichnet zu haben, aber es war mein Zeichenstil, nur…, nur…, so gut hab ich in meinem ganzen Leben noch nie gezeichnet! Sind der Zeichenstift und der Pinsel etwa doch magisch? Unmöglich!
Die Tür zum Clubhaus sprang auf und Annabelle betrat das Clubhaus. „Hallo du süßer Kussmund.“, begrüßte sich mich herzhaft und lachte dabei zufrieden und glücklich. Sie zog mich immer noch damit auf, dass ich beim Stromausfall geküsst wurde und hinterher keine Ahnung hatte, wer es war.
Zumindest dieses Problem wurde gelöst, als sich herausstellte, dass es Maria war. Doch nun hatte ich diese Zeichnung vor mir und ich wusste nicht… Annabelle griff nach meiner Zeichnung und begutachtete sie. Ich wollte sie ihr wieder wegnehmen, doch dann drehte sie sich um und es war zu spät.
Nach einer kurzen Stille, sagte Annabelle: „Die Zeichnung ist wirklich gut Leon!“
„Ja danke, das hab ich schon gehört.“, sagte ich trocken und ein wenig undankbar.
„Du weißt was das bedeutet oder?“, fragte sie mich und drehte sich wieder zu mir um.
„Das ich ein talentierter Zeichner bin und es noch weit bringen werde?“, antwortete ich ihr fragend und verzog dabei eine Augenbraue.
„Nein, ich meine ja, vielleicht, aber was ich wirklich meine…“, sagte Annabelle und hielt mir die Zeichnung dabei so vor die Augen, dass ich es klar und deutlich sehen konnte. „Siehst du nicht, was dir dieses Bild sagen möchte Leon?“
„Das was ich soeben gesagt habe, dass ich ein talentierter Zeichner bin…?“ Ich sah Annabelle weiterhin verwirrt an.
„Bleib auf dem Teppich.“, wies mich Annabelle in die Schranken. „Diese Zeichnung ist der Beweis dafür, dass du dich wirklich ernsthaft mit dem Thema Homosexualität auseinandersetzen solltest, denn ob du es wahrhaben willst, oder nicht, aber irgendetwas scheint ihn dir zu schlummern und versucht sich nun bei dir bemerkbar zu machen!“ Ich schluckte mehrmals…


15. Schmetterlinge im Bauch – Teil 2
Ich beherzigte den Rat von Annabelle zwar, dennoch konnte ich es mir immer noch nicht so recht vorstellen, dass ich – auf irgendeine Art und Weise – jemals auf Jungs stehen könnte. Schon seit meiner Kindheit war ich mit Jungs immer nur stinknormal befreundet, spielte mit ihnen Fußball, riss mit ihnen Witze über Mädels, oder trank hin und wieder mit ihnen ein Bier.
Ich hatte aber auch nichts dagegen, wenn Jungs tanzten, so wie es Zack tat, wenn sich Jungs gerne Musicals ansahen und auch wenn Jungs mal weinen, empfand ich das einfach nur als menschlich. Ist es doch oder? Ich neige schon wieder dazu, in meinen Gedanken mich mit mir selber zu unterhalten, dabei sollte ich mich eigentlich auf den Unterricht bei Professor West konzentrieren.
Das heutige Thema: „Gefühle“. Professor West verlangte von uns, in uns hineinzublicken und das Gefühl auf Papier zu bringen, was wir in diesem Augenblick fühlen.
Nach meinen letzten Erfahrungen mit dem Zeichenstift und dem Pinsel aus dem Mystic-Shop, hielt ich mich zurück, wieder von ihnen Gebrauch zu nehmen. Ich hatte Angst, dass ich hinterher wieder jegliche Erinnerung verlor und etwas zustande kam, was mein Innerstes offenbarte.
„Ist das das japanische Schriftzeichen für Stolz?“, fragte mich Professor West, als er meine Zeichnung genau begutachtete.
„Ja genau.“, bestätigte ich ihm. „Ich bin nämlich stolz darauf, so gut zeichnen zu können.“
„Ist das das Gefühl, was du in dir entdeckt hast?“, fragte mich Professor West skeptisch und als ich seinen Blick sah, wurde ich unsicher und nickte nur. „Ich muss mich schon sehr über dich wundern Leon. Ist dir mein Lob von neulich so zu Kopf gestiegen, dass du nun nichts Bessere zustande bringst, als diesen Mist?!“
Dass es nicht so umwerfend ist, war mir auch ohne sein Urteil klar, es allerdings als kompletten Mist zu bezeichnen, war schon wieder sehr unverschämt. „Ich finde es ganz gut.“, wehrte ich mich.
„Und was hab ich euch zu Beginn des Semester gesagt Leon? Gut reicht für meinen Kurs nicht aus, es soll fantastisch sein!“, erklärte Professor West mir. „Keine Angst ich werde diese Zeichnung, oder wie du diesen Mist nennen magst, nicht auch noch zerreißen, wie dein letztes Kunstwerk, aber morgen Abend will ich euch alle auf Höchstleistungen sehen.“ Professor West sprach nun mit der gesamten Klasse. „Morgen Abend findet von mir ein außerterminlicher Kurs statt und Anwesenheit ist Pflicht!“
„Aber Professor West morgen ist Samstag und ich hab noch jede Menge andere Arbeiten zu erledigen.“, versuchte ich Professor West zu erklären, wenn es auch vergeblich schien.
„Kunst, ist ihre wichtigste Arbeit!“, rief Professor West laut durch den Raum. „Ich erwarte sie alle morgen Abend pünktlich um neunzehn Uhr hier!“

„Du siehst aus, als hätte man dir verdorbenes Essen untergeschoben.“, sagte Max zu mir, als ich ihm am Abend danach einen Besuch in der „Höllenbar“ abstattete und er mein Gesicht sah.
„Kein verdorbenes Essen, aber ein verdorbenes Wochenende.“, erklärte ich Max mürrisch und bestellte eine Cola, während er mit Gläser abtrocknen beschäftigt war.
„Hier bitte.“, sagte Max mitfühlend und schob mir ein Glas Cola über die Bar-Theke. „Wenn es dich tröstet, ich muss Überstunden dieses Wochenende schieben, um die Uni und meine Miete bezahlen zu können.“
„Tröstet mich in der Tat, tut mir aber Leid für dich.“, sagte ich zu ihm. Ich beobachtete Max eine Weile bei seiner Arbeit und dachte darüber nach, dass Annabelle meinte, er wäre schwul. Sollte ich ihn mal auf dieses Thema ansprechen? Während ich überlegte, wurde mir wieder ganz warm und ich schlug mir die Idee schnell aus dem Kopf. Ich muss diese immer plötzlich auftauchenden Überhitzungen endlich in den Griff bekommen.
Ich sah mich in der „Höllenbar“ ein wenig um, um mich abzulenken und entdeckte in einer hinteren Ecke Wallace, der ganz tief in ein Buch versunken zu sein schien. „Er war diese Woche öfters hier.“, merkte Max an, als er meinem Blick folgte.
„Geht es ihm gut?“, fragte ich Max etwas besorgt.
„Geh zu ihm hin und frag ihn, aber rechne lieber mit einer pampigen Antwort.“, antwortete Max mir.
Ich nippte an meiner Cola, dann sagte ich: „Ein andermal vielleicht…“

Den Samstagabend könnte man sich schöner vorstellen, als sich in die Uni zu hocken und Professor West bei seinen von sich selbst begeisterten Ideen zuzuhören. Doch ich hatte keine andere Wahl…
„Heute Abend werde ich sie womöglich schockieren, sofern mir das nicht schon gelungen ist.“, erzählte Professor West uns und grinste dabei leicht bösartig, was mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Er stand vor einem schwarzen Vorhang, was sich dahinter verbarg, wusste keiner der sich im Raum befindenden, außer dem Professor wohl selber. „Ich werde diesen Vorhang gleich fallen lassen und hoffe inständig, dass keiner von ihnen in Ohnmacht fallen wird – insbesondere unsere weiblichen Künstlerinnen hier nicht.“ Das Grinsen aus Professor West Gesicht verschwand nicht und langsam wurde die Neugierde in mir geweckt. „Ich bitte sie einfach Ruhe zu bewahren, mit niemanden zu reden und ihre Arbeit zu erledigen. Ich will Leistungen sehen!“
Mit seinen letzten Worten ließ Professor West den schwarzen Vorhang fallen und ein lautes Raunen ging durch die Luft. Große Blicke wurden auf das Objekt, das sich nun vor uns befand gerichtet, zwei Mädchen hinter mir, fingen an zu kichern und ich ließ vor Schreck meinen Stift zu Boden fallen.
Hinter dem schwarzen Vorhang versteckte sich ein Junge. Er saß auf einem Stuhl, war von oben bis unten splitterfasernackt und als wäre das nicht schon schlimm genug, musste es auch noch Zack sein!


16. Schmetterlinge im Bauch – Teil 3
Ich wollte schreien, ich wollte wegrennen, ich wollte alles, nur nicht noch länger mich in diesem Raum aufhalten und einen Jungen abzeichnen, der gänzlich nackt vor mir auf einem Stuhl saß. Dann musste es auch noch Zack sein... Ich versuchte mich normal zu verhalten und tat so, als würde ich ihn nur ansehen, um meine Inspiration anzuregen, doch das war leichter gesagt als getan, denn das warme Gefühl zog wieder durch meinen Körper und vereinnahmte mich.
Obwohl es bereits November ist, war sein athletischer Körper noch braun gebrannt. Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt. Vermutlich war Zack genauso nervös, wie ich es gerade war, doch stieg in mir die Frage auf, wieso er das tat?! Mein Blick wanderte schließlich zu einer unverkennbaren Körperstelle eines Mannes. Ich schluckte. Ich könne Zack nie wieder unter die Augen treten…, oder er mir? Verdammt, wenn ich das alles doch nur vergessen könnte, dann… Ein Geistesblitz schoss mir durch den Kopf. Ich zog die Schatulle mit dem Zeichenstift und dem Pinsel aus der Tasche und begutachtete die feinen Leinen darauf, die das Feuer symbolisierten.
Bei meinem letzten Einsatz mit dem Zeichenstift, verlor ich hinterher jegliche Erinnerungen. Das kann Zufall gewesen sein, könnte aber auch keiner gewesen sein. Wenn ich vergessen würde, was ich hier sehe und zeichne, dann würde ich dafür auch die Konsequenzen in Kauf nehmen.
Ich öffnete die Schatulle und nahm den Zeichenstift langsam zur Hand, dann warf ich noch einmal einen Blick zu Zack, der mir in diesem Augenblick ebenfalls entgegensah und fing anschließend an zu zeichnen. Das warme Gefühl verschwand aus meinem Körper und mit ihm meine Erinnerungen…!

Als ich erwachte, lag ich mit dem Bauch nach unten in meinem Bett, während mein rechtes Bein schlaff aus dem Bett hing. Mein Mund war halb offen und darin sammelte sich bereits mein Speichel an. Ich schloss meinen Mund und blinzelte mit meinen Augen, um mich an das Tageslicht zu gewöhnen. Mir bluteten die Ohren – nein nicht wirklich – Gregor hatte seine Musik wieder laut aufgedreht und schien auch noch weiblichen Besuch zu haben.
Ich stolzierte müde ins Badezimmer und putzte mir die Zähne. Dann stieg ich unter die Dusche und ließ mir erst warmes und dann kaltes Wasser über den Rücken laufen. Mit jedem Wassertropfen der mich berührte wurde ich munterer und lebhafter, dann öffnete ich abrupt meine Augen. Was hab ich gestern Abend eigentlich gemacht? Ich erinnerte mich nicht mehr daran, doch werde ich wohl etwas getrunken haben, denn wie ich ins Bett gekommen bin, wusste ich ebenfalls nicht mehr. Sollte ich Angst deswegen haben? Nein. Viele Studenten tranken hin und wieder ein wenig zu viel, da war nichts Schlimmes dabei und ich hatte noch nicht einmal einen Kater.
Als ich aus der Dusche stieg und mir die Haare abtrocknete, hörte ich, wie Gregor und sein weiblicher Besuch anfingen zu singen. Blieb mir denn gar nichts erspart? Als ich komplett trocken war – auch hinter den Ohren – zog ich mir Kleidung an. Da erkannte ich die weibliche Stimme, die zusammen mit Gregor sang: Es war Annabelle! Ein klein wenig überrascht war ich ja schon, allerdings auch nicht ganz verwundert, nach Annabelles Interesse, dass sie neulich an Gregor zeigte. Auch wenn ich zugeben musste, dass sie als Duett ausgesprochen gut harmonierten, war ich nicht auf ein Treffen mit den Beiden zusammen erpicht, also zog ich mir Schuhe und Jacke an und verließ die WG.

Es gehörte inzwischen fast schon zum Standard, denn Sonntag im Club der CODA zu verbringen und als ich ihn betrat, waren auch alle da, außer Annabelle und Max, der arbeitete und Überstunden schob.
Inzwischen hatte der Club eine kleine Küche und einen großen Esstisch für zehn Leute, die durch das Geld, das jeder in den Club steckte, gekauft wurden. Ich fragte mich zwar, wie so viel Geld in kurzer Zeit zustande kam, aber aus Roy, der für die Club-Kasse zuständig war, brachte niemand auch nur ein Wort darüber heraus. Im Grunde genommen konnte mir dies auch egal sein.
Oskar und Kat kochen sehr gut und bereiteten gerade ein Mittagsmahl für alle zu, während Fiona den Tisch deckte, Wallace mal wieder an seinem Laptop hing und an seinem Drehbuch schrieb und Zack Roy und Derek ein paar einfache Tanzschritte beibrachte.
„Tanzen die Beiden nun auch?“, fragte ich Fiona belustigt, während ich ihnen dabei zusah.
„Derek meinte, dass es nicht schaden könnte, wenn sie tanzen lernen.“, erklärte Fiona mir.
„Was soll das bringen?“, fragte ich sie verwirrt.
„Vielleicht hofft Derek ja, dass Roy ihn mal zum Tanzen ausführt.“ Fiona schmunzelte. „Isst du mit?“
„Ja, danke dir.“, antwortete ich ihr und setzte mich neben Wallace auf die Couch, sah den Anderen aber weiterhin bei ihren Tanzübungen zu.
Zack warf mir Blicke zu, doch als Derek ihn fragte, ob er ihn den einen Schritt noch einmal zeigen könnte, wandte er den Blick wieder von mir ab. Irgendetwas war komisch. Ich wusste nicht was es ist, aber es kam mir so vor, als hätte man mich um ein Teil meines Lebens beraubt.
Auf einmal hörte ich Kat leise rufen. „Sei vorsichtig und tu ihm nicht weh, Oskar!“
Oskar fing einen kleinen Schmetterling ein, der sich durch das gekippte Fenster hier herein verirrte. „Na Kleiner, hast du dich verflogen?“, fragte er den kleinen bunten Schmetterling.
„Du meine Güte, der tut so, als könnte er mit dem Tier reden.“ Wallace schüttelte den Kopf.
„Warum denn nicht? Wäre das nicht eine wundervolle Idee für dein Drehbuch?“, fragte ich Wallace.
„Nein danke, sonst verliert mein Drehbuch an Glaubwürdigkeit.“, erklärte Wallace mir.
„Ich bring dich wieder in Freiheit.“, sagte Oskar zum Schmetterling, während Kat das Fenster ganz öffnete und Oskar den Schmetterling dann anschließend wieder frei ließ.
„Schmetterlinge.“, murmelte ich vor mich hin.
„Was hast du gesagt?“, fragte Fiona mich, die mich hörte.
„Nichts.“, antwortete ich unschuldsbewusst, doch in Gedanken erinnerte ich mich an Dr. Faunas Worte, das ich Schmetterlinge im Bauch hätte und womöglich verliebt sei.
„Hey Leon!“, flüsterte Zack zu mir ins Ohr, nachdem er sich vom Tanzen absetzte und sich neben mich hinkniete. „Geht es dir wieder besser?“
„Besser?“, fragte ich ihn leise verwirrt zurück.
„Du bist gestern ganz bleich geworden, als du mich gesehen hast.“, antwortete er mir, doch ich wusste nicht von was er sprach. „Das was gestern Abend war, bleibt aber bitte unter uns.“
Ehe ich antworten konnte, stand Zack schon wieder auf und ging aufs Klo. Was war gestern Abend?!

Fortsetzung folgt...!

17. Bilder der Vergangenheit – Teil 1
Ich verließ gerade die Uni und war auf dem Weg zum Parkplatz, wo mein Auto stand, als mich Max von hinten einholte. Ich wartete kurz, damit er wieder ein wenig Luft holen konnte und als er wieder zu Atem kam, sagte er: „Gute Nachrichten für dich! Dein Lieblingsprofessor ist krank und wird auch den Rest der Woche wohl nicht mehr erscheinen.“
„Professor West?“, fragte ich ihn verwirrt. „Der ist nicht mein Lieblingsprofessor.“
„Ich weiß, ich wollte dich damit auch nur ein wenig aufziehen.“, erwiderte Max und grinste mich an.
„Deswegen hast du dir aber nicht den Weg zu mir gebahnt oder?“, fragte ich Max. „Morgen früh hätte ich die Nachricht, dass er krank ist, bestimmt selbst auf dem schwarzen Brett gelesen.“
„Nein, deshalb bin ich nicht gekommen. Ich wollte dich heute in die „Höllenbar“ einladen. Heute spielt eine Live-Band, die anderen kommen auch und da morgen früh dein Unterricht bei Professor West ausfällt….“, antwortete mir Max und lächelte mich dabei freudig an.
„Cool. Gibt es für die Einladung einen bestimmten Grund?“, harkte ich freundlich nach.
„Nein, kein bestimmter Grund.“, erwiderte Max und ich hatte das Gefühl als würde er mich anlügen, ließ die Sache aber auf sich beruhen und nahm die Einladung dankend an. „Dann treffen wir uns heute Abend um 21 Uhr in der „Höllenbar“. Ich freu mich!“
Mit einem Abschiedsgruß verließ mich Max und rannte wieder zurück zur Uni. Ich blickte ihm noch hinterher und sah, wie er auf halbem Weg plötzlich stehen blieb. Ich fragte mich was los sei, da entdeckte ich auf einer Brücke, die über den Teich führte, eine Frau mit hellbraunen Haaren, die ihr bis zur Schulter reichten. Ich fragte mich, wer das sei und ob Max sie kannte, doch mich geht das auch gar nichts an. Ich wollte gerade meinen Weg zum Parkplatz fortsetzen, als ich Max laut schreien hörte: „Verschwinde! Ich will dich nicht sehen, also lass mich verdammt nochmal in Ruhe!“ So wütend hab ich Max bisher noch nicht erlebt.
Kurz darauf rannte Max vor der Frau davon. Die Frau blieb still und starr auf der Brücke stehen und sah mit verträumten und traurigen Augen in den Teich. Ich hatte Hunger und musste aufs Klo, also setzte ich meinen Weg zu meinem Auto fort und während der ganzen Autofahrt über, überlegte ich, was es mit dieser Frau auf sich hatte, die Max soeben angeschrien hat.

Ich kam nach Hause, zog Schuhe und Jacke aus, legte meine Tasche in mein Zimmer und wollte mir in der Küche was zum Essen suchen, als ich über Annabelle stolperte, die mir im Gang entgegen kam.
„Oh hallo Leon.“, begrüßte sie mich ertappt, aber freundlich.
„Hallo.“, sagte ich nur, marschierte an ihr vorbei und in die Küche.
„Wie? Beachtest du mich jetzt nicht mehr?“, fragte sie mich leicht erzürnt.
„Ich hab doch Hallo gesagt.“, erklärte ich ihr und es klang pampiger als gewollt.
„Verstehe, du bist sauer, dass ich mit Gregor zusammen bin.“, zählte sie eins und eins zusammen.
Ich war überrascht, dass sie schon so weit waren, dass sie zusammen sind, andererseits ließen weder Annabelle, noch Gregor etwas lange anbrennen. „Ich hab nichts dagegen, dass ihr zusammen seid.“, sagte ich schließlich zu ihr, während ich den Kühlschrank öffnete. „Ich frage mich aber, wann ihr mir davon erzählen wolltet, denn schließlich wohnt Gregor nicht als Einziger hier und es wäre schon fair zu wissen, wer hier immer ein- und ausgeht.“
„Er wollte es dir sagen, aber ich bat ihn darum es nicht zu tun, da ich es dir sagen wollte.“, versuchte mir Annabelle zu klären, was mich aber nicht im Geringsten beruhigte.
„Du hast es mir aber nicht gesagt. Ich hab es selber herausgefunden, als ich euch Beide am Sonntag zusammen im Duett singen hörte.“, erwiderte ich, während ich mir eine Gurke schälte und sie in Scheiben schnitt.
„Tut mir Leid.“, entschuldigte sich Annabelle, als Gregor in die Küche reinstolziert kam und ihr einen Kuss auf die linke Wange gab, während er sie in den Arm nahm.
„Entschuldigt, mein Handy klingelt.“, sagte ich genervt, nachdem ich die Beiden rumturteln sah. Doch mein Handy klingelte wirklich und als ich auf den Display sah, las ich Zacks Namen.
„Hey Zack, was gibt’s?“, fragte ich ihn, als ich den Anruf entgegennahm.
„Hey Leon, du hör mal, Max hat dich heute Abend doch auch eingeladen oder?“, fragte er mich.
„Ja hat er, warum?“, fragte ich zurück.
„Es war abgemacht, dass ich und Fiona ihn abholen und wir dann zusammen zur „Höllenbar“ fahren, aber Fiona und ich müssen noch ein ganz spezielles Geschenk für ihn besorgen.“, erklärte Zack mir.
„Ein Geschenk wofür?“, fragte ich ihn verwirrt.
„Max hat heute Geburtstag.“, antwortete Zack mir und ich war überrascht, dass mir Max das nicht erzählte. „Wundert mich gar nicht, dass er es niemanden erzählt hat.“, sagte Zack lachend zu mir. „Max mag es nicht, wenn man um ihn ein großes Trara macht.“
„Und was soll ich nun tun?“, fragte ich ihn nach dem Grund für seinen Anruf.
„Kannst du Max heute Abend bitte abholen. Fiona und ich schaffen das zeitlich gesehen einfach nicht mehr.“, bat Zack mich freundlich und natürlich lehnte ich nicht ab. „Vielen Dank! Du bist meine Rettung! Hast du Zettel und Stift? Dann gebe ich dir seine Adresse.“


18. Bilder der Vergangenheit – Teil 2
Um nicht zu spät kommen und weil ich nicht wusste, ob ich die Adresse gleich finde, fuhr ich zeitlich mit meinem Auto los. Zu meinem Glück fand ich die Adresse auf der Stelle. Ich klingelte bei Max und er öffnete mir die Tür.
„Nanu.“, stieß er überrascht aus, als er mich sah und nicht, wie von ihm erwartet, Zack und Fiona vor der Türe standen. „Was machst du denn hier und wo sind Zack und Fiona?“, fragte er mich.
„Zack hat mich gebeten dich abzuholen, er schafft es nicht rechtzeitig.“, antwortete ich ihm, ohne auf die einzelnen Details einzugehen natürlich.
„Okay jetzt bin ich sauer.“, sagte Max und drehte mir den Rücken zu.
„Wieso?“, fragte ich ihn leicht verdutzt.
„Ich mag es nicht, wenn meine Adresse an fremde Leute weiter gereicht wird und Zack weiß das genau.“, erklärte Max mir, während ich ihm in seine Wohnung folgte.
„Ich bin also ein Fremder…aha…“, erwiderte ich leicht beleidigt.
„Nichts für ungut, wir kennen uns ja erst seit knapp zwei Monaten.“, entschuldigte sich Max bei mir.
„Schon in Ordnung.“, sagte ich nicht nachtragend und sah mich ein wenig in Max Wohnung um, der wie ich, in einer Wohngemeinschaft wohnt. Sein WG-Genosse schien nicht zu Hause zu sein, dafür aber eine kleine etwas dicke Katze, die sich auf dem Teppichboden ihren Weg zu mir bahnte.
„Das ist meine Kater Gero.“, sagte Max zu mir, während ich anfing Gero sanft zu streicheln und dieser zu schnurren begann.
Als nächstes erblickte ich eine Reihe von Zeichnungen die an den Wänden hingen und mit größter Wahrscheinlichkeit von Max stammen. „Wow.“, stieß ich begeistert aus.
Max grinste. „Ich nehme mal an, damit willst du mir sagen, dass du meine Zeichnungen toll findest.“
Ich lächelte. „Du zeichnest jedenfalls sehr viel besser als ich. Oh darf ich da mal reingucken?“, fragte ich ihn, in Bezug auf seine Zeichenmappe, die ich auf einer Kommode entdeckte.
„Klar, tu dir keinen Zwang an.“, antwortete mir Max, während er ins Bad ging, um die letzten Schönheitskorrekturen an sich vorzunehmen.
Ich blätterte in der Zeichenmappe und schaute mir jede Zeichnung von ihm genau an. Max hat ein gutes Gespür für feine Details wie ich fand. Eine Zeichnung zeigte einen alten Mann mit Jacke, Hut und Gehstock, der auf einer Parkbank saß, während um ihn herum die Blätter von den Bäumen fielen. In den Augen des Mannes konnte ich Erfahrung, Verletzbarkeit, Traurigkeit und einen gewissen Stolz herausspüren. Auf der nächsten Zeichnung war ein kleines Mädchen mit Zöpfen zu sehen, die inmitten einer Stadtkreuzung stand und weinte. Es schien, als würde sie von ihren Eltern getrennt worden sein und sie hätte sich verlaufen. Um sich herum liefen Passanten, die sie allerdings keines Blickes würdigten. Eine weitere Zeichnung zeigte eine junge Frau mit einem Baby, eingewickelt in einem Bündel, in ihren Armen. Sie schien hoffnungslos verloren zu sein und wusste nicht wohin, denn sie stand vor einem Gebäude auf dessen Schild Waisenhaus stand. Eine ältere Frau stand ebenfalls dabei und streckte ihre Arme nach dem Baby aus.
„Sie hat das Baby dort abgegeben.“, sagte eine Stimme hinter mir und als ich vor Schreck herumfuhr, stand Max vor mir. „Die Frau war ganz alleine und am Ende ihrer Kräfte. Sie wollte für ihr Baby nur das Beste und gab es deshalb beim Waisenhaus ab.“
„Das arme Baby, aber wenn die Frau wirklich am Ende mit ihren Kräften war, war es vielleicht das Beste für es.“, sagte ich verständnisvoll.
„Das Beste…“ Max gluckste traurig und wütend. Dann drehte er mir den Rücken zu. „Wir können dann los. Ich bin abmarschbereit.“
„Was ist los Max? Hab ich was Falsches gesagt?“, fragte ich ihn und ließ mich nicht so leicht abwimmeln.
„Hör zu, das geht dich nichts an, also kümmere dich um deinen eigenen Kram!“, befahl Max mir wütend, wenn er es auch nicht böse mit mir meinte.
Doch ich ließ nicht locker. „Wie viel Wahrheit zeigt dieses Bild und was hat das mit dir zu tun?“ Ich glaubte die Antwort zwar ohnehin schon zu kennen, denn ganz so doof war ich dann natürlich auch nicht, doch ich wollte es aus Max Mund hören.
„Wieso interessiert dich das? Warum mischt du dich in mein Leben ein?“, fragte Max mich verletzt.
„Weil ich dich mag und du mein Freund bist.“, erklärte ich Max entschlossen.
Max sagte zunächst kein Wort. Er schien nachzudenken, dann sagte er: „Du willst die Wahrheit? Die Wahrheit ist, dass meine Mutter mich, als ich noch ein Baby war, im Waisenhaus abgegeben hat. Als ich sechs Jahre alt wurde, nahm mich eine Pflegefamilie auf. Das ist die Wahrheit!“
„Die Frau von heute - auf dem Unigelände… war das…?!“, fragte ich vorsichtig und mitfühlend.
„Du hast sie gesehen? Das war meine leibliche Mutter. Sie hat sich beim Waisenhaus gemeldet, weil sie mich sehen wollte. Die vom Waisenhaus dürfen ihr aber natürlich nichts von mir preisgeben, ohne meine Einwilligung, aber irgendwie hat sie herausgefunden wo ich wohne und fing an mir Briefe zu schreiben. Ich hab keinen davon gelesen und sie sofort zerrissen und in den Müll geworfen. Auf einmal steht sie vor mir… Mein ganzes Leben lang, hat sie sich einen Scheißdreck um mich gekümmert und nun taucht sie hier einfach auf?!“ Max wurde zunehmend lauter und wütender. Ich versuchte ihn in den Arm zu nehmen und ihn zu trösten, doch er wehrte mich ab. „Ich bin durch die Hölle gegangen, verstehst du?!“
„Aber was ist denn passiert?“, fragte ich ihn verwirrt und wollte ihm nur helfen.
Max schüttelte den Kopf. „Ist jetzt auch schon egal, dann kannst du das auch gleich noch erfahren.“, sagte er zu mir und ich wartete gespannt. „Ich war ein ziemlicher Arsch, hab Drogen genommen und war adrenalinsüchtig. Dabei hab ich mein Leben und das Anderer aufs Spiel gesetzt…!“


19. Bilder der Vergangenheit – Teil 3
Ich war zuerst erschüttert über Max Geständnis, danach kam Mitleid in mir hoch und wieder wollte ich Max umarmen. Dieses Mal ließ er es zu und so standen wir etwa zwei Minuten in einer innigen Umarmung da, während meine rechte Hand seinen Kopf ein wenig tröstend streichelte.
Als wir uns voneinander lösten, erzählte mir Max ohne ihn dazu aufgefordert zu haben, von seinen Erlebnissen in der Vergangenheit. Er wählte seine Worte mit Bedacht und Traurigkeit lag in seinen Worten. Während er sich auf einen Stuhl setzte, machte ich es mir in einem Sessel bequem und Gero, Max Kater, ließ sich in meinem Schoß nieder. Ich hörte Max aufmerksam zu, während er redete. „Als ich sechs Jahre alt wurde, kam ich zu einer Pflegefamilie, den Schillings. Sie sind sehr liebensvolle Ersatzeltern für mich und betreiben ein Restaurant. Von ihnen lernte ich das Kochen, das Backen und was so in der Gastronomie zu tun ist. Acht Jahre ging es mir bei ihnen sehr gut, doch mit den Jahren die an mir vorüberzogen, wurde mir auch schmerzhaft begreiflich, dass meine leibliche Mutter mich aussetzte und mich nicht haben wollte! Zudem hatte ich den falschen Freundeskreis und auf einer Party kam es dann* zum ersten Kontakt mit Drogen. Keine Frage, dass man sich besser fühlt, wenn man sie eingenommen hat, doch lässt die Wirkung erst einmal nach, fühlst du dich schlechter als zuvor und um dieses Gefühl wieder zu vertreiben, greifst du immer und immer wieder nach Drogen.“ Max hielt kurz inne, doch ich sagte kein Wort. Wie gelähmt saß ich im Sessel und merkte nicht einmal, dass Gero zunehmend schwerer für mich wurde. Max erzählte weiter: „Durch die Drogen verkomplizierte sich mein Leben auch zunehmender. Ich ging nicht mehr zur Schule, kam immer sehr spät abends nach Hause und während sich meine Eltern zunehmend um mich sorgten, erlebten meine „Freunde“ und ich gefährliche Abenteuer. So legten wir uns zum Beispiel auf die Gleise und warteten bis ein Zug angerast kam, nur um kurz vorher wegzuspringen, oder wir fuhren mit einem Auto auf der Gegenfahrbahn einer Straße.“
„Ihr konntet mit vierzehn Jahren Auto fahren?“, fragte ich ihn verwirrt.
„Ich nicht, aber einer der bereits achtzehn war. Ich hab doch gesagt, dass ich mir den falschen Freundeskreis zulegte.“, erklärte Max mir und fuhr mit seiner Geschichte fort. „Das Ganze ging jedenfalls fast ein Jahr und irgendwann kam ich an dem Punkt an, an dem es fast zu spät schien, damit aufzuhören. Ich hatte die verrückte Idee ein U-Bahn-Rennen zu veranstalten und als ich und zwei meiner damaligen Freunde durch den Tunnel rannten, sauste hinter uns der Zug heran. Wir hätten es locker geschafft, wenn einer nicht in Panik geraten und gestolpert wäre. Ich kehrte um und half ihm schnell wieder auf die Beine, während der Andere sich schnell aus dem Staub machte. Wir haben es dann zum Glück um Haaresbreite überlebt, aber dieser Vorfall öffnete mir die Augen. Nur so leicht ist es nicht mit Drogen aufzuhören. Dann lernte ich Zack kennen und erst mit seiner Hilfe schaffte ich es aus eigener Kraft aus dem Drogensumpf heraus. Die gefährlichen Abenteuer nahmen ein Ende und von meinen damaligen Freundeskreis nahm ich Abstand. Ich nahm auch die Schule wieder auf und mit der Hilfe meines neuen Freundes und meiner Eltern, konnte ich sie doch noch recht gut abschließen. Zack stellte mir auch Fiona vor und zusammen wurden wir ein unzertrennbares Trio.“ Bei seinem letzten Satz musste Max schmunzeln, dann blickte er auf die Uhr und stand schreckhaft auf, denn es war bereits zehn nach neun. „Schon so spät? Wir haben die Zeit total vergessen. Die Anderen warten bestimmt schon in der „Höllenbar“ auf uns.“
Ich scheuchte Gero von meinem Schoß runter und stand ebenfalls auf, dann rannten wir eiligst aus der Wohnung und stiegen in mein Auto ein und während ich losfuhr, schaute Max betrübt aus dem Fenster. „Tut mir Leid für dich, dass dir das alles zugestoßen ist.“, sagte ich schließlich, da mir die Stille unheimlich und unangenehm war.
„Wieso? Ist doch nicht deine Schuld und dank Zack geht es mir auch schon sehr viel besser.“, erwiderte Max. „Versprich mir aber, dass du das niemanden weitererzählst!“
„Keine Angst, ich verspreche es!“, sagte ich zu Max, während seine Geschichte mir im Kopf rumspukte. Mit Sicherheit gab es noch sehr viel mehr aus Max Leben zu erzählen, doch ich wollte ihn nicht noch weiter ausfragen, denn schließlich hatte er heute Geburtstag und es sollte für ihn eigentlich ein schöner Tag sein und nicht einer, in der er über seine Vergangenheit nachdenkt.
Doch eine Frage schoss mir auf einmal wieder durch den Kopf und ohne Furcht und frei heraus, fragte ich ihn: „Stimmt es, dass du schwul bist?“
Max drehte seinen Kopf abrupt und etwas überrascht zu mir rüber. „Ja bin ich! Wer hat denn da aus dem Nähkästchen getratscht? Zack? Fiona?“
„Keiner von Beiden. Belle hat es mir erzählt.“, antwortete ich ihm.
„Würde mich interessieren, woher sie es weiß, aber das spielt nun auch keine Rolle mehr.“, sagte Max ein klein wenig deprimiert. „Ich hoffe, dass du nach allem was du über mich erfahren hast, nicht abgeschreckt von mir bist oder so.“
Ich überlegte kurz, dann lächelte ich. „Nein bin ich nicht. Ich freu mich, dass du so offen mit mir darüber redest, dass bedeutet, dass du mir vertraust und wir vielleicht wirklich Freunde werden können!“ Max lächelte nun ebenfalls und allein dafür hat sich der heutige Tag schon gelohnt.


20. Bilder der Vergangenheit – Teil 4
Als wir an der „Höllenbar“ endlich ankamen, waren Max Gäste bereits alle mit Getränken versorgt. Max schien fast den kompletten CODA-Club zu seinem Geburtstag eingeladen zu haben, denn bis auf Wallace waren alle anwesend. Zack stand von seinem Platz auf und kam uns entgegen. „Wo seid ihr denn so lange? Ihr seid spät dran!“, rief er uns zu und umarmte Max zur Begrüßung.
„Sorry, war meine Schuld.“, erklärte ich Zack, denn schließlich war ich es, der Max nach seiner Vergangenheit ausfragte.
„Jetzt seid ihr ja da und wir können mächtig einen drauf machen.“, sagte Zack erfreut und begleitete uns zu dem Tisch, an dem bereits Fiona, Oskar, Kat, Annabelle, Roy und Derek saßen.
Ich war verwundert, dass Max Derek, nach ihrem Streit auf der Halloween-Party, auch einlud, aber vermutlich hat Max ihn zusammen mit Roy eingeladen und wollte einfach nur freundlich sein.
„Ich freu mich ja über deine Einladung Max, aber gibt es wirklich keinen besonderen Grund?“, fragte Oskar Max, während seine Hand an ein Maß Bier hängt.
„Ich wollte einfach nur einen schönen Abend mit euch verbringen.“, erklärte Max ihm. Zack warf mir einen Blick zu, denn wir wussten es natürlich besser.
„Was ist mit Wallace?“, fragte Kat neugierig in die Runde.
„Er meinte er kann nicht, aber ich glaube, dass er einfach keine Lust dazu hatte.“, erklärte Max ihr.
„Danke, dass du ihn abgeholt hast.“, flüsterte mir Zack ins Ohr, während Max damit beschäftigt war, die Anderen zu begrüßen und ihn für ihr Kommen zu danken.
„Kein Problem.“, sagte ich zu Zack flüsternd. „Haben du und Fiona alles erledigen können?“
Zack nickte mir zu und danach setzten wir uns zu den Anderen dazu und ich und Max bestellten uns was zum Trinken. Fünf Minuten später stießen wir alle zusammen an und redeten und lachten ausgelassen. In Max Gesicht konnte ich Freude erblicken. Er schien inzwischen richtig glücklich zu sein, sofern ihn seine Mutter nicht weiter belästigt.
Als Max etwa eine Stunde später aufs Klo marschierte, latschte ich ihm nach, denn ich hatte noch etwas für ihn, was ich ihm aber nicht vor versammelter Mannschaft überreichen wollte.
Ich wartete vor der Tür auf ihn – ja ich weiß wie das jetzt klingt und aussehen mag – und als er endlich wieder aus der Toilette heraustrat, war er überrascht mich zu sehen. „Ist irgendwas?“, fragte er mich mit verwirrtem Blick.
Ich zog etwas Kleines und Weiches aus meiner Hosentasche und überreichte es mit einem Grinsen Max. Es war ein kleiner Stofftierschlüsselanhänger in Gestalt eines Tigers. „Der ist für dich. Alles Gute zum Geburtstag.“, gratulierte ich ihm und Max war nun völlig perplex und überrascht.
„Lass mich raten… Zack konnte seine Klappe nicht halten.“ Max schien nicht böse zu sein – im Gegenteil – ein Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus, während er den Stofftiger ansah. „Warum gerade ein Tiger?“, fragte er mich schließlich.
„Wegen deinen Haaren. Du hast braune Haare mit blonden Strähnen und siehst damit aus wie ein Tiger.“, antworte ich ihm und lachte hinterher darüber. Max musste ebenfalls grinsen.
„Vielen lieben Dank Leon.“, sagte er. Danach gingen wir zusammen zu den Anderen zurück, wo die nächste Überraschung auf Max wartete.
Zack und Fiona standen auf den Sitzbänken und hielten ein riesiges Plakat in ihren Händen, während Kat, Oskar, Annabelle, Roy und Derek links und rechts daneben standen und freudig lächelten.
„Alles Gute zum Geburtstag!“, riefen sie alle zusammen, während als Musik der „Happy Birthday-Song“ eingelegt wurde und auch Max´ Arbeitskollegen ihm gratulierten.
Max war außer sich vor Verwunderung und Freude, vor allem als er sah, was auf dem Plakat zu sehen war, dass Fiona und Zack zusammen gezeichnet haben. Es war eine riesengroße Zeichnung von Max, man könnte es schon fast ein Gemälde nennen, der zusammen mit Fiona und Zack abgebildet war und drunter stand in schöner Zeichenschrift geschrieben: „Friends forever & ever!“

„Soll ich dich noch hinein begleiten?“, fragte ich Max spät in der Nacht, nachdem ich ihn wieder nach Hause fuhr und wir im Auto vor seiner Wohnung standen.
„Nein danke. Das schaff ich gerade noch so alleine.“, bedankte sich Max grinsend. „Du hättest mich wirklich nicht nach Hause fahren müssen.“
„Ich weiß, aber ich hab dich abgeholt, also wollte ich dich auch heimbringen.“, erwiderte ich ihm.
„Danke, das ist echt lieb von dir.“, sagte Max lächelnd zu mir.
„Vielleicht kannst du mich eines Tages doch als Freund und nicht als Fremder bezeichnen.“, sagte ich hoffnungsvoll und spielte auf seinen Kommentar am Abend hin. Max schmunzelte, sagte aber kein Wort, während er den Stofftiger an sein Schlüsselbund befestigte. Ich wollte den schönen Abend nicht mit einer Frage zerstören, die Max vielleicht wieder traurig oder wütend stimmte, doch mein Bedürfnis ihn diese Frage zu stellen, war einfach zu groß: „Max…?“ Max murmelte nur leicht verständlich und nickte. „Würdest du deine leibliche Mutter eigentlich nicht gerne kennenlernen und den Grund erfahren, warum sie dich damals im Waisenhaus abgab?“
Max schaute zur Autofrontscheibe raus in die Dunkelheit der Nacht. Dann antwortete er mir: „Doch würde ich sehr gerne, aber ehrlich gesagt, bin ich dazu noch nicht bereit. Kannst du das verstehen?“
„Ja.“, sagte ich zu ihm. Dann stiegen wir beide aus dem Auto aus und verabschiedeten uns voneinander. Max umarmte mich überraschenderweise, was ich nicht kommen sehen hab, ehe er mir eine gute Heimfahrt und gute Nacht wünschte. Dann stieg ich wieder in mein Auto und fuhr davon, während mir ein Lächeln über die Lippen fuhr…!

Fortsetzung folgt...!

21. Die Mode-Show – Teil 1
Kennt ihr solche Tage, wo sich die Ereignisse regelrecht überschlagen? Heute war so ein Tag, bei der es auf einer Mode-Show zum Debakel kam. Fiona und Maria streiten sich, Max ist enttäuscht von mir, Zack ist ein verdammter Idiot, Kat ist mit ihren Nerven am Ende und ich befinde mich mittendrin und steh kurz vor einem Zusammenbruch. Vielleicht fang ich aber lieber damit an, euch die Geschichte von Anfang an zu erzählen. Alles begann nämlich bereits gestern…

Professor West war wieder gesund und übler gelaunt denn je, als er sein Kunstseminar betrat und uns wie immer einen ewiglangen Vortrag hielt. Irgendwann kam aber zum Glück auch er zum Schluss: „Ihre Zeichnungen von neulich mit dem Nacktmodel hab ich überflogen, aber um sie noch fachgerecht beurteilen zu können, benötige ich noch ein wenig mehr Zeit.“
Ich war verwirrt – wann bin ich das eigentlich nicht – Nacktmodel? Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, aber gut, inzwischen war Professor West auch zwei Wochen mit Grippe Zuhause im Bett gelegen, der Winter brach herein und die Menschen schmückten ihre Häuser und Gärten bereits mit Weihnachtsbeleuchtung.
Ich verbrachte zudem sehr viel Zeit mit der CODA. Es lief richtig gut inzwischen, denn mit einer neuen Couch, einem Sessel, einem Teppich und Vorhängen für die Fenster, die Kat selbst entwarf und schneiderte, sah es inzwischen wirklich gemütlich im Clubhaus aus. Mit Max verbrachte ich außerhalb des Clubs inzwischen sehr viel Zeit und wir wurden richtig gute Freunde. Er vertraute mir zwar nach wie vor nicht private Dinge an, aber ansonsten konnten wir uns inzwischen alles erzählen.
Mir ging es so gut, dass ich inzwischen auch darüber hinwegkam, dass Annabelle mit meinem Mitbewohner Gregor zusammen ist. Wo die Liebe halt hinfällt…
Als ich am Nachmittag den Gang in der Uni entlangmarschierte, entdeckte ich am gegenüberliegenden Ende auf einer Treppe Maria. Sie stolperte bei der letzten Stufe und stürzte zu Boden, während ihre Uniunterlagen ihr aus der Tasche fielen und sich auf dem Boden verteilten. Ich eilte zu ihr, half ihr auf und sammelte ihre Uniunterlagen ein. Maria setzte sich im Gang unter ein Fenster und schaute betrübt zu Boden. „Alles okay mit dir?“, fragte ich sie besorgt.
„Was interessiert dich denn das?“, entgegnete mir Maria mürrisch.
„Bist du sauer auf mich?!“, fragte ich sie verwirrt und erschrocken zugleich.
„Leon, wir haben seit Wochen nicht mehr miteinander geredet, geschweige denn gesehen. Seitdem du erfahren hast, dass ich dich auf der Halloween-Party küsste, gehst du mir erfolgreich aus dem Weg.“, erklärte Maria mir und sah mir nun auch endlich in die Augen.
„Aber das stimmt doch gar nicht.“, wehrte ich den Vorwurf ab. „Ich hatte viel zu tun und…“
„… und da hast du keine Zeit gefunden, sich mal nach mir zu erkundigen, wie es mir geht und so?!“, erwiderte Maria enttäuscht.
„Du hast dich doch auch nie bei mir gemeldet!“, entgegnete ich nun selbst wütend.
„Wie denn auch?! Du treibst dich doch nur noch mit diesen Loser aus deinem Club herum.“, erwiderte Maria.
„Diese Loser sind meine Freunde!“, schrie ich Maria nun wütend an.
„Wie diese Fiona?“, harkte Maria sauer nach und stand auf. „Weißt du was. Vergiss es einfach. Wir sind schon lange keine Freunde mehr!“ Dann stolzierte Maria wütend davon und lies mich alleine im Gang stehen.
Ich stand eine kurze Zeit einfach nur so da, als plötzlich eine andere weibliche Stimme meinen Namen rief. „Leon, wie gut das ich dich gefunden habe!“ Es war Kat und sie schien in Panik zu sein.
„Hey Kat, alles in Ordnung? Du siehst ziemlich fertig aus…“, sagte ich zu ihr.
„Danke, du weißt wie man einer Frau Komplimente macht.“, erwiderte Kat sarkastisch. „Hab derzeit viel Arbeit, denn vor den Weihnachtsferien findet noch unsere Mode-Show in der Aula statt.“
„Cool. Präsentierst du da von dir selbstgeschneiderte Kleider?“, fragte ich sie neugierig.
„Nur wenn ich noch drei männliche Models finde, da drei krank geworden sind und somit ausfallen.“, erklärte sie mir und ich hoffte sie würde mich nicht das fragen, was ich soeben dachte, doch sie tat es. „Würdest du als Model einspringen?“
„Iiiiiiich?!“, fragte ich sie schockiert, da ich mich bei bestem Willen nicht als Model vorstellen konnte.
„Ja du und ein nein akzeptiere ich nicht! Bitte Leon, du bist meine letzte Hoffnung!“, flehte sie mich regelrecht an. Sie schien wirklich verzweifelt zu sein. „Von der morgigen Veranstaltung hängt meine Zukunft ab und meine Kontrahentinnen haben mich sowieso schon auf dem Kicker. Bitte!“
„Ist ja gut. Ich mach es.“, sagte ich, da ich sie in dieser schwierigen Situation unmöglich in Stich lassen wollte. „Was für Klamotten muss ich denn da eigentlich anziehen?“
„Wir präsentieren die neue Sommer-Mode fürs kommende Jahr.“, antwortete Kat mir.
„Sommer-Mode? Bedeutet das…?“, fragte ich sie weiter und schaute dabei stutzig.
„Kurze Hosen, T-Shirts, Badeschlappen und auch Badeshorts.“, erklärte Kat mir nun voller Freude.
Ich blickte auf meinen schlanken Körper herab, denn mir war bewusst dass ich dann oben ohne rum laufen müsste, was mir gar nicht behagte. „Und wer ersetzt die anderen beiden Models?“, fragte ich noch nach.
„Ich hab Max und Zack dazu überreden können, diesen Job zu übernehmen.“, antwortete Kat mir. „Ich danke euch – ihr seid meine Rettung!“


22. Die Mode-Show – Teil 2
Am Tag der großen Mode-Show ging es in der Universität drunter und drüber. In der Aula wurde eine Bühne samt Laufsteg errichtet. Die Bühne wurde von einem riesengroßen roten Vorhang verdeckt, hinter der sich die Models auf ihren großen Auftritt vorbereiteten. Es war ein ziemlicher Tumult hinter der Bühne. Die Studenten, die Modedesign studierten – hauptsächlich vom weiblichen Geschlecht – liefen aufgeregt und völlig nervös umher, begutachteten ein letztes Mal ihre entworfenen Kleidungsstücke und nahmen notfalls nochmal letzte Änderungen vor, während die Models in der Maske saßen und von auserwählten Leuten geschminkt und gestylt wurden.
Vor dem roten Vorhang rief inzwischen die Professorin der Modedesign-Studenten durch ein Mikrofon und kündigte die bevorstehenden Auftritte an, während Studenten, Professoren und eingeladene Gäste ihren Platz in der Aula einnahmen und gespannt warteten.
Kat lief hinter mir nervös im Kreis, während ich in der Maske neben Zack und Max saß, nicht weniger nervös. Meine Füße zitterten und ich hoffte inständig auf dem Laufsteg nicht zu stolpern! Max schien genauso nervös wie ich zu sein, wenn auch weniger zittrig, während Zack wie immer ganz cool blieb und sogar jetzt noch voller Freude war und grinste.
Auf einmal tat sich hinter meinem Rücken was. „Na Kat, hast du dich schon auf deinen Untergang vorbereitet?“ fragte ein schlankes Mädchen, mit sehr langen glatten blonden Haaren. Sie trug ein rotes Kleid und trug roten Lippenstift auf ihre Lippen auf.
„Lass mich in Ruhe Linda!“, erwiderte Kat ihr nur aufmüpfig. Offenbar konnten die Beiden sich nicht ausstehen.
„Dein Untergang wird mein Triumph sein.“, sagte Linda zu Kat. „Es ist eine Schande, was heutzutage alles Modedesign studiert. Deine Mode ist eine einzige Katastrophe!“ Linda lachte boshaft.
„Verschwinde!“, rief Kat ihr erneut entgegen, nochmal ein wenig wütender als davor.
„Ladies, beruhigt euch bitte!“, sagte Zack, der den Streit ebenfalls beobachtete und nun dazwischen ging. „Belassen wir es doch bei einem fairen Wettkampf okay?!“
Zack war so cool und ich musste lächeln. Er wusste immer, was das Richtige in solch Situation war.
Kat riss sich zusammen und trat zu uns. „Nur noch wenige Minuten Jungs. Wird Zeit, dass ihr die Kleidung anprobiert. Zack du bist als Erster dran!“
Während Zack in der Anprobe war, traute ich mich einen Blick durch einen Schlitz im Vorhang und blickte auf die Menge, die um den Laufsteg herum ihre Plätze einnahmen. Ich entdeckte Annabelle, die zusammen mit Gregor in der dritten Reihe saß. Gregor machte einen missgelaunten Eindruck. Vermutlich wurde er widerwillig von Annabelle hierher geschleppt und ich ließ es mir nicht nehmen, ein Grinsen aus Schadenfreude aufzusetzen.
Eine Reihe vor den Beiden saß Maria und nur drei Plätze daneben saß Fiona, die ganz gespannt auf die Auftritte ihrer beiden Freunde wartete. Die Beiden würdigten sich keines Blickes.
Auf der anderen Seite des Laufstegs in der vordersten Reihe saß ganz alleine Oskar. Seit wann interessiert sich er denn für Mode? Der Platz neben ihm war unbesetzt. Kam er in Begleitung?
„Bist du unter die Models gegangen?“, fragte mich auf einmal eine Stimme und als ich mich umdrehte, stand Professor West vor mir.
„Was machen sie denn hier Professor?“, fragte ich zurück.
„Ich dachte wir hätten uns darauf geeinigt, dass wir uns in der Freizeit duzen.“, sagte Professor West. „Ich bin zusammen mit meinem Bruder hier. Du kennst Oskar glaub ich?!“
„Ja wir sind zusammen in einem Club.“, erklärte ich ihm.
„Ach ja, der CODA-Club.“, sagte Profess…ich meine Shane.
„Und nein ich bin nicht unter die Models gegangen. Ich helfe nur einer Freundin.“, erklärte ich ihm.
„Das freut mich, denn ihr Verlust, wäre für mein Kunstseminar tragisch gewesen.“, sagte Shane stolz.
„Tragisch?“, fragte ich verwundert.
„Du überrascht mich Leon.“, sagte Shane und ein Strahlen lag in seinen grünen Augen. „Zu Beginn des Semesters hab ich sie für einen untalentierten Künstler gehalten, doch dann legen sie mir auf einmal eine prachtvolle Zeichnung nach der Anderen vor und trittst jetzt auch noch als Model auf.“
Ich wurde leicht verlegen, doch versuchte ich es mir nicht anmerken zu lassen. Das mein Professor auf dieser Ebene sich mit mir unterhielt, war mir irgendwie unangenehm.
„Ihre Zeichnung über das Nacktmodel war wirklich einzigartig.“, sagte Shane und ich horchte auf, denn ich konnte mich immer noch nicht daran erinnern, wann und wen ich da zeichnete. „Ich hab ihre Zeichnung dabei, wenn sie sie also gleich zurückhaben möchten, dann…“
„Leon, kommst du in die Ankleide?!“, rief mir Kat von hinten zu.
„Ich muss los. Geben sie mir die Zeichnung einfach im nächsten Kurs mit denen der Anderen zurück.“, sagte ich zu Shane und rannte schnurstracks davon. Es war ein so heilloses Durcheinander, dass ich nicht mehr hörte, wie Shane mir hinterherrief, dass er mir meine Zeichnung einfach auf meinen Tisch legt, an dem ich gestylt wurde. Und damit wurde ein Stein ins Rollen gebracht, der schon in wenigen Minuten eine Lawine lostrat.


23. Die Mode-Show – Teil 3
Die Mode-Show begann! Die Menge applaudierte, als die ersten Models über den Laufsteg marschierten und die entworfenen Kleider der Studenten präsentierten. Ich betete immer noch, dass ich mich da draußen nicht blamierte und ausversehen stolpere. Wenigstens hatte ich Glück und durfte eine kurze Hose, ein Shirt und eine Sonnenbrille tragen – womit ich nicht oben ohne rumlaufen musste. Max trug ebenfalls eine kurze Hose, ein weißes armfreies Shirt und Badeschlappen, während Zack sich lediglich in Badeshorts präsentierte. Ich musterte die Beiden von oben bis unten, vor allem Zacks braungebrannter Athletenkörper zog meine Blicke auf sich, aber auch die von einiger weiblichen Models.
„Ich hoffe du hast dich auf deine Blamage gut vorbereitet.“, stichelte Linda erneut gegen Kat, doch Kat blieb gelassen und ließ sich nicht beirren. Linda konnte allerdings ihre große Klappe nicht halten: „Wie findest du mein Kleid? Weltklasse oder? Ich werde es persönlich auf dem Laufsteg präsentieren – als Abschluss, wenn alle Amateure von der Bildfläche verschwunden sind.“ Linda lachte.
Während Zack als Erster von uns drei zum Laufsteg rausmarschierte und Max sich nochmal kurz in die Maske setzte um seine Haare in Ordnung zu bringen, versuchte ich Kat ein wenig aufzuheitern. „Das ist dein großer Tag Kat! Lass ihn dir von niemanden wegnehmen, schon gar nicht von so einer eingebildeten Tante, die noch mächtig auf die Schnauze fallen wird.“ Kat musste grinsen und bedankte sich anschließend bei mir.
Als Max aus der Maske zurückkehrte, machte er einen seltsam aussehenden Gesichtsausdruck. Während Zack vom Laufsteg zurückkehrte, fragte ich Max besorgt: „Alles in Ordnung?“
Doch bevor ich eine Antwort erhielt, mischte sich Kat ein. „Leon, du musst raus! Worauf wartest du noch?!“ Ich vergas ganz, dass ich nach Zack auf den Laufsteg musste und als mich Kat in Richtung des Vorhangs bugsierte, fingen meine Füße wieder an zu zittern und Panik breitete sich in mir aus.
Als ich den Laufsteg schließlich betrat, fühlte ich mich auf einmal, als würde ich splitterfasernackt vor der Menschenmenge stehen. Ich spürte Kats nervöse Blicke im Nacken und hörte, wie sie mir leise zurief: „Beweg dich!“
Ich setzte meine zittrigen Füße in Bewegung und nach jedem Schritt den ich auf dem Laufsteg setzte, wurde ich zunehmend sicherer und selbstbewusster.
Ich ließ meinen Blick über die Menge schweifen. Links von mir konnte ich Oskar und seinen Bruder Shane entdecken Letzterer warf mir einen interessierten Blick zu, was mir sofort wieder unangenehm war. Rechts vom Laufsteg entdeckte ich zu meinem Entsetzen, dass Fiona aufgestanden war und vor Maria stand und sich mit ihr unterhielt. Sowohl Maria, als auch Fiona schienen sehr wütend zu sein. Ich hoffte inständig, dass der Streit nicht zu eskalieren drohte, doch ich bekam nicht mehr mit, da ich mich inzwischen wieder vom Laufsteg entfernte und hinter den Vorhang trat, hinter der eine aufgelöste Kat auf mich wartete. „Kat was ist los und wo ist Max?!“
„Er ist gegangen.“, erklärte mir Kat, während sie den Tränen nahe war.
„Gegangen?!“, fragte ich sie verwirrt.
„Dein Model tat klug daran abzuspringen, ehe er sich mit deiner Mode auf dem Laufsteg blamiert.“, sagte Linda, die sich nun für ihren großen Auftritt fertig machte.
„Halt die Klappe Linda!“, rief Kat ihr wütend zu.
„Aber was ist denn passiert?“, fragte ich Kat erneut. „Und wo ist Zack?“
Kat deutete mit einem Blick zu Fiona und Maria, die sich nun lauthals beschimpften. Linda betrat den Laufsteg und badete im Licht des Triumphes, als der Streit der beiden Mädchen eskalierte und es zu einem Handgemenge kam. Die Zuschauer sahen schockiert zu, während Zack und die Professorin der Modedesign-Studenten erfolglos versuchten Maria und Fiona zu beruhigen. Fiona schubste Maria, die fiel rücklings über die vorderste Reihe und gegen den Laufsteg. Der Laufsteg wackelte und Linda verlor auf ihren hochhackigen Schuhen ihren Halt und stürzte zu Boden. Shane fing sie im rechten Moment noch ein wenig auf und konnte somit das Schlimmste verhindern.
„Das ist eine Katastrophe!“ Kat fing an zu weinen und schluchzte.
Ich stürmte an Kat vorbei in die Maske, um mir mein Handy zu holen. Ich musste wissen, warum Max gegangen ist. Da entdeckte ich an meinem Platz die Zeichnung, die Zack als Nacktmodell präsentierte. Mein Mund blieb offen stehen und ich war sprachlos. Ich nahm die Zeichnung in meine rechte Hand und sah sie mir ganz genau an. Das soll ich gezeichnet haben?! Ich war fassungslos, denn ich konnte mich bei bestem Willen nicht daran erinnern. Ich musste mir Klarheit verschaffen, also stürzte ich raus und bahnte mir einen Weg zu Zack, der sich heftig mit Fiona stritt.
„Wie konntest du das nur tun?!“, schrie Fiona ihren Freund wütend an.
„Misch dich nicht in mein Leben ein, das geht dich nichts an!“, schrie Zack wütend zurück.
Ich packte Zack am Arm und zerrte ihn zu mir herum. „Was ist das?!“, fragte ich ihn lauthals. „Hab ich das etwa gezeichnet?!“
„Jetzt nicht Leon. Ich hab keine Zeit für deine Kinderein.“, erwiderte er nur genervt und drehte sich wieder zu Fiona um, doch ich ließ mich nicht abwimmeln und stellte mich neben ihn.
„Hab ich das gezeichnet, ja oder nein?!“, fragte ich ihn erneut.
„Ja verdammt natürlich! Stell mir doch nicht so eine doofe Frage, das weißt du doch ganz genau.“, antwortete er mir lauthals und widmete sich dann wieder Fiona.
Ich war schockiert darüber, dass ich keinerlei Erinnerung mehr darüber hatte und ich fragte mich, was mit mir geschah. Dann vernahm ich einen Satz, der mir den nächsten Schock bereitete.
„Warum hast du mit Maria geschlafen? Wie konntest du das nur tun?!“, fragte Fiona Zack wütend.
„Warum schlafen Menschen miteinander? Um Spaß zu haben um Himmels willen!“, entgegnete Zack ihr wütend.
Nach dieser Aussage wurden meine Ohren für jedes weitere Wort, dass in der Aula gesprochen wurde taub. Mein Körper drehte sich im Kreis, meine Gedanken wirbelten wild durcheinander. Meine Augen sahen, wie sich Shane und Oskar um die schockierte Linda kümmerten, wie Kat auf der Bühne stand und sich die Augen ausheulte, wie Annabelle und Gregor dranstanden und genauso schockiert wie alle anderen Zuschauer waren und wie Zack und Fiona miteinander stritten. Zu viel… das war einfach zu viel… Max ist fort… genau wie meine Erinnerungen… ich wusste nicht was mit mir geschah und ehe ich mich versah wurde mir schwindlig und fiel bewusstlos zu Boden, wo ich regungslos liegen blieb. Ich hörte Annabelle laut aufschreien, dann wurde es still!

Fortsetzung folgt...!

24. Eine Weihnachtsgeschichte: Versöhnung – Teil 1
Mein Name ist Maria Glas, ich bin achtzehn Jahre jung und studiere Kunst. Mein bisheriges Leben war wie das so vieler Menschen in meinem Alter chaotisch! Das lag vor allem daran, dass die Liebe mir immer wieder Sorgen bereitete. Mein erster Freund hieß Benjamin Zemicki, ich nannte ihn immer nur Benji und ich lernte ihn in der 5.Klasse kennen. Damals war ich also gerade einmal zehn Jahre alt und somit schon ein kleinwenig frühreif. Die Beziehung war allerdings nur von kurzer Dauer. Danach schwärmte ich eine lange Zeit für einen Jungen aus der Parallelklasse – Tobias Hennig. Der Junge war der Prinz meiner Träume, ehe sich herausstellte, dass er bisexuell ist und sich in seinen besten Freund verliebte. Dazwischen lernte ich Leon Schopp kennen. Unser gemeinsames Hobby – die Kunst – verbündete uns und unsere Beziehung hielt zumindest ganze vier Monate. Wir blieben aber gute Freunde, doch jetzt bröckelt unsere Freundschaft sehr stark. Er trat einem Club bei, versammelte viele neue Freunde um sich herum und ich legte mir ein neues Image als Bitch zu.
Um die Dinge zwischen uns vor den Weihnachtsferien wieder ins Reine zu bringen, stattete ich dem CODA-Club einen Besuch ab. Als ich an der Tür klopfte, öffnete mir Roy Kirchner, der Gründer des Clubs. „Guten Tag.“, begrüßte ich ihn freundlich. „Ist Leon da?“
Roy ließ mich freundlicherweise herein und ich entdeckte Leon auf der Couch, wo er sich nach den Strapazen der Mode-Show vor ein paar Tagen ausruhte. „Was suchst du denn hier?“, fragte er mich verwirrt über mein Auftauchen. Im Sessel neben ihn saß Fiona, mit der ich mich nicht sonderlich gut verstand. Wobei das noch untertrieben war, endete unser letztes Aufeinandertreffen doch in einem handfesten Streit, bei dem eine andere Studentin fast zu Schaden kam.
„Ich bin hier um mich bei dir zu entschuldigen.“, antwortete ich Leon auf seine Frage hin. „Mein Benehmen in den letzten Wochen war daneben und ich möchte das wieder gut machen.“
„Du musst dich nicht dafür entschuldigen, dass du mit Zack geschlafen hast, geht mich ja nichts an.“, sagte Leon zu mir, der leicht verlegen im Gesicht wurde. „Jedenfalls nicht bei mir.“, fügte er hinzu und sein Blick wanderte zu Fiona, die Maria keines Blickes würdigte.
„Ich will mich nicht herausreden, aber die letzten Monate waren wie eine Achterbahnfahrt für mich.“, versuchte ich Leon zu erklären. „Der Beziehungsaus mit Tobias hat mich in ein tiefes Loch stürzen lassen und das Kunst-Studium läuft auch nicht so wie ich es mir verhoffte.“
„Das tut mir Leid für dich.“, sagte Leon mitfühlend zu mir.
„Und ja, bei dir sollte ich mich auch entschuldigen Fiona. Ich war wirklich nicht sehr nett zu dir.“, sagte ich nun an Fiona gewandt, überwand meinen Stolz und setzte mir als Ziel mich zu bessern.
Erstmals sah Fiona auf und sah mir dabei in die Augen, doch ihre Miene blieb unerkannt und ihre Gedanken waren mir unklar, dann sagte sie: „Du und Leon ihr seid Freunde, was bedeuten muss, dass du ganz in Ordnung sein müsstest, aber das du mit Zack geschlafen hast, verzeih ich dir trotzdem nicht.“
Roy mischte sich in das Gespräch ein: „Fiona, zu Sex gehören immer noch zwei Menschen!“
Ich wurde rot im Gesicht, denn ich wollte das Thema keinesfalls so direkt ansprechen. Fiona blickte zu Roy und sagte: „Das weiß ich doch auch, aber Zack ist mein bester Freund und das wusste Maria genau. Das kam rüber, als wollte sie mir nur eins reinwürgen!“
„Das wollte ich wirklich nicht!“, wies ich den Vorwurf von mir. „Ich war so niedergeschlagen und Zack lief mir nur zufällig über den Weg und als er sah, wie schlecht es mir ging, hat er mich getröstet und dann… Ich hatte das wirklich nicht so geplant, bitte glaubt mir!“
„Ich glaube dir.“, sagte Leon zu mir, dann lächelte er mich an und ich wusste, dass er mir verzieh.
„Also schön.“, sagte Fiona schließlich und stand von ihrem Sessel auf. „Ich weiß zwar immer noch nicht, ob ich dich jemals leiden kann, aber dieser Zickenkrieg zwischen uns Beiden ist absurd und es wird Zeit, dass wir Frieden schließen.“ Fiona reichte mir ihre Hand und ich nahm sie dankbar entgegen.
„Sehr schön. Dann wäre das Thema ja endlich vom Tisch“, sagte Roy, klatschte und rieb sich anschließend die Hände. „Es gibt gleich Essen. Möchtest du bleiben Maria?“
Ich war überrascht über die Einladung und freute mich auch sehr darüber, aber ich lehnte dennoch dankend ab, denn ich wollte Fionas Friedensangebot nicht überstrapazieren. „Danke das ist sehr lieb. Ein andermal vielleicht?“
„Wann du Lust hast. Du bist hier jederzeit willkommen.“, sagte Roy freundlich. „Die Tür zu unserem Club steht dir jederzeit offen!“
Ich lächelte Roy dankend zu, dann umarmte ich Leon noch kurz und verabschiedete mich, aber nicht ehe ich ihnen noch Frohe Weihnachten wünschte. Im Treppenhaus kam mir Kat entgegen. Sie war ebenfalls ein Mitglied des CODA-Clubs und studierte Mode-Design. „Hallo. Tut mir Leid, dass ich neulich deine Mode-Show gesprengt habe.“, entschuldigte ich mich bei ihr.
Kat lächelte mir zu. „Das war zwar ziemlich daneben, aber eigentlich sollte ich dir dankbar sein, denn du hast meine ärgste Kontrahentin vom Laufsteg geworfen.“ Kat lachte.
„Ihr geht es doch wieder gut oder?“, fragte ich Kat besorgt.
„Ja, nur ist sie jetzt noch grimmiger und boshafter als davor, aber ihr selbstentworfenes Kleid bekam bei ihrem Sturz Risse und das bereitet mir ein wenig Schadenfreude.“, antwortete Kat mir.
„Mode-Design…“ Ich überlegte kurz, dann fragte ich Kat. „Gibt es eine Chance, dass ich im nächsten Semester von Kunst zu Mode-Design umsteige?“
Kat sah mich verwundert an. „Ich denke schon, dass das möglich ist. Sprich doch mit dem Dekan darüber, wenn du das wirklich möchtest.“, schlug mir Kat freundlich vor.
„Das werde ich. Ich hoffe du kannst dann mit einer weiteren Kontrahentin leben.“, sagte ich zu Kat.
Kat lachte. „Wir werden sehen! Ich wünsch dir Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch!“
„Danke dir, wünsche ich dir ebenfalls!“, sagte ich zu Kat freundlich und mit einem Lächeln im Gesicht marschierte ich ins Freie und stapfte durch den weißen Schnee, der vom Himmel zu Boden fiel.


25. Eine Weihnachtsgeschichte: Zusammenhalt – Teil 2
Viele Menschen behaupten ich wäre ein unverbesserlicher Zyniker, dabei nimmt sich keiner die Zeit mich wirklich kennen zu lernen. Meine Geschichte liest sich wie aus einem Roman, denn auch wenn es unrealistisch klingt, so ist sie dennoch wahr. Mein Name ist Wallace Fridolin und allein schon mein Name sorgte für Spott und Gelächter in der Grundschulzeit. Da ich nie Freunde besaß, war mein einziger Halt meine Eltern, da ich als Einzelkind auch keine Geschwister habe. Meine Eltern waren sehr wohlhabend und wir lebten in einer wunderschönen kleinen Villa mit einem Garten und einem Teich. Als ich mich abends immer schlafen legte, kam die Angst in mir hoch, dass meinen Eltern etwas zustoßen könnte und ich dann ganz alleine war und als ich neun Jahre alt wurde, bestätigte sich diese Angst auch.
Das Unglück geschah an einem verregneten Apriltag. Während meine Eltern zu Besuch in einer Oper waren, passte ein Kindermädchen auf mich auf. Zwei maskierte und bewaffnete Männer stürmten unser Zuhause und plünderten den Tresor meines Vaters und die Schmuckschatulle meiner Mutter. Das Kindermädchen rief gerade die Polizei, als meine Eltern nach Hause kamen und die Täter ertappten. Ich hörte den lauten Aufschrei meiner Mutter und als ich vom ersten Stock in die Eingangshalle herunterblickte, entdeckte ich auf dem kalten Marmorboden meinen Vater, aus dessen Brust das Blut floss und er seinen letzten Atemzug ausstieß. Dann musste ich mitansehen wie meine Mutter vor meinen Augen niedergeschossen wurde und die Täter in die Nacht flüchteten.
Seit jenem Tag bin ich ein Waisenkind…
„Und hilfst du mir?“, fragte ich Max, während ich in der „Höllenbar“ saß und er mir was zum Trinken spendierte. „Bitte!“
„Du willst, dass ich dir bei dem Weihnachtsfest im Waisenhaus helfe?“, fragte Max mich verwirrt und blieb mir damit erst einmal eine Antwort schuldig.
„Seit Wochen versuche ich nichts anderes, als das Weihnachtsfest für die Waisenkinder vorzubereiten, doch alles was ich anpacke, geht schief. Das Catering sprang aus Personalmangel ab, die Geschenke aus dem Spieleladen können nicht pünktlich geliefert werden, der Nikolaus brach sich das Bein und kann nicht kommen und die Chorsänger sind bereits ausgebucht.“, erklärte ich Max, wie bereits vor fünf Minuten, nachdem er mich fragte was mit mir los sei.
„Natürlich helfe ich dir!“, sagte Max und die Antwort überraschte mich. „Bei meiner Vergangenheit sehe ich es sogar als meine Pflicht an, aber alleine schaffen wir Beide das nicht. Was du brauchst ist die Hilfe des kompletten CODA-Clubs!“

5 Tage später:
„Wer will noch frische Waffeln?!“, rief Kat quer durch den Saal, in dem die Weihnachtsfeier für die Waisenkinder stattfand und fast jedes Kind rief lauthals Ich. „Oskar, mach am besten noch so um die zweihundert Waffeln.“, sagte Kat zu Oskar und lächelte ihm zu, während dieser ins Schwitzen kam.
„Ho ho ho, fröhliche Weihnachten!“, rief eine andere Stimme auf einmal quer durch den Raum. Es war der Nikolaus in seinem roten Gewand und einem riesengroßen Sack. In Wirklichkeit war es Derek, der sich verkleidete um den Kindern eine Freude zu bereiten und neben ihm standen Fiona und Max, die sich als Elfen ausgaben. „Wart ihr auch alle artig? Wer will Geschenke?“, fragte der Nikolaus die kleinen Kinder, die ganz aufgeregt durch den Saal hüpften.
„Du bist aber eine schöne Elfe.“, meinte ein kleines süßes Mädchen mit Zöpfen zu Fiona.
„Oh danke meine Kleine.“, sagte Fiona lächelnd zu ihr. „Gibt es etwas was du dir gewünscht hast?“
„Ich wollte schon immer mal eine Prinzessinnen-Puppe.“, antworte das kleine Mädchen ihr.
„Bist du ein Yeti?“, fragte ein kleiner frecher Junge Max, der durch seine braun-blond-gestreifte Haarmähne am Kopf wohl sehr kuschlig aussah.
„Ich bin ein Elf!“, erwiderte Max etwas mürrisch über diese Frage, doch grinste er danach.
Leon lachte. „Wer könnte den Job als Nikolaus besser machen, als ein angehender Schauspieler?!“
„Ja und der weiße Bart ist sexy.“, sagte Roy und grinste.
„Danke, dass ihr mir alle helft.“, bedankte ich mich, während Leon, Zack, Roy und Annabelle um mich herum standen und auf die Kinder Acht gaben.
„Das ist doch kein Thema, hier geht es schließlich um Waisenkinder!“, entgegnete Annabelle ihm.
„Ohne eure Hilfe hätte ich das nicht mehr geschafft.“, erklärte ich ihnen.
„Dafür ist der CODA-Club doch da! Wir halten zusammen!“, erwiderte Roy daraufhin.
„Derek als Nikolaus, Kat und Oskar die Waffeln backen und Zack, ich hab keine Ahnung wie du das geschafft hast, aber du hast die ganzen Spielsachen besorgt. Danke!“, sagte ich erfreut.
„Tja das bleibt mein kleines Geheimnis.“, sagte Zack und grinste mir zu. Dann fiel Zacks Blick zu Leon. Leon wendete seinen Blick aber schnell von ihm ab und Zack schaute ihn mürrisch an.
„Alles ok bei euch?“, fragte ich Zack leicht besorgt und in der Hoffnung nun auch was für die anderen tun zu können.
„Nicht wichtig.“, antwortete Zack mir nur und ging davon, um Max zu helfen die Geschenke an die Kinder zu verteilen.
„Wird Zeit für das Finale.“, sagte Annabelle plötzlich und packte Roy bei der Hand. „Los Roy, ab auf die Bühne. Wird Zeit für Weihnachtslieder.“ Annabelle und Roy betraten eine kleine Bühne am anderen Ende des Saals. Roy setzte sich an ein Klavier und Annabelle nahm sich ein Mikrofon zur Hand. „Ich wünsch euch alle Frohe Weihnachten!“, rief sie zu den Kindern, dann fing sie an zu singen: „I don't want a lot for Christmas, there is just one thing I need, I don't care about the presents, underneath the Christmas tree, I just want you for my own, more than you could ever know, make my wish come true oh, All I want for Christmas is you!“
„Du hast die Kinder damit sehr glücklich gemacht.“, sagte Leon zu mir. „Sieh sie dir an!“
Ich sah mich im Saal um und entdeckte in jedem Gesicht eines Kindes ein strahlendes Lächeln und funkelnde Augen. Die Kinder waren überglücklich!
„Das hast du wirklich toll gemacht Wallace!“, sagte Leon stolz zu mir.
„Ohne eure Hilfe wäre das alles nicht möglich gewesen.“, sagte ich zu Leon.
„Ich bitte nun den Nikolaus, die Elfen und auch alle andere Erwachsenen zu uns auf die Bühne!“, rief Annabelle am Ende ihres Songs durchs Mikrofon und wir taten wie uns befohlen. Dann sangen wir zusammen „Do they know it´s christmas“ und bescherten den Kindern einen unvergesslichen Abend und ein unvergessliches Weihnachten!


26. Eine Weihnachtsgeschichte: Überraschung – Teil 3
Mein Name ist Professor Shane West… und ich bin ein Arsch – zumindest sollen das alle denken! „Ich werde ihnen ihre Werke vom letzten Mal noch austeilen, bevor ich sie in ihre wohlverdienten Weihnachtsferien schicke.“, sagte ich zu meinen zwölf Studenten im Seminar. „Das war ein Scherz! Sie haben sich die Weihnachtsferien keineswegs verdient, denn sie sind allesamt noch lange nicht so talentiert, wie ich sie gerne hätte!“, rief ich den Studenten zu und jeder schaute mich mit einem anderen Gesichtsausdruck an. Ein Junge, der am Fenster saß, schaute mich mürrisch an, die zwei Mädchen in der hintersten Reihe kicherten wie so oft, da sie mich einfach nur anbeteten, das Mädchen links vorne sah gelangweilt zu mir herüber und der Junge ganz in der Mitte, träumte wieder einmal vor sich hin. „Leon Schopp!“, rief ich laut zu dem Jungen herüber, der wiederum unsanft aus seinen Gedanken und Träumen gerissen wurde. „Würden sie mir die Ehre erweisen und mir wenigstens in den letzten fünf Minuten unseres gemeinsames Unterrichts ihr Gehör schenken?!“
„Entschuldigung Professor.“, sagte Leon zu mir und schaute mich müde an.
„Leon, ich möchte sie danach in meinem Büro sprechen!“, forderte ich ihn eiskalt auf.
„Aber Professor, ich höre ihnen doch jetzt zu. Was wollen sie also noch von mir?!“, fragte Leon mich wütend und genervt.
„Danach – In meinem Büro!“, rief ich ihm lautstark zu und mit sofortiger Wirkung kehrte Ruhe in den Kurs ein. Sogar die zwei Mädchen in der hintersten Reihe hörten auf zu kichern.

Ich saß mit dem Rücken zum Fenster an meinem Schreibtisch in meinem Büro. Draußen schneite es wieder einmal und der ganze Campus war mit Schnee überdeckt. Sogar der Teich war leicht zugefroren! Ich sortierte meine Unterlagen, als es an der Tür klopfte. Ich sagte herein, die Tür öffnete sich langsam und Leons Kopf kam zum Vorschein.
„Komm herein. Keine Angst, ich beiße nicht.“, sagte ich scherzhaft zu ihm.
„Ehrlich gesagt bin ich mir da nicht so sicher.“, konterte Leon und ich war überrascht über dessen Mut. „Darf ich mich setzen?“
„Nein, du darfst stehen bleiben, damit ich die ganze Zeit zu dir raufstarren darf, bis mir der Nacken weh tut. Natürlich sollst du dich setzen!“, entgegnete ich ihm ironisch. Mir gefiel das Geplänkel zwischen uns Beiden. Leon schien mutiger und selbstbewusster im Laufe der Zeit geworden zu sein – auch das behagte mir sehr!
„Sie wollten mich sprechen. Also was gibt es?“, fragte er mich, während ich mit einem Stift in meinen Händen herumspielte und ihn sehr intensiv anstarrte.
„Ich stelle hier die Fragen und ich frage dich, wie geht es dir?!“ Die Frage überraschte Leon, denn damit hatte er bei bestem Willen nicht gerechnet.
„Ähm gut, denke ich…“, antwortete mir Leon unsicher und verwirrt.
„Ich frage, da du bei der Moden-Show zusammengebrochen bist. Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?“, harkte ich besorgt nach.
„Mir geht es wieder gut. An dem Abend sind nur zu viele Dinge auf einmal passiert. Das warf mich aus der Bahn.“, erklärte Leon mir und ich glaubte ihm.
„Es wird in deinem Leben noch sehr viele Augenblicke geben, die dich aus der Bahn werfen.“, sagte ich zu Leon. „Bist du dir sicher, dass du dem gewachsen bist?“
„Ich bin bereit für alles was kommen mag.“, antwortete mir Leon selbstbewusst und ich nickte erfreut. Dann fragte Leon mich: „Professor weshalb bin ich hier?“
Ich sah Leon einen kurzen Moment an, dann stand ich von meinem Stuhl auf und ging um meinen Schreibtisch herum. „Ich bin sehr stolz auf dich Leon.“, sagte ich schließlich zu ihm und Leon war sichtlich überrascht über meine Aussage. „Es gibt nicht viele Studenten zu denen ich das sage, ehrlich gesagt… du bist der Erste!“
„Danke.“, entgegnete Leon geschmeichelt, außerstande ein Wort mehr zu sagen.
„Wenn du das restliche Semester so weiter machst, dann wirst du sehr gut abschneiden. Ich weiß nicht wie du es innerhalb kürzester Zeit von einem Kunstschänder zu einem talentierten Nachwuchskünstler geschafft hast, aber es ist dir gelungen und nur das zählt!“
„Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Vielen Dank Professor!“, erwiderte Leon hocherfreut.
„Shane.“, sagte ich zu ihm, als ich mich neben ihn stellte, während er noch in seinem Stuhl saß.
„Ich dachte, dass würde nur in der Freizeit gelten?“, fragte Leon mich verwirrt und nervös und stand von seinem Stuhl auf. „Ihr Büro scheint mir alles andere als Freizeit zu sein.“
„Ich sage viel und meine nur halb so viel davon wirklich so ernst, wie ich es sage.“, entgegnete ich ihm. Dann ging ich einen Schritt auf Leon zu und kam ihm gefährlich nahe. Leon war etwas kleiner als ich, doch sah ich ihm trotzdem in die Augen, als wäre ich unter Hypnose. In Leons Gesicht spiegelten sich allerlei Emotionen: Verwirrung, Angst, Traurigkeit und Einsamkeit. Dann griff ich vorsichtig nach seinen Händen. Leon schien wie gelähmt zu sein, denn er währte sich nicht und dann schlossen wir Beide unsere Augen und ich küsste Leon.

Eine Stunde später kam ich bei mir Zuhause an. Ich teilte mir eine Wohnung mit meinem kleinen Bruder Oskar, der über die Weihnachtsferien zu unseren Eltern nach Hause fahren würde. Als ich zur Tür hereinkam, kam er mir gerade in voller Winterkleidung entgegen.
„Hey, ich wollte gerade los zum CODA-Club. Wir wollten uns noch einmal alle sehen, bevor jeder zu sich nach Hause fährt und mit seiner Familie Weihnachten feiert.“, erklärte Oskar mir.
„Das ist schön. Tut das.“, erwiderte ich nur.
„Alles okay mit dir?“, fragte mich Oskar verwirrt. „Du schaust etwas blass aus.“
„A-Alles okay, Studenten halt… du kennst sie ja. Anstrengend bis zum abwinken.“, erklärte ich ihm nervös und lachte dabei zaghaft.
„Ja ich weiß…, bin selber ein Student.“, erwiderte Oskar verwirrt. „Bist du sicher, dass du heute Abend nicht mit mir zu unseren Eltern fahren willst?“
„Dad und ich an einem Tisch?!“ Ich sah meinen kleinen Bruder skeptisch an. „Das gäbe Mord und Totschlag!“, versuchte ich Oskar zu erklären, wenn er mich auch nicht verstehen wollte.
„Irgendwann müsst ihre eure Probleme ins Reine bringen.“, sagte Oskar. „Ich muss los, sonst komm ich zu spät. Leon meinte, er würde noch Glühwein zum Anstoßen mitbringen.“
„Okay, viel Vergnügen!“, sagte ich zu Oskar lächelnd und als dieser gerade zur Tür rausmarschierte rief ich ihm noch schnell hinterher: „Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch, Bruderherz!“


27. Eine Weihnachtsgeschichte: Sympathie- Teil 4
„Dein Kunstprofessor hat dich geküsst?!“, schrie ich erschrocken auf, als mir Leon erzählte, was heute Mittag im Büro von Professor West geschah. Mein Name ist Annabelle Kirchner, aber Leon nennt mich nur Belle, was ich irgendwie süß von ihm finde. Er ist der Einzige der mich so nennt, denn nicht einmal mein kleiner Bruder Roy nennt mich so. Ich stamme aus einer Musikerfamilie, mein Vater ist ein Rockstar und meine Mutter eine ehemalige Klavierspielerin. Die Musik liegt uns quasi im Blut.
„Würdest du vielleicht etwas leiser sein!“, bat Leon mich gereizt. „Muss ja nicht gleich jeder mitkriegen, schon gar nicht Oskar.“
„Tut mir Leid.“, flüsterte ich nun und blickte zu den anderen Mitgliedern des CODA-Clubs. Keiner schien meinen kleinen Ausbruch der Verwunderung mitbekommen zu haben, denn alle waren beschäftigt mit Glühwein trinken und sich untereinander zu unterhalten. Auch ich und Leon hielten jeweils eine Tasse Glühwein in der Hand, aus der wir gelegentlich einen Schluck nahmen. „Bedeutet das nun, dass du schwul bist?“, fragte ich Leon vorsichtig.
„Ich weiß es nicht!“, antwortete Leon mir und ich konnte die Verzweiflung in seiner Stimme hören.
„Du musst dir endlich Klarheit verschaffen! Such dir bei jemanden Rat.“, gab ich ihm als Tipp.
„Ich weiß und ich hab da auch schon eine Idee, wer mir vielleicht helfen kann.“, erwiderte Leon.
„Das ist gut.“, sagte ich zu Leon, dann musste ich schmunzelte. „Dein erster Kuss mit einem Mann.“
Auch Leon konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. „Danke Belle!“

„Kann ich dir noch etwas zum Trinken anbieten Derek?“, fragte meine Mutter Roys Freund auf ihre gewohnt höfliche Art und Weise. Meine Mutter war zu jedem freundlich und hilfsbereit.
„Vielen Dank Frau Kirchner, das ist sehr freundlich von ihnen.“, bedankte sich Derek und ließ sich von ihr noch ein Glas Mineralwasser geben.
Es war Heiligabend und sowohl ich, als auch mein Bruder luden beide unsere Freunde zum Essen ein. Roy Derek und ich Gregor, der in seiner gewohnten rockigen Kleidung in Erscheinung trat, was laut Derek, Augenkrebs bei ihm verursachte. Derek hatte aber immer was zum Meckern und ich verstand nie, warum mein Bruder sich ausgerechnet in diesen Typen verlieben konnte.
„Wollte dein Vater heute nicht von seiner Tournee zurückkommen?“, fragte Gregor mich.
„Ja wollte er und er ist spät dran.“, antwortete ich ihm.
„Er kann sich gerne Zeit lassen, euer Vater kann mich eh nicht leiden.“, warf Derek in die Runde und ich starrte ihn böse an. Eine Unverschämtheit das als Gast von sich zu geben und dann auch noch vor meiner Mutter, die ihn so freundlich behandelte.
Als hätte er den stinkenden Braten – namens Derek – gerochen, stapfte auf einmal mein Vater zur Tür herein und wünschte uns allen Rockige Weihnachten. Mein Vater trug schulterlanges Haar, eine lange Lederhose, eine Jeansjacke, Totenkopfohrringe an den Ohren und ein Tattoo am rechten Oberarm der den Teufel symbolisierte. Damit schien er der genaue Gegenpart meiner Mutter zu sein, die kurzes blondes Haar und ein wunderschönes besches Kleid trug, dass sie sehr elegant wirken ließ.
„Daddy!“, rief ich voller Begeisterung aus und stürmte in seine Arme und lies mich ganz fest von ihm drücken. Ich liebte meinen Vater und da ich ihn so selten sah, freute ich mich immer umso mehr auf unser gemeinsames Wiedersehen. Danach gab mein Vater meiner Mutter einen leidenschaftlichen Kuss auf den Mund, drückte auch Roy voller Freude und begrüßte hinterher Gregor und Derek.
Letzterer schüttelte ihm zaghaft die Hand, während Gregor meinem Vater einen freundschaftlichen Handschlag verabreichte, was ihn bei meinem Vater auf Anhieb sympathisch machte.
Seit der Rückkehr meines Vaters wurde die Stimmung im Hause Kirchner von Minute zu Minute lockerer und freudiger, nur Derek wurde nach und nach missmutiger.
Nachdem alle gespeist hatten, setzten wir uns ins Wohnzimmer zum festbeleuchtenden Weihnachtsbaum. Mein Vater setzte sich in den Sessel, Roy und Derek auf den flauschigen Teppich und ich und Gregor setzten uns gemeinsam auf die Couch. Wir sangen Weihnachtslieder, unter anderem „Ave Maria“ und „Stille Nacht“. Meine Mutter spielte nebenbei auf ihrem Klavier und ihre sanfte, engelhafte Stimme kam bei diesen beiden Songs ganz besonders zur Geltung.
„Die Musik ist mir zu lahm, wie wäre es mal mit etwas Rockigem?“, fragte Gregor in die Runde und mein Vater war sofort hell auf begeistert, holte seine Gitarre, sprang zusammen mit meinem Freund auf die Couch und fing an zu singen: „Rockin' on top of the world, Rockin' on top of the world, the place is hoppin'... there ain't no stoppin', Rockin' on top of the world, and if your spirits swing that girl, Rockin' on top of the world tonight!“
„Wow, sie sind genial Herr Kirchner!“, rief Gregor meinem Vater hinterher begeistert zu.
„Nenn mich Kurt.“, entgegnete mein Vater ihm mit einem Lächeln.
Derek wurde das sichtlich zu viel und er fragte Roy: „Wollen wir nicht mal unsere Geschenke verteilen?“ Meine Mutter war von der Idee angetan und klatschte zweimal die Hände.
Danach machten die Geschenke die Runde, bis nur noch ein kleines Geschenk übrig blieb. Es war das Geschenk von Roy an Derek und letzter freute sich bereits schon den ganzen Abend darauf.
Heraus kam eine kleine Schachtel und ich betete inständig, dass das nicht das war, was ich vermutete. Derek hatte des Öfteren Anzeichen gemacht, dass er Roy eines Tages gerne heiraten würde, doch hielt ich es für Beide noch viel zu früh. Zu meiner Erleichterung lag in der Schachtel kein Ring, sondern ein kleiner Talisman-Anhänger.
„Der ist für dich.“, sagte Roy lächelnd zu Derek. „Der wird dir Glück für die Zukunft bringen.“
Derek freute sich zwar, doch war ihm die Enttäuschung in seinem Gesicht nicht ganz abzuweisen.
„So ein Weichei.“, sagte Gregor leise, so dass nur ich und mein Vater es hören konnten. Dann legte er seine beiden Füße auf einen Hocker und sagte: „Hey Schneckerl, kannst du mir die Füße massieren?“
Schneckerl? So hat Gregor mich ja noch nie genannt und ehrlich gesagt behagte mir das auch gar nicht. Doch ehe ich was sagen konnte, packte mein Vater Gregor an seinem Shirt, zog ihn auf die Beine und zerrte ihn zur Überraschung und Entsetzen aller nach draußen. Ich folgte den Beiden erschüttert und konnte nur noch mitansehen, wie mein Vater Gregor aus dem Haus warf und ihm wütend hinterherrief: „So redest du nicht mit meiner Tochter! Verschwinde auf der Stelle!“
Gregor war genauso überrascht und schockiert wie alle anderen, doch irgendetwas hielt mich zurück, ihn in Schutz zu nehmen. Mein Vater knallte die Haustür zu und als er ins Wohnzimmer zurückkehrte, sagte er: „Der Kerl war mir ja anfangs ganz sympathisch, aber nun wo ich erkannte, was er für ein Arsch ist, weiß ich, dass meine Tochter etwas Besseres verdient.
Ich wusste nicht was ich sagen sollte, doch im Hintergrund konnte ich sehen, wie Derek seine Schadenfreude nur schwer verstecken konnte.


28. Eine Weihnachtsgeschichte: Klarheit – Teil 5
Endlich Weihnachtsferien! Mein Name ist Leon Schopp und ich war froh wieder Zuhause zu sein – in meiner Heimat! Es war sehr schön meine Familie wieder zu sehen und die Orte zu besuchen, an denen ich früher immer gerne abgehangen habe. In meiner Familie war es Tradition, dass wir mit der kompletten Verwandtschaft Heiligabend feiern. Neben meinen Eltern waren deshalb auch mein Onkel, meine Tante, meine Cousine und deren Freund, sowie meine Großeltern zugeben. Nach dem Weihnachtsessen und der Verteilung der Geschenke zog ich mich erst einmal in mein Zimmer zurück und schickte eine SMS an einen alten Bekannten aus meiner ehemaligen Schule.
Ich weiß nicht wie ich das erklären soll, aber es war mir unangenehm, mich mit Roy oder einem anderen homosexuellen Jungen aus meinem neuen Freundeskreis über meine „Verwirrung“ zu reden, weshalb ich eine alte Handynummer rauskramte und Kontakt zu jemanden aufbaute, der erst dieses Jahr sein Coming-out hatte und vielleicht weiß, wie ich mich fühle.
Es war spät am Abend. Auf den Straßen war es dunkel und nur der hellweiße Schnee, der vom Himmel fiel und die gelbleuchtenden Laternen spendeten mir Licht in der Dunkelheit. Ich stapfte also durch den Schnee und marschierte die Straße zu dem Haus entlang, in dem mein alter Bekannter wohnte. Wie ich, studierte er in einer entfernten Stadt und kam wegen Weihnachten nach Hause. Er bat mich in einer SMS nicht an der Haustür zu klingeln, da seine kleine Schwester womöglich schon schliefe und das ich ihm eine SMS schicken sollte, wenn ich bei ihm Zuhause angekommen bin. Ich hoffte, dass er sie auch gleich lesen würde, denn es war eisigkalt und ich fror mir die Nase ab.
Nach fast einer Minute, nachdem ich die SMS abschickte, öffnete sich schließlich die Haustür und eine sehr alte Frau stand vor mir und starrte mich leicht mürrisch an. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass die alte Frau, die mit Sicherheit bereits über Neunzig war, nicht mein alter Bekannter ist!
„Hast du Schnaps dabei?“, fragte sie mich in einem miesgelaunten Ton.
Ich stand perplex da und wusste zuerst nicht was ich antworten sollte, bis ich es einfach mit der Wahrheit probierte: „Äh nein?!“
„Das ist traurig, dann lass ich dich auch nicht herein.“, erwiderte die alte Frau.
Ich musste schnell handeln, also… „Äh nein bitte warten sie! Ich bin mit Bobby verabredet!“
„Wenn das so ist, lass ich dich herein, aber nur weil du Jungspund einen süßen Knackarsch hast.“, sagte die alte Frau und ich wurde unfreiwillig ganz rot im Gesicht vor Scharm.
Als ich den warmen Eingangsbereich des Hauses betrat, zog ich Mütze und Schal herunter und zog mir auch Schuhe und Handschuhe aus, als mir ein Junge mit kurzem schwarzem Haar entgegen kam und mir vor lauter Wiedersehensfreude eine Umarmung schenkte. „Sorry, ich war gerade auf dem Klo als deine SMS kam, da hat meine neugierige Oma sie gelesen und dir die Tür geöffnet.“, erklärte mir Bobby lächelnd. Sein richtiger Name war Robert Forster, doch jeder der ihn kannte, nannte ihn einfach nur Bobby. Ich ging mit ihm zusammen auf eine Schule und wir hatten damals einen gemeinsamen Freundeskreis, der nach Bobbys Coming-out beinahe in die Brüche ging. Ich hab ihn damals nicht arg sonderlich gut behandelt, doch hab ich mich dafür bei ihm entschuldigt und er hat mir auch verziehen. Bobby ist immer ein sehr guter und hilfsbereiter Freund für uns alle gewesen.
„Du hast aber eine coole Oma, wenn sie weiß, wie man ein Handy bedient.“, erwiderte ich grinsend.
„Die coole Oma steht auf deinen Knackarsch!“, rief eine Stimme aus der Küche, die Bobbys Oma gehörte.
„Oma!“, schrie Bobby entsetzt auf und er fing an zu lachen. „Komm setzen wir uns ins Wohnzimmer.“, sagte er zu mir und ich folgte ihm. „Meine Eltern und meine kleine Schwester sind bereits ins Bett. Timo kennst du noch?“ Bobby zeigte auf seinen Hund, einen Husky, den er vor einem Jahr zu Weihnachten als Welpe geschenkt bekam. Inzwischen war Timo schon sehr viel größer, stattlicher und schöner geworden. Sein Fell fühlte sich warm und kuschlig an. „Setz dich doch.“, bat Bobby mir freundlich an und holte uns inzwischen eine heiße Schokolade zum Aufwärmen.
„Vielen Dank.“, sagte ich dankbar. Danach wusste ich nicht mehr was ich sagen sollte, beziehungsweise wie ich anfangen sollte, also ergriff Bobby die Initiative.
„Du glaubst also, dass du auf Jungs stehen könntest?!“, sagte er zu mir schließlich, dem ich die ein oder andere Info bereits per SMS zukommen ließ, damit er den Grund für meinen Besuch erfuhr.
„Ich glaub es eigentlich nicht nur, inzwischen bin ich mir sogar recht sicher.“, erwiderte ich und erzählte ihm alles über die letzten Monate. Ich erzählte ihm von dem warmen Gefühl in meinem Bauch, vom CODA-Club, von dem sehr attraktiven Zack und auch von dem Kuss mit Shane. Dann schien Bobby zu überlegen und ich fragte ihn: „Wann hast du festgestellt, dass du… anders bist?“
Bobby musste kurz auflachen, dann antwortete er mir: „Festgestellt das ich anders bin, so wie du das sagst, hab ich im Alter von vierzehn Jahren denke ich, aber akzeptiert habe ich es erst, als ich sechszehn wurde.“, antwortete Bobby mir. „Geoutet habe ich mich bei Familie vor genau einem Jahr…naja war ein wenig unfreiwillig, da meine Mutter mit ansah wie ich einen Jungen küsste.“
Bobby lachte auf und aus der Küche rief seine Oma: „Lachst du, weil dein Freund die Hose runtergelassen hat?!“
Bobby und ich sahen uns erschrocken an, dann grinsten wir Beide. „Ist schon seltsam.“, sagte ich schließlich. „Es ist noch gar nicht allzu lange her, da hatte ich gegen Homosexuelle eine ziemlich boshafte Abwehrhaltung und jetzt…“
„Jetzt bist du vermutlich selber schwul…, oder zumindest bi.“, sagte Bobby und lächelte.
„Aber das ist nicht alles, was mich derzeit beschäftigt.“, sagte ich zu Bobby. „Ich war einmal in einem mysteriösen Laden, der seltsame Dinge verkauft und dort hab ich einen Pinsel und einen Zeichenstift gekauft. Immer wenn ich die Beiden Utensilien benutze, ist es so, als würde ich nicht mehr ich selbst sein und hinterher hab ich keinerlei Erinnerung mehr daran, was vorgefallen ist.“
„Das klingt nach Zauberei.“, meinte Bobby.
„Das klingt verrückt!“, erwiderte ich.
„Nein, eher nach was Besonderem und glaub mir ich hab schon so allerhand erlebt. Ich hab Dinge gesehen und erlebt, die würdest du mir nie glauben!“, erklärte Bobby mir.
„Ich denke, ich sollte das was vor mir liegt nicht ignorieren und mir eingestehen, dass es so ist.“, sagte ich schließlich. „Ich bin vielleicht nicht homosexuell, aber zumindest bisexuell!“ Bobby lächelte mich an. „Wie geht es eigentlich deinem Freund?“, fragte ich ihn noch.
„Wieso, willst du mich verführen, wenn es nicht so gut laufen sollte?!“, fragte Bobby mich scherzhaft und lachte dabei. Ich fing an zu grinsen und wurde leicht rot im Gesicht.
„Sorry, bist nicht mein Typ.“, antwortete ich ihm.
„Jetzt bin ich aber beleidigt.“, erwiderte Bobby ironisch. „Vielleicht ist meine Oma ja dein Typ, die steht ja sowieso auf deinen knackigen Hintern.“


29. Eine Weihnachtsgeschichte: Aussprache – Teil 6
Ich muss völlig bekloppt sein, dass ich mir das antue, aber ich will endlich wieder meine Ruhe haben und das werde ich ihr auch klipp und klar sagen, wenn sie so weiter macht wie bisher. Mein Name ist übrigens Maximilian Schilling, auch bekannt als Max, und ich befinde mich gerade auf dem Weg zu einem Treffen mit meiner leiblichen Mutter, die mich als Baby im Waisenhaus abgab. Es ist der erste Weihnachtsfeiertag und eigentlich hab ich auch Besseres zu tun, als mir anzuhören, wie leid es ihr doch täte und wie sehr sie wünscht, dass ich glücklich werde, blabla, aber mein bester Freund Zack hat Recht. Er sagte nämlich gestern noch zu mir, dass ich mich meiner Angst und meiner Vergangenheit stellen muss, wenn ich mit diesem Kapitel abschließen möchte. Recht hat er ja.., deshalb hab ich ihn auch als moralische Unterstützung mitgenommen und während der Autofahrt redeten wir über Zacks neues Hobbys – das Nacktmodellstehen!
„Wie bist du überhaupt darauf gekommen, das zu machen?“, fragte ich ihn.
„Professor West hat auf dem schwarzen Brett ein männliches Nacktmodell gesucht und ich hab mich eben gerne dazu bereiterklärt. Kennst mich doch.“, erklärte Zack mir lässig.
„Du hast Leon bestimmt den Schock seines Lebens verpasst.“, schmunzelte ich vor mich hin.
Zack grinste. „Der konnte seinen Blick von mir zuerst gar nicht mehr abwenden.“
„Kann ich verstehen. Du siehst aber auch heiß aus.“, sagte ich zu ihm lächelnd.
„Du hast mich ja auch schon mehrmals in meiner ganzen Pracht erleben dürfen.“, erwiderte Zack und ich sagte kein Wort mehr, denn er spielte dabei auf unsere gemeinsame Kennenlernphase an, bei dem wir ausprobierten, ob aus Freundschaft mehr werden könnte. Bei einer Probe blieb es dann auch, denn wir stellten fest, dass unsere Freundschaft nur daran zerbrechen würde, wenn daraus mehr entsteht. „Wir sind da.“, sagte Zack zu mir und zog die Handbremse an.

„Danke, dass du gekommen bist.“, sagte meine leibliche Mutter zu mir, die für mich einfach nur eine fremde Frau ist. „Es muss dich einiges an Überwindung gekostet haben…“
„Das hat es in der Tat.“, sagte ich etwas unfreundlich, aber mehr konnte sie auch nicht erwarten. „Das Beste ist es, sie sagen mir, was sie sagen wollen und gut ist.“
„Also…“ Die Nervosität war der Frau stark anzumerken, doch fuhr sie trotzdem unbeirrt fort. „Ich weiß du hasst mich und glaub mir, du hast auch jedes Recht dazu, denn von der eigenen Mutter ausgesetzt zu werden, ist für kein Kind leicht. Ich habe damals viele Fehler gemacht Max. Ich war noch sehr jung und dein Vater war durch und durch ein Arschloch. Er nahm Drogen, trank Alkohol und kiffte. Falls es dich interessiert, ich habe vor einiger Zeit erfahren, dass er an einer Überdosis Kokain verstarb. Es tut mir Leid, dass alles tut mir so unendlich leid Max! Als ich mit dir schwanger wurde, wollten meine Eltern, dass ich abtreibe, doch ich konnte nicht – ich konnte es einfach nicht! Ich brach es nicht übers Herz, ein Leben zu beenden, auch wenn es noch so winzig ist. Ich wollte dich unbedingt auf die Welt bringen, doch als ich das dann tat, war ich mit meinen Kräften am Ende. Meine Eltern verstießen mich und ich wusste nicht wohin. Ich war ganz alleine, denn niemand wollte mir helfen und da konnte ich einfach nicht anders, als dich im Waisenhaus abzugeben. Ich meine, wie hätte ich mich denn um dich kümmern sollen? Ohne Zuhause, ohne Geld, ohne Nahrung, einfach ohne alles. Mein Leben war eine einzige Katastrophe und das wollte ich dir einfach ersparen!“
Ich hörte der Frau, die meine leibliche Mutter ist, aufmerksam zu. Jedes Wort, dass ihr über die Lippen kam, nahm ich lange und langsam auf und irgendwo tief in mir drin, empfand ich plötzlich Mitleid für dieses Frau, die mein Leben nur besser machen wollte. Würde ich ihr nun erzählen, dass mein Leben dadurch keineswegs besser wurde und dass ich auch Drogen nahm…, sie wäre am Boden zerstört. Ich verschwieg ihr also meine Erlebnisse und versuchte auf einer vernünftigen Ebene mit ihr zu kommunizieren. Zum ersten Mal konnte ich sie verstehen und ihr sogar ein wenig verzeihen. Doch der Schmerz sitzt tief und die Wunden werden wahrscheinlich nie gänzlich verheilen.
„Ich will, dass du aufhörst mir Briefe zu schreiben und mich ständig aufzusuchen.“, sagte ich schließlich zu ihr. „Ich brauche Zeit um nachzudenken und dann werde ich von mir aus auf dich zukommen. Bitte respektier das!“
„Das werde ich und Danke.“, sagte meine leibliche Mutter und eine Träne kullerte ihr die Wange hinunter, die mich nicht kalt ließ. Auch ich weinte leicht innerlich.

„Ja hallo?“, fragte Leon am anderen Ende der Leitung, da ich mit meinem Handy bei ihm anrief.
„Hey Leon, alles klar? Feierst du Weihnachten auch schön?“, fragte ich ihn lieb.
„Mir geht´s gut und dir?! Weihnachten war sehr schön.“, antwortete Leon mir überrascht.
„Mir geht´s… naja gut noch nicht ganz, aber das wird schon.“, antwortete ich ihm. „Sorry, dass ich dich jetzt anrufe, nachdem ich die letzten Tage kein Wort mit dir gesprochen habe. Ich hab mich dämlich benommen.“
„Ist okay.“, sagte Leon nur und eine peinliche Stille trat ein, bis er mir eine Frage stellte: „Hey, hast du an Silvester schon was vor? Ein Freund von mir hat mich gefragt, ob ich mit ihm zum Skifahren in die Berge möchte. Wir übernachten dort dann in einer Hütte und rutschen dort ins neue Jahr rein.
„Das klingt cool und nein, ich hab da noch nichts vor.“, antwortete ich ihm.
„Hättest du Lust mitzukommen? Wird sicher lustig. Du kannst auch gerne noch jemanden mitbringen. Die Hütte bietet Platz für sechs Personen, mein Freund und ich bringen jeweils eine Person mit, sprich wir haben noch Platz für zwei Personen.“
„Ich werde kommen. Sag mir nur wann und wo.“, sagte ich zu ihm in den Hörer und wenn er mich sehen könnte, dann wüsste er, dass ich soeben lächelte.

Fortsetzung folgt...!

30. Schneesturm! – Teil 1
Könnt ihr euch vorstellen, was für ein erleichterndes Gefühl es ist, sich nicht mehr die Frage stellen zu müssen, ob man nun schwul, bi oder hetero ist? Ich fühl mich schon wesentlich besser. Zwar gibt es da immer noch ein für mich besorgniserregendes Problem namens Coming-out, aber dieses Problem darf sich erst einmal hinten anstellen. Die nächsten drei Tage genieße ich die frische Bergluft und amüsiere mich im Schnee mit meinen Freunden.
Vor einem Jahr bin ich mit meinem damaligen besten Freund zum Snowboarden und Skifahren gefahren. Wir hatten damals sehr viel Spaß und vor ein paar Tagen rief er mich auf meinem Handy an, ob ich dieses Jahr nicht wieder Lust dazu hätte. Er mietete eine Hütte für sechs Personen und ich lud Maria und Max ein, mitzukommen. Max wiederum wollte ebenfalls noch jemanden mitbringen und mein bester Freund, der übrigens Manfred heißt, von allen aber nur Manne genannt wird, bringt seine neue Freundin mit zum Skiausflug in die Berge.
Manne und ich kennen uns schon von klein auf aus dem Kindergarten. Wir hatten öfters denselben Humor und dieselben Interessen. Hin und wieder konnte er mir mit seiner angeberischen und provozierenden Art und Weise zwar auf die Nerven gehen, aber eine Freundschaft überwindet das.
„Heeeeey Kumpel!“, rief mir Manne lautstark und voller Freude entgegen, als er zusammen mit seiner Freundin aus der Hütte und durch den Schnee stapfen kam.
Maria und ich stiegen gerade aus meinem Auto aus, als mich Manne auch schon freudig umarmte, so dass ich kaum Luft zum Atmen bekam. „Lass mich los! Ich freu mich ja auch, dich wiederzusehen!“, rief ich ihm lachend zu. Dann erblickte ich Mannes Freundin und mein erster Gedanke war – Oh mein Gott! Sie hatte schneeweiße Haut, hellblondes Haar, steckte in einem pinken Schneeanzug samt pinke Plüschmütze und ihre Nase sah aus, als wäre sie verschönert worden…!
„Darf ich dir meine reizende Freundin vorstellen?! Leon das ist Agnes. Agnes das ist mein bester Kumpel Leon, ich kannte ihn schon, da hat er noch in die Windeln gemacht.“, stellte mich Manne seiner Freundin vor und ich warf ihm einen bösen Blick beim letzten Teil des Satzes zu.
„Hallo freut mich sehr dich kennenzulernen.“, begrüßte mich Agnes mit einem strahlenden Lächeln, während sie mit ihren Wimpern klimperte und ihre Stimme wie Micky Maus klang.
„Freut mich ebenfalls.“, sagte ich freundlich zu ihr und schüttelte ihr die Hand.
„Hallo, ich bin übrigens Maria.“, drängelte sich Maria ins Gespräch, was nicht unfreundlich sein sollte, aber man schenkte ihr keinerlei Beachtung und das mochte sie gar nicht.
„Seid ihr Beiden etwa wieder zusammen, oder warum hast du deine Ex-Schnalle im Schlepptau?“, fragte mich Manne auf die Art und Weise wie ich sie euch vorhin erst beschrieben habe.
„Freut mich auch dich wiederzusehen.“, sagte Maria schnippisch zu ihm. „Und nein wir sind nicht wieder zusammen. Leon und ich sind nur gute Freunde!“
„Freunde ja nee is klar!“, erwiderte Manne daraufhin, ließ es dabei aber zum Glück dann auch gut sein. „Hier draußen ist es kalt, gehen wir wieder rein, dann zeig ich euch eure Zimmer.“
Wir folgten alle Manne in die Hütte, die gänzlich aus Holz errichtet wurde. Als wir drinnen ankamen, klopften wir erst einmal den Schnee von unseren Schuhsohlen und zogen uns unsere Jacken aus. Im Erdgeschoss gab es einen Speisesaal und einen Wohnraum, der mit Hirschgeweihen an den Wänden, einem Bärenfell am Boden und einem lodernden Kamin ausgestattet war. Danach gingen wir die breite Holztreppe zum oberen Stockwerk hinauf und begutachteten unsere Zimmer. Es gab insgesamt drei Schlafzimmer mit jeweils zwei Betten darin, sowie ein Badezimmer mit Klo und Dusche. Für eine gewöhnliche Holzhütte war sie also ziemlich auf den neusten Stand.
Maria war von der langen Fahrt müde und wollte sich etwas frisch machen, bevor die Anderen kamen und wir uns zur Skipiste begaben. Also marschierten ich, Manne und Agnes wieder ins Erdgeschoss, gerade als ich draußen eine Auto-Hupe hörte und ich Max Auto vorfahren sah.
„Sind das die, die du eingeladen hast?“, fragte Manne mich.
„Ich hab Max eingeladen, wir gehen zusammen auf dieselbe Uni und sind auch beide Mitglieder in einem Club der sich CODA nennt.“, erklärte ich Manne.
„CODA? Was ist das denn für ein bescheuerter Club-Name?!“, fragte mich Manne und ich wurde leicht wütend, doch dann stieg Max aus seinem Auto aus und winkte mir freudig entgegen.
„War gar nicht so leicht zu finden, aber wenn mein Kartenleser, die Karte auch verkehrt herum hält, ist das ja kein Wunder!“, rief mir Max lächelnd zu und ich fragte mich, wen er denn nun mitgebracht hat. Meine Frage klärte sich, als ich sah, wie Zack aus dem Auto ausstieg.
„Hey Leon.“, begrüßte er mich freundlich und in meinem Körper brodelte es wieder warm vor sich hin. Na toll, dachte ich mir. Manne weiß noch nichts davon, dass ich bisexuell bin und jetzt bring ich hier einen Homosexuellen und einen weiteren Bisexuellen mit in seine Hütte. Hinzu kommt, dass ich mich von Zack unweigerlich angezogen fühle und - wenn ich einmal kurz laut fluchen dürfte – Maria, mit der er vor kurzem einen One-Night-Stand hatte, sich ebenfalls hier befindet. Konnte mich Max vorher nicht fragen, oder mir wenigstens Bescheid geben können?! Also entweder werden die nächsten drei Tage still und leise vorüber gehen, oder aber hier bricht das Chaos aus und das alles endet in einem einzigen Desaster!


31. Schneesturm! – Teil 2
Nach einer kurzen Vorstellung wer wer ist, marschierten wir alle gemeinsam zurück in die Hütte. Ich half Max beim Tragen seiner Tasche, während er seine Snowboardausrüstung trug. Drinnen angekommen trug Zack ihr Gepäck gleich nach oben, nachdem er von Manne eine Wegbeschreibung zu ihrem Zimmer erhielt. Wir zeigten gerade Max den Wohnraum mit dem warmen Kamin und dem Bärenfell auf dem Boden, als ein lauter Schrei uns alle aufhorchen ließ. Das war unweigerlich der Schrei von Maria. Ich flitzte wie eine Rakete los, um nachzusehen was ihr zugestoßen ist. Oben angekommen, entdeckte ich wie Zack zwischen Tür und Angel seines Zimmers stand und mehrmals versuchte sich zu entschuldigen, da es sich um einen Irrtum handeln musste.
Ich stellte mich hinter Zack und sah Maria halb nackt in dem Zimmer stehen, lediglich mit einem Handtuch bedeckt, während sie Zack als Spanner und Lustmolch bezeichnete. Und schon war meine Hoffnung, dass alles still und leise vorübergeht, zunichte.
„Hab ich etwa die Zimmer verwechselt?“, fragte Manne uns, als er mit Max und Agnes ebenfalls dazu trat. „Das tut mir jetzt aber leid.“ Manne lachte und ich wusste, dass es ihm nicht leid tat.
„Was macht der Kerl hier?!“, fragte mich Maria entsetzt.
„Ich hab ihn mitgebracht.“, erklärte Max ihr und entschuldigte sich dafür.
„Leon wie konntest du mir das nur antun?!“, schrie Maria mich hysterisch an, doch ich blieb ihr die Antwort schuldig, denn wusste ich bei bestem Willen nicht, was ich darauf erwidern sollte.
„Ich denke die nächsten drei Tage werden garantiert nicht langweilig.“, flüsterte Manne seiner Freundin Agnes zu, doch ich hörte es auch und vermutete zu meinem Bedauern dasselbe.

Der erste Tag in den Bergen war super! Manne, Agnes, Maria und ich fuhren mit unseren Skiern den Abhang hinunter, ohne auch nur einmal anzuhalten. Der Schnee war einfach perfekt! Max und Zack kurvten währenddessen mit ihren Snowboards rum und hatten sichtlich Spaß dabei. Max fuhr einmal dabei versehentlich in einem Schneehaufen rein und Zack lachte ihn laut aus, ehe er ihm daraus half. Auch ich konnte mir das freche Grinsen nicht verkneifen.
Am Abend waren wir alle so geschafft, dass jeder erst einmal unter die Dusche sprang, ehe wir die letzten Stunden im aktuellen Jahr genossen, um dann gemeinsam ins neue Jahr rein zu feiern. Wir saßen alle gemeinsam an einen runden Esstisch und ließen uns das Fondue im Munde zergehen, das Manne zuvor besorgte und herrichtete. Es schmeckte mir vorzüglich und ich hatte das Gefühl, dass ich kein Bissen mehr runterbekäme und mein Bauch gleich platzen würde.
„Kennt jemand einen guten Witz?“, fragte Manne in die Runde, nachdem es ihm offenbar zu ruhig wurde. „Nein? Aber ich! Was suchen zwanzig Blondinen auf dem Meeresgrund? Na kennt einer die Antwort?“ Wir schüttelten alle unsere Köpfe und Maria warf mir einen genervten Blick zu. Dann antwortete Manne uns: „Sie suchen Leonardo Di Caprio!“ Agnes die mit ihrer Micky Maus – Stimme lauthals lachte, merkte gar nicht, dass es außer ihr – und Manne, der doof grinste – kein anderer lustig fand.
„Wer hat Lust auf Wahrheit oder Pflicht?“, fragte Max uns auf einmal und alle starrten ihn an.
„Wir sind dabei!“, rief Manne sofort und sah zu seiner Freundin rüber.
„Von mir aus.“, meinte Maria, die alles dafür täte, nur um keinen Blondinen-Witz von Manne mehr zu hören.
„Ich weiß nicht…“, sagte ich etwas unsicher und sah zu Zack rüber, der lediglich nickte.
„Leon macht mit.“, entschied Manne für mich, danach holte er eine leere Weinflasche aus der Küche und ich fragte mich woher er die nun plötzlich hat, stellte ihm diese Frage allerdings nicht. „Wer will beginnen?“, fragte Manne in die Runde, nachdem es sich alle auf dem Boden gemütlich machten.
„Ich will!“, schrie Maria laut und fing an, an der Flasche zu drehen. Die Flasche drehte und drehte sich und ich betete, dass sie nicht bei mir anhielt. Zu meiner Erleichterung traf es Manne. „Haha, sehr schön! Wahrheit oder Pflicht Manne?“, fragte Maria und rieb sich freudig die Hände.
„Wahrheit.“, entgegnete Manne ihr mürrisch.
„Bist du bei deiner Geburt als Arsch auf die Welt gekommen, oder bist du erst später zu einem Arsch geworden?“, fragte Maria ihn boshaft und Manne warf ihr einen bösen Blick zu.
„Okay ich nehme Pflicht.“, entschied sich Manne sauer um.
„Na schön, na schön. Jeder von uns, darf sich einmal um entscheiden, aber nur einmal. Manne ich möchte das du mindestens eine Minute lang splitterfasernackt draußen im Schnee rumrennst.“
„Spinnst du, ich hol mir den Tod!“, entgegnete Manne ihr wütend.
„So schnell stirbt einer wie du nicht und du darfst auch deine Unterwäsche anbehalten, denn es ist hier keiner scharf darauf deine Kronjuwelen zu sehen, außer Agnes vielleicht.“, sagte Maria zu ihm.
Gesagt getan. Manne tat es tatsächlich und zog sich vor versammelter Mannschaft bis auf die Unterwäsche aus, dann flitze er zur Tür raus und rannte im eiskalten Schnee rum. Max und Zack lachten, Agnes kicherte und Maria schaute Manne voller Schadenfreude und Genugtuung nach.
Nach vollendeter Tat marschierten wir wieder alle zurück ins Wohnzimmer und Manne drehte an der Flasche, die bei Zack zum Stehen kam. „Wahrheit.“, entschied sich Zack.
„Okay Zack… ich kenne dich nicht so gut, also werde ich dir eine ganz einfache Frage stellen: Warst du heute Morgen erregt, als du Maria halbnackt im Zimmer erblickt hast?“, fragte Manne ihn und ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Die Frage hat er ihm gerade nicht wirklich gestellt und Maria lief rot an vor Scharm.
Zack sah Manne mit einer unerkennbaren Miene an. Ich wünschte mir, ich wüsste was gerade in seinem Kopf vorgeht. Dann antwortete Zack: „Nein ich war nicht erregt. Ich bin dran.“ Zack griff zur Flasche, doch Manne erhob Einspruch und wollte es genauer erklärt bekommen.
„Du warst nicht erregt? Nicht mal ein kleines bisschen?“, harkte Manne nach. „Ich meine, Maria ist eine unausstehliche Diva, aber sie ist eine heiße unausstehliche Diva.“ Ich glaube Maria wusste gerade nicht, ob sie Manne ins Gesicht schlagen sollte, oder ob sie es sein lassen sollte, aber wenn Manne nicht bald seine Klappe halten würde, dann würde das kein gutes Ende für ihn nehmen. „Du bist doch nicht etwa schwul oder?“, quetschte Manne Zack weiter aus.
Doch Zack konterte ihm sehr schlau: „Wenn du weitere Fragen an mich hast, musst du wohl zuerst an der Flasche drehen, mich erwischen und das Glück haben, dass ich Wahrheit wähle.“ Ich schluckte. Nochmal Glück gehabt - Zack drehte an der Flasche und erwischte mich – oder auch nicht!


32. Schneesturm! – Teil 3
Mir war klar, dass die Flasche früher oder später auf mich zeigt und nun musste ich Zack mit Wahrheit oder Pflicht antworten. Panik breitete sich in mir aus, denn wenn ich Wahrheit nehmen würde, welche Frage würde er mir dann stellen? Würde er mich fragen, ob ich mich in ihn verliebte? Ich wurde dezent rot im Gesicht, konnte dies aber vor den Anderen verstecken.
Meine Befürchtung, dass bei Pflicht nichts Schlimmes passieren würde, stellte sich allerdings auch als falsch heraus, als Zack mir die Aufgabe erklärte: „Ich möchte das du Max zehn Sekunden lang auf den Mund küsst!“
„Was?!“, schrien Max und ich gleichzeitig auf und sahen Zack dabei entsetzt an.
„Muss das sein?“, fragte Manne angewidert. „So ein Schwuchtelgetue möchte doch kein Mensch sehen!“ Die Aussage von Manne verletzte mich. Er war mein bester Freund und sagt so etwas?! Na gut, er weiß noch nichts von meiner Bisexualität, aber trotzdem…
„Du musst das nicht tun Leon.“, sagte Max gleich zu mir. „Manne hat vorhin auch einmal gewechselt!“ Manne nickte Max zu und hoffte wohl inständig, dass ihm der Anblick zweier küssender Männer erspart bliebe, aber den Gefallen wollte ich ihm nach dieser Aussage nicht tun.
„Nein, ich küsse dich! Außer du hast was dagegen…“, sagte ich und sah Max in die Augen. Max schüttelte nur erstaunt den Kopf, während Zack zufrieden lächelte. Danach kroch ich ein wenig am Boden zu Max, während Manne bereits angewidert wegsah. Ich war sehr nervös, denn dies war nun mein zweiter Kuss mit einem Mann und Max schien genauso nervös wie ich zu sein. Zack guckte auf sein Handy und stoppte die Zeit, damit der Kuss auch ja zehn Sekunden andauerte. Ich schloss meine Augen und spitzte die Lippen. Max tat dasselbe und kurz darauf berührten sich unsere Lippen langsam und wir küssten uns. Seine Lippen waren sehr feucht, wohin meine hingegen sich eher trocken anfühlten. Es war aber deutlich zu spüren, dass seine Lippen zitterten und ich fragte mich schon ein wenig warum Max so nervös war, schließlich war er doch schwul, da dürfte es für ihn doch nichts Neues sein, einen anderen Jungen zu küssen.
„Zehn Sekunden sind zu Ende!“, rief Zack uns zu, doch Max und ich lösten uns nur sehr langsam voneinander. Als ich meine Augen wieder öffnete, blickte ich in Max klare Augen.
„Okay, können wir jetzt weiter machen?“, fragte Manne genervt. „Leon du bist dran mit drehen!“ Zuerst nahm ich Mannes Worte gar nicht wahr, doch als er mich an der Schulter packte, riss er mich aus einer Art Trance. Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und fing an zu drehen.
Die restliche Zeit über verging das Flaschendrehen weitgehendstes ohne große Probleme, worüber ich sehr dankbar war. Ich erwischte zu meinem Glück noch einmal Zack, der zu meinem Bedauern nur Wahrheit wählte, aber so konnte ich ihm wenigstens die Frage stellen, ob er schon einmal eine Beziehung führte und seine Antwort war ja. Allerdings wusste ich nicht, ob mit einem Mädchen oder einem Jungen, doch ihn vor Manne unfreiwillig zu outen, wollte ich auch nicht. Ich ließ das Thema auf sich beruhen und Zack drehte weiter zu Agnes, die Pflicht wählte und sich von Maria zwei Pippi Langstrumpf-Zöpfe flechten lassen musste.
Irgendwann schien keiner von uns mehr Lust zum Weiterspielen zu haben, stattdessen tranken wir alle ein wenig Alkohol und hörten uns Mannes schlechten Witze an, der seit dem Kuss zwischen mir und Max zu einem richtigen Ekelpaket mutierte. „Was macht eine Blondine wenn der Computer brennt?“, fragte er in die Runde und ich verdrehte die Augen. „Sie drückt die Löschtaste!“
Manne lachte und auch seine Freundin Agnes lachte wieder laut auf. Ihr Lachen verursachte bei mir eine Gänsehaut, so furchtbar klang das in meinen Ohren.
„Ich kenn auch einen Witz!“, stieß Agnes plötzlich laut aus und alle Köpfe drehten sich zu ihr um. „Der Professor in der Mündlichen zum Studenten namens Manne: Sehen Sie den Baum da draußen? Antwortet Manne: Ja, und? Erklärt der Professor: Wenn der wieder Blätter trägt, kommen Sie noch mal wieder!" Stille kehrte in die Hütte ein und Manne ließ vor Schreck vor seine Bierflasche zu Boden fallen, die er soeben noch in der Hand hielt und guckte seine Freundin erschrocken an. Agnes lächelte indessen schadenfroh von einem zum Anderen und auf einmal fragte ich mich, ob blond und blöd bei Agnes wirklich zutraf, oder ob das nur reine Täuschung war.
„Leute!“, rief Zack plötzlich erschrocken auf. „In einer Minute ist Mitternacht!“ Alle standen von ihren Plätzen auf, Max und Maria holten den Champagner und die Gläser aus der Küche, während wir anderen schon einmal unsere Schuhe anzogen und raus ins Freie rannten. Als wir alle zusammen draußen im Schnee standen und uns anblickten, zählten wir den Countdown herunter und wünschten uns um Punkt Mitternacht ein frohes neues Jahr. Als erstes umarmte ich Max, der mich glücklich anlächelte. Ich sah wie sich Manne und Agnes mit einem Kuss ein frohes neues Jahr wünschten und dachte mir, dass diese Beziehung sowieso nicht lange hielt. Dann umarmte ich Maria, die ganz aufgeregt schien, da sie kurz zuvor erst Zack umarmte. Danach stolzierte ich zu Zack. Ich traute mich nicht ihn in den Arm zu nehmen, doch Zack ergriff die Initiative und kurz darauf spürte ich seine Brust an meiner und hörte wie er mir ein Frohes neues Jahr ins Ohr flüsterte. Das warme Gefühl in meinem Körper breitete sich wieder aus. Dann sahen wir alle gemeinsam zum Sternenhimmel hoch und bewunderten das Feuerwerk, dass von den Menschen ringsherum abgefeuert wurde.

Als Max, Zack und ich um vier Uhr nachts Schlafen gingen, lagen Manne, Agnes und Maria bereits in ihren Betten. Zumindest dachten wir das, denn Maria lag nicht in ihrem Bett, sondern in Zacks Bett. Offenbar war sie so betrunken, dass sie die Zimmer und Betten vertauschte. Ehe ich etwas sagen konnte, beschloss Zack einfach, dass er dann bei mir im Zimmer und in ihrem Bett schlafen würde. Das allein löste in mir schon ein mulmiges Gefühl aus, doch gab es da noch ein kleines Detail, was Zack nicht wusste…
„Ein Doppelbett?!“, stieß Zack überrascht aus, als er mein Zimmer betrat.
„Ich wollte es dir ja sagen, aber du hast mir nicht zugehört und Max schläft jetzt sicher auch schon.“, erzählte ich ihm.
„Na schön…“, sagte Zack kurz und knapp. „Schlaf ich eben mit dir in einem Bett!“


33. Schneesturm! – Teil 4
Erst küsst mich mein Professor, dann wird mir klar dass ich bisexuell bin, dann küss ich Max der schwul ist und jetzt schlaf ich mit meinem Schwarm in einem Bett. Ich muss euch wohl nicht erzählen wie nervös ich wurde, als Zack seine Hose und sein Shirt auszog und lediglich in Boxershorts ins Bett zum Schlafen stieg.
Mit einem zittrigen Gefühl stieg ich anschließend ebenfalls im Bett – ich trug allerdings eine Schlafhose mit Shirt, da es mich ein wenig friert. Ob ich mich an Zack anschmiegen darf, wenn es mir zu kalt wird? Zack wünschte mir eine gute Nacht und gerne hätte ich mich noch ein wenig mit ihm unterhalten, doch von der einen Sekunde auf die andere war er bereits eingeschlafen. Er schnarchte ein klein wenig, was ich süß fand.
Im Zimmer gab es ein großes Fenster mit weißen Vorhängen, die das Mondlicht durch das Zimmer werfen ließ und genau auf unser Bett schien. Zack schlief mit dem Rücken zu mir gewandt, also beugte ich mich leicht über ihn, um sein Gesicht besser sehen zu können. Was ich sah, fand ich interessant, denn aus dem großen und starken Jungen den er tagsüber gibt, wurde nachts ein kleiner und süßer junge, der einfach nur zum knuddeln aussah. Ich fragte mich ob…
Ich nahm all meinen Mut zusammen und traute mich, ihm ein wenig über die Wange zu streicheln, zu seinem Ohr, bis hin zu seinen wunderschönen blonden Haaren, die inzwischen so verstrubelt waren, dass sie in alle Himmelsrichtungen standen.
Sein Glück sollte man nicht zu sehr auf Probe stellen, also legte ich mich zurück auf meine Seite des Bettes und während mein Kopf es sich auf dem Kissen bequem machte, starrte ich zur Decke hoch und hoffte, dass alles gut werden würde.

Nachdem wir ausreichend Schlaf hatten und unseren Kater mit Kaffee und einer eiskalten Dusche vertrieben, begaben wir uns erneut auf die Skipiste. Mir fiel auf, dass jeder nur sehr ungern über den gestrigen Abend redete. Manne und Agnes küssten sich, als wäre nichts gewesen, Maria war es peinlich, dass sie in Zacks Bett einschlief, Max schien auch verstimmt zu sein und ich fragte mich, ob das was mit unserem gemeinsamen Kuss zu tun hatte. Einzig und allein Zack schien wie immer bester Laune zu sein – wann ist er mal nicht bester Laune?! Zusammen mit Max glitt er auf seinem Snowboard den Abhang herunter und stieß andauernd Jubelrufe aus. Ein Wunder, dass er damit keine Lawine auslöste. Seit Agnes Witz über Manne, verstanden sie und Maria sich ausgesprochen gut. Die Beiden unterhielten sich über Mode –sprich Kleidung, Schuhe, Schmuck und Frisuren – also nichts worüber ich gerne mitredete.
„Können wir mal miteinander reden?“, fragte Manne mich, der hinter mir den Abhang herunterfuhr und neben mir anhielt, während der Schnee seine Skibrille leicht verdeckte. Seit wenigen Minuten schneite es nämlich wieder und ich bekam das Gefühl nicht los, als würde es von Minute zu Minute extremer werden.
Ich nickte Manne zu und wir ließen die Anderen vor uns wegfahren, so dass wir Beide ungestört miteinander reden konnten. „Ist zwischen dir und Agnes wieder alles in Ordnung?“, fragte ich ihn schließlich, während wir langsam nebeneinander herfuhren.
„Du spielst auf den Witz von gestern Abend an? Alles bestens… Agnes und ich haben unseren Spaß.“, antwortete Manne mir und ich fragte mich, ob die beiden wirklich eine ernsthafte Beziehung führten.
„War es denn ein Witz oder war es die Wahrheit?“, harkte ich etwas genauer nach. „Musst du das Semester wiederholen?“
„Das ist noch nicht sicher…, das wird sich erst am Semesterende zeigen. Es lief bisher nur nicht sonderlich gut…“, erklärte mir Manne und ich wusste, dass er diesmal die Wahrheit sagte. „Darf ich dir mal eine ernste Frage stellen?“
„Natürlich darfst du das. Du bist mein bester Freund!“, erwiderte ich.
„Ich weiß nicht wie ich das angehen soll, also komm ich einfach gleich zur Sache, denn erst dieser Kuss zwischen dir und Max gestern und dann erfahre ich, dass du mit Zack zusammen in einem Bett geschlafen hast…“ Manne versuchte auf ein Thema anzusteuern und ich wusste worauf er hinaus wollte. „Bist du schwul Leon?“
Ich schmunzelte etwas traurig. „Aus deinem Mund hört sich das an, als wäre das eine Krankheit.“
„Also bist du schwul?!“, fragte Manne mich erneut und sah mich nun intensiv an.
„Nein Manne, ich bin nicht schwul!“, antwortete ich ihm klar und deutlich und in Mannes Gesicht entspannte sich jeder Muskel. Er war sichtlich erleichtert, doch das würde sich gleich ändern… „Ich bin nicht schwul, aber ich bin auch nicht hetero – ich bin bisexuell!“ Manne blieb mit einem Satz stehen und steckte seine Skistecken in den Schnee. Er drehte sich zu mir um, doch konnte ich sein Gesicht nicht klar erkennen, dank dem Schnee, der immer dichter und stürmischer vom Himmel fiel.
„Sag mir, dass das nicht wahr ist!“, rief er mir zu und ich musste schlucken.
„Das kann ich leider nicht, denn es ist wahr. Ich bin bisexuell!“, rief ich ihm nochmals zu, denn er musste endlich verstehen, dass ich die Wahrheit sagte und ihm nichts vormachte.
Doch alles kam dann ganz anders… Manne stürzte sich auf mich, wir fielen in den Schnee und kullerten den Abhang hinunter, während er auf mich einschlug und mich als Lügner und falscher Freund beschimpfte. Seine Schläge machten mir nicht sonderlich fiel aus, denn schließlich trug er Handschuhe, und ich eine Skibrille und einen Helm. Seine Worte verletzten mich dafür umso mehr, doch als wäre das noch nicht schlimm genug, stürzte einer von uns Beiden auch noch über eine Absperrung und über eine Klippe, während der Andere sich in letzter Sekunde noch in Sicherheit brachte und schockiert zusah, während der Schneesturm um ihn herum wütete.


34. Schneesturm! – Teil 5
Wie kurz das Leben sein kann, wird erkennbar, wenn der Tod ein ganz nah ist. Das bisherige Leben zieht an einem wie im Zeitraffer vorbei und du denkst an all die Menschen die dir etwas bedeuten. Bei mir wären das zum einen meine Eltern, die immer für mich da waren und mich unterstützten und liebten. Dann gab es da seit neustem den CODA-Club, der für mich ein zweites Zuhause und deren Mitglieder für mich eine zweite Familie wurden. Zuletzt gab es da noch den Menschen, der einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen inne hielt. Immer wenn ich Zack ansah, bekam ich Schmetterlinge im Bauch und ich will nicht sterben, ehe er von meinen Gefühlen für ihn weiß. Doch nun sieht es so aus, als ob ich es ihm nie mehr sagen könnte, denn nachdem ich mit Manne den Abhang hinunterrollte und anschließend über eine Absperrung und eine Klippe flog, dachte ich nur noch, dass ich sterbe!
Ich wäre tatsächlich gestorben, wenn das Glück im Unglück nicht auf meiner Seite wäre und mir einen rettenden Ast schenkte, an dem ich mich ohne Sinn und Verstand festhielt und um mein Leben kämpfte. Der Schweiß rann mir die Stirn abwärts und das obwohl es schneite wie verrückt.
Ich keuchte, ich wollte schreien doch meine Stimme versagte und mit jeder Sekunde die verstrich, verlor ich mehr und mehr den Glauben, dass mir einer das Leben rettet. Manne hielt mich sicherlich schon für tot und war geflüchtet…! Mein bester Freund – könnt ihr euch das vorstellen?!
Ich frage mich gerade, ob jedem Menschen kurz vor seinem sicheren Tod so viele Gedanken durch den Kopf gehen, wie mir…
Ich glaubte eine Bewegung oben am Klippenrand gesehen zu haben, doch mir fehlte die Kraft laut zu schreien, geschweige denn länger nach oben zu sehen. Doch nach unten sehen wollte ich erst recht nicht, denn dort wartete nur eine etwa fünfzig Meter tiefe Schlucht auf mich…
Eins verspreche ich hiermit. Sollte ich auf eine unmögliche Art und Weise doch noch gerettet werden, so werde ich mein Leben ändern. Ich werde mich outen – keine Lügen mehr, ich werde Zack meine Gefühle gestehen und ich werde meinen Traum von der perfekten Kunst verwirklichen.
Der Ast an dem ich mich klammerte, setzte seine Wurzeln in die Klippe, doch mein Gewicht schien ihm langsam zu schwer zu werden, denn er senkte sich leicht. Bevor der Ast bricht, verlier ich eher noch meine Kraft in den Händen mich weiter festzuhalten und würde in die Tiefe stürzen.
Ich sah den Tod vor meinen Augen, als ich auf einmal eine bekannte Stimme von oben hörte und als ich nach oben zum Klippenrand blickte, entdeckte ich Manne, wie er mit einem schockierten und bleichen Gesicht zu mir in die Tiefe starrte und mir zurief, dass ich mich festhalten solle und das Hilfe bereits unterwegs sei. Festhalten… was anderes blieb mir ja wohl auch kaum übrig oder?!
Wenn ich das hier überleben sollte bring ich Manne eigenhändig um…und sollte ich hier draufgehen, bringe ich Manne ebenfalls eigenhändig um und wenn ich dafür als Poltergeist zurückkehren muss.
Es kam mir wie Stunden vor, bis ein Bergrettungsdienst mir zur Hilfe eilte, sich ein Mann bei dem Schneesturm zu mir abseilte, mich an einem Gurt festband und ich zusammen mit ihm nach oben und in Sicherheit gezogen wurde.
Ich glaubte nicht mehr daran, aber ich war gerettet – Ich war nicht tot!

„Wie geht es dir Leon?“, fragte mich Maria, als sie mich zusammen mit Max und Zack im örtlichen Krankenhaus in meinem Zimmer besuchte und sich besorgt nach meinem Wohlergehen erkundigte.
„Er hing bei einem Schneesturm ewig an einem Ast an einer Klippe und entkam mit knapper Not dem Tod, was glaubst du denn, wie es ihm geht?!“, entgegnete Zack ihr sarkastisch und ich freute mich darüber, dass er ihr antwortete, denn ich fühlte mich einfach zu schwach dazu.
Max saß neben meinem Bett auf einem Stuhl und neigte seinen Kopf zu mir. „Die Ärztin meinte, dass du mit viel Ruhe schon bald wieder auf den Beinen sein wirst. Es wird alles wieder gut Leon…!“
Ich lächelte Max dankbar zu, während Maria weiterhin ein besorgtes Gesicht zog. „Ich habe deine Eltern angerufen und informiert Leon. Sie waren ganz schön geschockt und sind auf dem Weg hierher um dich zu sehen. Deine Mutter ist in Tränen ausgebrochen, als ich ihr erzählte, dass du beinahe…“
„Ist gut jetzt Maria.“, sagte Zack zu ihr.
„Sieht so aus, als wäre ich dem Tod noch einmal gerade so von der Klippe gesprungen.“, sagte ich scherzhaft mit einer sehr schwachen Stimme. Ich fand das Zitat gerade sehr passend und wollte die Stimmung ein wenig auflockern. Dann fragte ich: „Wo sind Manne und Agnes?“
„Wenn ihm sein Leben lieb ist, weit weg!“, antwortete Zack mir.
„Nein sie sind noch da. Manne steht ziemlich unter Schock.“, erklärte Maria uns. „Agnes ist zwar stinksauer auf Manne, aber sie wollte ihn jetzt nicht alleine lassen und sich um ihn kümmern.“
Zack schüttelte wütend den Kopf und ich fand es süß von ihm, dass er meinetwegen so sauer auf Manne ist. „Ich muss mit Manne reden, doch zuvor muss ich euch noch etwas beichten.“, sagte ich schließlich sehr verkrampft, da das Sprechen für mich sehr anstrengend war. Es war an der Zeit mein Versprechen – zumindest ein Teil davon – einzulösen. Ich wollte es nicht noch länger aufschieben, denn mit jeder Stunde die verstrich würde ich mehr und mehr den Mut dazu verlieren. „Der Auslöser für den Streit zwischen Manne und mir… ich… ich habe ihm erzählt, dass ich bisexuell bin.“ Nach meinen Worten sahen sich Zack und Max gegenseitig in die Augen und mir war bewusst, dass das den Beiden ohnehin schon klar schien. Doch Marias Reaktion bereitete mir Sorgen, schließlich war ich einmal mit ihr zusammen und sie hatte bereits einen Freund, der sich am Ende als bisexuell herausstellte. Die Angst, dass sie vor Schmerz zusammenbrach verschwand aber zum Glück, als sie mir ein kleines, aber sehr verständnisvolles Lächeln schenkte. Allerdings sagte sie keinen Ton zu dem Thema und das Letzte was ich an diesem Tag von ihr hörte, war ein freundliches Auf Wiedersehen und gute Besserung, während Zack und Max mir zum Abschied noch eine liebevolle Umarmung schenkten. Ich traute mich Zack ein wenig länger zu umarmen und an mich zu drücken, denn dadurch ging es mir gleich sehr viel besser, doch meine Gefühle für ihn, behielt ich fürs Erste lieber noch für mich. Dies war weder der richtige Ort, noch der richtige Zeitpunkt für Liebesgeständnisse!
Ich ließ Manne nach mir schicken, der zehn Minuten später zusammen mit seiner Freundin Agnes mein Krankenzimmer betrat und mich mit ausdrucksloser Miene anstarrte, während seine Freundin mir ein freundliches Lächeln zuwarf und sich bedeckt im Hintergrund hielt.
„Ich möchte dir etwas sagen und ich möchte, dass du mir aufmerksam zuhörst und keinen Ton sagst, ehe ich fertiggeredet habe.“, sagte ich zu Manne, ohne ihn dabei anzusehen, doch konnte ich im Winkel erkennen, dass dieser nickte. „Wir leben in einem Zeitalter indem Homosexualität und Bisexualität etwas völlig normales ist und ich bin ein Teil davon. Dass ausgerechnet du mir dermaßen wehtust, damit habe ich im Traum nicht gerechnet. Es wird der Tag kommen, da wirst du mit deiner Art jeden Menschen vertreiben, dem du jemals etwas bedeutest hast. Du wirst allein sein und keiner wird für dich da sein. Auch ich werde nicht für dich da sein, denn ab dem heutigen Tag sind wir keine Freunde mehr – Wir sind keine Freunde mehr! Ich bin fertig, du darfst reden.
Manne ging mit leisen Schritten zur Tür und ohne ein Wort zu sagen verließ er das Zimmer und ich sah ihn nicht wieder. Agnes verabschiedete sich von mir mit einem freundlichen Händedruck und wünschte mir gute Besserung, dann ging auch sie still und leise und als mir bewusst wurde, was am heutigen Tag alles geschehen ist, liefen mir Tränen die Wangen hinunter.

Fortsetzung folgt...!

35. Alles ändert sich… – Teil 1
Zwei Tage nach dem Unfall auf der Skipiste wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen und durfte wieder mit meinen Eltern nach Hause fahren. Die restlichen freien Tage der Weihnachtsferien verbrachte ich also damit, mich auszuruhen und wieder zu Kräften zu kommen. Meine Mutter war nicht sehr begeistert davon, dass ich wieder so schnell zurück zur Universität musste, doch ich versprach ihr zweimal die Woche Dr. Fauna aufzusuchen und mich untersuchen zu lassen. Noch weniger begeistert waren meine Eltern aber davon, als ich ihnen erzählte, dass ich bisexuell bin. Sie waren nicht schockiert, aber überrascht und da ich ihr einziges Kind bin, zerstörte ich ihnen damit auch ihren Traum eines Tages Großeltern zu werden. Dennoch liebten meine Eltern mich und als ich mich von ihnen verabschiedete, wusste ich, dass ich jederzeit herzlich Willkommen bei ihnen bin.
Der erste Tag zurück an der Universität war eigenartig und irgendwie auch wieder gewöhnungsbedürftig, dabei meine ich noch nicht einmal die Zeit auf der Uni, sondern die Menschen um mich herum. Es schien als hätte sich etwas verändert… Maria versuchte mir unbemerkt aus dem Weg zu gehen. Sie ignorierte mich zwar nicht, denn immer wenn wir uns irgendwo sahen, begrüßten wir uns herzlich, aber ich merkte ihr deutlich an, dass sie sich unwohl in meiner Gegenwart fühlte, was meine ohnehin schon großen Schmerzen nur vergrößerte.
Abhilfe und Ablenkung hätte der CODA-Club für mich schaffen können, doch auch hier wehte ein neuer Wind. Derek wurde von Roy zum stellvertretenden Leiter des Clubs gewählt. Doch dies erfuhren wir nicht von Roy persönlich, sondern von Derek, der uns mitteilte, dass sein Freund und Annabelle aus privaten Gründen in absehbarer Zeit nicht im Club erscheinen. Auch von Oskar fehlte jede Spur. Wallace meinte ihn mal auf dem Campus getroffen zu haben und ihn danach fragte was los sei, doch brachte er aus Oskar keine zufriedenstellende Antwort heraus. Als wäre das nicht schon alles schlimm genug, teilte uns Derek am Mittwochabend auch noch mit, dass Max seinen Austritt aus dem CODA-Club beschloss. Mir fiel die Kinnlade runter, als ich das erfuhr. Ich wollte Max zur Rede stellen, doch an sein Handy ging er nicht und zu sehen bekam man ihn ebenfalls nicht mehr, da er ständig nur noch am Arbeiten schien. Von seinen beiden besten Freunden Zack und Fiona konnte ich auch nichts in Erfahrung bringen, also beschloss ich Max in der Höllenbar aufzusuchen.
Doch davor musste ich mich erst einmal um eigene Probleme kümmern. Aus unempfindlichen und mir unbekannten Gründen schien Gregor aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen zu sein. Als ich nämlich zurückkehrte waren seine Sachen verschwunden und von ihm fehlte jede Spur. Es war wie verhext…! Nicht dass ich mich nicht freuen würde, ihn endlich los zu sein, doch nun fehlte mir ein Mitbewohner und wenn ich keinen Nachfolger für ihn fand, musste ich die gesamte Miete alleine zahlen, was über mein Pensum an Besitz hinausging. Derek meinte zudem, dass sich Annabelle von Gregor trennte und ich fragte mich ob sein Auszug damit etwas zu tun hatte. Doch auf der Uni schien er sich auch abgemeldet zu haben und wegen einem Beziehungsaus alles hin zu schmeißen, schien mir schon etwas extrem.
Glücklicherweise traf ich Annabelle am Donnerstagmorgen in einem Korridor der Uni. Ich erkundigte mich nach ihrem Wohlergehen und erzählte ihr kurz darauf auch von meinen Erlebnissen in den Bergen, allerdings zeigte sie nur wenig Anteilnahme und Interesse. Zudem schien sie sehr nervös und unruhig zu sein. Ständig blickte sie um sich, als wäre jemand hinter ihr her und würde sie stalken.
„Belle geht es dir nicht gut. Hat das was mit Gregor zu tun?“, fragte ich sie besorgt.
„D-Doch alles gut und mach dir keine Sorgen, dass mit Gr-Gregor ist aus.“, antwortete sie mir mit zittriger und ängstlicher Stimme und mir beschlich das Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung schien. Danach begannen die Seminare und ich ließ Annabelle widerwillig ziehen, blickte ihr aber noch besorgt hinterher.
Donnerstagabend nahm ich mir die Zeit Max aufzusuchen. Wie vermutet traf ich ihn in der Höllenbar beim Arbeiten an. Er sah süß aus mit Schürze, doch seine Augen waren glasig und nach meiner Vermutung, bekam er derzeit nur recht wenig Schlaf.
„Du hättest meinetwegen nicht kommen müssen, denn ich hab keine Zeit mich mit dir zu unterhalten. Ich muss arbeiten.“, versuchte er mir möglichst höflich zu erklären.
„Ja das sehe ich, aber warum bist du aus dem Club ausgetreten?“, fragte ich ihn.
„Ich hab jetzt noch einen zweiten Nebenjob und hab keine Zeit mehr für den Club.“, erklärte Max mir, doch mit dieser Antwort allein gab ich mich nicht zufrieden und ich harkte nach.
„Ein zweiter Job? Wieso?“, fragte ich stur.
„Mein Mietvertreter hat die Miete erhöht und ich muss Geld verdienen um mir das leisten zu können.“, antwortete Max mir und daraufhin sah ich ihn mitleidig an, was ihm gar nicht zu behagen schien, weshalb er mich freundlich bat zu gehen.
Ungern ließ ich ihn in seiner Not im Stich, doch fürs Erste konnte ich ohnehin nichts für Max tun, also ging ich wieder und dachte auf dem Heimweg darüber nach, wie ich ihm helfen könne.
Am Freitagmorgen erwartete mich dann die letzte unerwartete Überraschung als ich im Kunstseminar meinen Platz einnahm und statt Professor West ein mir völlig fremder Professor den Raum betrat und sich auf dem Schreibtisch breitmachte.
„Entschuldigen sie, aber wo ist Shane… ich meine Professor West?“, korrigierte ich mich schnell und die beiden Mädchen hinter mir fingen an zu kichern. Gott wie hab ich das Kichern nicht vermisst…!
„Es tut mir Leid ihnen allen mitteilen zu müssen, dass Professor West an eine andere Universität versetzt wurde und ich ab dem heutigen Tag ihren Kunstseminar übernehmen werde.“, antwortete der neue Professor mir und diesmal war ich wirklich überrascht und schockiert zugleich.


36. Alles ändert sich… – Teil 2
„Oskar!“, rief ich laut, als ich den massigen Körper meines Freundes auf dem Parkplatz entdeckte. Er kam mir wie gerufen, denn ich wollte wissen, warum sein Bruder versetzt wurde. „Hey.“, sagte ich zu Oskar, als ich ihn endlich einholte und ihn vorsichtig am Arm packte. „Wieso rennst du vor mir weg?“
„Ich hab zu tun Leon. Tut mir Leid.“, entschuldigte sich Oskar bei mir und ging weiter, doch ich ließ nicht locker und latschte neben ihm her.
„Wo ist dein Bruder? Hat er dir was erzählt? Wieso wurde er versetzt?“ In meinem Kopf häuften sich die Fragen und auf jede einzelne wollte ich eine Antwort. Ich fragte mich, ob Shane Oskar von unserem Kuss erzählte und ob das der Grund seines Weggangs war, doch direkt auf dieses Thema ansprechen vermied ich, denn ich wollte in kein Fettnäpfchen treten.
„Wieso interessiert dich das alles? Bist du mit meinem Bruder etwa so eng befreundet?“, fragte Oskar mich verwirrt und berechtigterweise zurück.
„Nein, eigentlich nicht…, aber er war ein guter Professor!“, erklärte ich Oskar.
„Ich weiß nicht wo er ist und erzählt hat er mir auch nichts. Ich weiß nur, dass er nicht versetzt wurde, sondern sich versetzen ließ und zwar noch vor den Weihnachtsferien.“, erklärte Oskar mir. „Er ist einfach abgehauen und hat mir lediglich einen Briefumschlag auf dem Küchentisch hinterlassen, indem sich ein Zettel befand, auf dem geschrieben stand, dass ich mir keine Sorgen um ihn machen muss, dass er mich lieb hat, blabla und jede Menge Geld befand sich ebenfalls darin, damit ich die Miete bezahlen kann. So ein Idiot!“ Oskar war wütend auf seinen Bruder – man konnte es ihm nicht verübeln. Das Shane meinetwegen die Stadt verließ, musste ich nun aber durchaus in Betracht ziehen – genaugenommen liegt hier die Wahrscheinlichkeit sogar bei hundert Prozent.
Ich fühlte mich schlecht und schuldig. In mir kam schon wieder das Gefühl hoch, jeden Augenblick umzukippen, doch blieb ich dieses Mal standhaft.

Shane ist abgehauen und Gregor schien ebenfalls abgehauen zu sein. Die Gründe für Letzteren sind mir aber nach wie vor unklar. In den letzten Monaten wurde Annabelle zu einer richtig guten Freundin für mich, zu einer Vertrauten, die ich ungern verlieren würde. Sie war immer für mich da und jetzt wollte ich für sie da sein. Ich klingelte bei ihr Zuhause und ihre Mutter öffnete mir die Tür.
„Hallo.“, begrüßte sie mich freundlich. „Sie sind aber ein sehr ansehnlicher junger Mann.“
Das Kompliment schmeichelte mir und ich wurde rot im Gesicht. Von Derek wusste ich bereits, dass Frau Kirchner eine äußerst adrette und förmliche Frau ist. „Ist Belle da? Also Annabelle mein ich…“, fragte ich sie freundlich.
„Sie ist in ihrem Zimmer oben, aber ich glaube sie empfängt derzeit keinen Besuch. Tut mir sehr Leid für dich.“, antwortete mir Frau Kirchner.
„Könnten sie vielleicht eine Ausnahme machen. Ich würde wirklich gerne mit ihr reden.“, bat ich Frau Kirchner freundlich, die mich genau begutachtete um eine Entscheidung zu fällen.
Eine Minute später stand ich vor Annabelles Zimmertür und als ich anklopfte kam von drinnen ein leises Herein. Ich öffnete die Tür und betrat erstmals Annabelles Zimmer. Ihre Lieblingsfarbe war lila, das bewies sie bereits mit der lila Strähne in ihrem Haar und auch ihr Zimmer war farblich lila eingerichtet. Von lila Deko-Schalen über lila Blumentöpfe und lila Gardinen. Sogar eine lila Bettwäsche entdeckte ich in ihrem Bett und nachdem ich in letzter Zeit so viel Zeit mit Jungs verbrachte, wurde mir wieder bewusst, was für einen Knall Frauen hin und wieder haben können.
„Hallo Belle.“, begrüßte ich meine Freundin, die auf dem Fenstersims saß und hinausschaute, um die Menschen in ihren Gärten zu beobachten.
Annabelle erschrak kurz als ihr klar wurde, wen sie hereinbat, doch fing sich recht schnell wieder, begrüßte mich kurz und schaute anschließend wieder zum Fenster hinaus.
„Wieso kommst du nicht mehr zu uns in den Club?“, fragte ich sie, während ich mich mit langsamen Schritten ihr näherte und ihr schließlich vorsichtig an die Schulter langte. Annabelle zuckte zusammen. „Was ist los mit dir Belle?“, fragte ich sie besorgt.
„Leon!“, rief auf einmal eine Stimme hinter und mir und als ich mich umdrehte, stand Roy vor mir, dessen knallroten Haare in diesem lilaeingerichteten Zimmer irgendwie fehl am Platz wirkten.
„Ich wollte mich nur nach deiner Schwester erkundigen.“, versuchte ich Roy zu erklären.
„Annabelle geht es gut, alles was sie benötigt ist ein wenig Ruhe und Erholung.“, erwiderte Roy und sein Blick bereitete mir Unbehagen. Es war offensichtlich, dass hier etwas nicht stimmte und ich wollte nicht gehen, ehe ich nicht wusste was los sei. Ich weiß dass das aufdringlich und neugierig klingt, aber ich will lediglich für Annabelle da sein, wie sie es für mich war. „Vielleicht gehst du lieber wieder.“, sagte Roy zu mir nun schon etwas freundlicher.
„Es tut mir Leid, aber ich will euch doch nur helfen.“, entgegnete ich den Beiden. „Wenn alles in Ordnung ist, dann gehe ich, aber ich will es aus Belles Mund hören! Belle?!“
Belle schaute mir nun in die Augen, dann sah sie zu ihrem Bruder, der den Kopf schüttelte und ihr damit wohl mitteilen wollte, dass sie etwas Bestimmtes nicht tun sollte. Dann sah Annabelle wieder mich an und Tränen bildeten sich in ihren Augen.
„Belle…?!“ Ich sah meine Freundin verwundert und hilflos an.
„Du geht’s jetzt besser!“, wies Roy mich nochmals an und packte mich am Arm, doch ich entriss mich seinem Griff und sah zu Annabelle, die anfing zu weinen und zu zittern.
„Hat es was mit Gregor zu tun? Geht es dir so schlecht, weil ihr euch getrennt habt?“, fragte ich Annabelle hartnäckig, die ihren Tränen nicht mehr Einhalt gebieten konnte.
„Verdammt Leon, verschwinde jetzt!“, schrie Roy mich wütend an und versuchte mich nach Leibeskräften nach draußen zu ziehen, doch ich wehrte mich.
„Ja aber…, hier stimmt doch irgendetwas nicht!“, schrie ich im Zimmer rum.
„Ihr geht es aber gut!“, schrie Roy mir ins Ohr.
„Hört auf damit!“ Der laute Schrei kam nun von Annabelle, die mit den Nerven am Ende war. „ Mir geht es nicht gut und das wissen wir Beide, Roy!“
„Annabelle nicht…“, sagte Roy nun wieder leiser und ich wandte meinen Kopf zwischen den Beiden hin und her, da ich langsam den Überblick verlor.
„Würde mir bitte jemand sagen, was hier los ist?!“, fragte ich nun aus Angst.
„Ich…“ Annabelle versuchte mir etwas zu sagen, doch brachte sie die Wörter nur schwer über die Lippen. „Gregor hat…“
„Gregor hat was?“ Vermutlich nimmt sie die Trennung schwerer mit, als angenommen. Arme Annabelle. Ich versuchte sie zu trösten, indem ich ihren linken Arm streichelte.
Dann riss sie sich zusammen und die nächsten Worte die aus ihrem Mund kam, gingen in meine Ohren und lösten Entsetzen aus. „Gregor hat mich vergewaltigt!“


37. Alles ändert sich… - Teil 3
Annabelle erzählte mir, was sich nach Weihnachten mit Gregor zutrug. „Nachdem mein Vater ihn aus unserem Haus warf, war Gregor stinksauer, was er sich aber nicht anmerken ließ. In einer SMS schrieb er mir, dass er sich mit mir treffen und reden müsse und dass es wichtig sei. Ich dachte er würde mir irgendwelche Liebesgeständnisse vortragen, doch weit gefehlt. Wir trafen uns in einem Raum in der Universität, die über die Weihnachtsferien nahezu alle leer waren. Dort geschah es dann…, er packte mich an meinen Handgelenken und drückte mich gegen die Wand. Ich bat ihn damit aufzuhören, doch er hörte nicht auf. Dann fing er an mich am Nacken zu küssen und mich an meiner Brust zu streicheln. Ich schrie, dass er aufhören solle, doch er hörte noch immer nicht auf mich. Dann fing ich an um Hilfe zu schreien, doch er legte seine Hand gewaltsam auf meinen Mund, so dass ich kein Wort mehr rausbrachte. Ich wehrte mich…, er gab mir eine Ohrfeige…, dann fing er an seine Hose zu öffnen und…und…“ Annabelle konnte nicht mehr weiter erzählen und ich konnte nicht anders, als nur schockiert dazustehen und sie mit großen und entsetzten Augen anzusehen. Annabelle fing wieder an zu weinen. Roy half ihr aufs Bett, damit sie sich ein wenig setzen konnte. „Hinterher irrte ich wie ein Zombie durch die Stadt.“, erinnerte Annabelle sich unter Tränen. „Ich kam nach Hause und meine Mutter kaufte gerade im Supermarkt ein, als Roy mir auf der Treppe entgegenkam und sofort in meinem Gesicht sah, dass etwas nicht stimmte. Seitdem kümmert er sich liebevoll um mich und beschützt mich.“
„Ich übertrug Derek die Leitung der CODA, damit ich mich um meine Schwester kümmern konnte.“, erklärte Roy mir, während er mit einem Taschentuch Annabelles Tränen abwischte.
Ich war wie gelähmt, als ich ein paar Fragen stellte: „Was ist dann passiert? Seid ihr zur Polizei gegangen?“
„Nein sind wir nicht.“, antwortete Roy mir. „Annabelle wollte nicht, dass unsere Mum Wind davon bekommt, was vorfiel. Sie würde daran nur zerbrechen.“
„Eure Mutter weiß gar nichts davon?!“, erwiderte ich noch mehr schockiert.
Roy schüttelte den Kopf. „Zusammen mit Derek bin ich wütend zu Gregor marschiert und wollte ihn verprügeln, doch als wir bei seiner Wohnung ankamen, kam uns gerade der Vermieter entgegen und meinte, dass Gregor hier nicht mehr wohnt und ausgezogen sei.“
Gedanken durchfluteten meinen Kopf. Roy und Derek gegen Gregor – amüsante Vorstellung, auch wenn die gegenwärtige Situation alles andere als amüsant war.
„Es tut mir sooo unendlich leid Belle.“ Ich setzte mich neben Annabelle aufs Bett und legte meinen Arm vorsichtig um sie, um sie zu trösten. „Es wird alles wieder gut.“, flüsterte ich ihr tröstend ins Ohr.

Mir war schlecht, ich fühlte mich schuldig und mir war nach weinen zumute, obwohl Annabelle das Opfer ist und nicht ich. Doch ich wohnte mit Gregor zusammen und wusste was für ein Arsch er ist und hätte Annabelle warnen können, dass er allerdings zu einer Vergewaltigung im Stande ist…, im Traum hätte ich nicht damit gerechnet.
Als ich durch den Campus schlenderte entdeckte ich zwei mir bekannte Personen. Zum einen Maria, die mir entgegen kam und die ich fast nicht bemerkte, vor lauter Gedanken, und zum anderen Zack, den ich in der Ferne mit einem mir unbekannten Mädchen entdeckte.
Ich sah zu Zack und wünschte mir, er wäre bei mir und würde mich in den Arm nehmen, doch als ich sah, wie er dem Mädchen einen Kuss auf die Wange gab, wurde ich abermals an diesem Tag erschüttert.
Maria bemerkte, dass mit mir etwas nicht stimmte und redete mich an. „Leon, es tut mir leid, dass ich dir in den letzten Tagen aus dem Weg ging. Ich benehme mich wie ein kleines dummes Mädchen, obwohl ich mir eigentlich versprach, mich zu bessern.“ Ich sah Maria an und hörte aufmerksam zu, was sie mir zu sagen hatte. „Ich gebe zu, dass es mich verletzt hat, als du dich vor mir geoutet hast, denn damit bist du nun schon mein zweiter Ex-Freund, der plötzlich auf das männliche Geschlecht abfährt. Ich hatte Zeit um nachzudenken und nachdem ich dich beobachtete und mir dein Verhalten ansah, wurde mir klar, dass du in Zack verliebt bist. Das mit mir und Zack war lediglich eine Nacht und nicht mehr und wenn du ihn haben willst, dann schnapp ihn dir. Ich steh dir dabei nicht im Weg.“ Ich sah Maria an, die über Zack wie ein Stück Fleisch sprach, doch meinte sie es keineswegs so. Es war eben Marias Art mir mitzuteilen, wie gern sie mich hat und mich keineswegs verletzen will.
„Danke dir.“, sagte ich freundlich zu ihr und wir umarmten uns. Als ich zu der Stelle blickte, an der Zack mit dem Mädchen stand, entdeckte ich niemanden mehr und ich beschloss nach Hause zu fahren und mich für den Rest des Tages in mein Bett zu verkriechen. Dann wurde mir wieder bewusst, dass ich noch einen neuen Mitbewohner gebrauchen könnte und mir kam eine Idee…!

„Was willst du den heute schon wieder hier?“, fragte Max mich inzwischen sichtlich genervt.
„Ich will mich mit dir unterhalten.“, antwortete ich ihm mit einem Lächeln im Gesicht.
„Wer bist du? Mutter Theresa? Hör auf mir helfen zu wollen Leon!“, entgegnete Max mir, während er einem Gast ein Weizenbier einschenkte.
„Du brauchst keine Hilfe.“, sagte ich zu Leon und Max sah mich überrascht über meine Worte an. „Was du brauchst, ist eine Wohnung die du dir leisten kannst, ohne dass du dich so wie jetzt abrackerst und irgendwann vor Erschöpfung zusammenbrichst.“
„Sehr witzig.“, sagte Max sarkastisch. „Es ist nicht so leicht eine freie, gute und kostengünstige Wohnung in dieser Stadt zu finden und ich hab auch gar keine Zeit mir eine zu suchen.“
„Du musst auch gar nicht suchen, denn ich hab diese freie, gute und kostengünstige Wohnung, und zufälligerweise weiß ich auch, dass der Bewohner der ebenfalls in dieser Wohnung lebt, ein sehr liebenswürdiger und gutaussehender Kerl ist, der sich freut, wenn du bei ihm einziehst.“
Max sah mir verwirrt lächelnd in die Augen und als ihm klar wurde, dass ich meine Wohnung und Gregors inzwischen freies Zimmer meinte, fiel er mir voller Freude um den Hals, drückte mir einen dicken Kuss auf die Wange und hob mich hoch, als wäre ich ein Schmetterling. Die Leute beobachteten uns, doch das war mir egal, denn ich war glücklich, dass ich Max helfen konnte.

Fortsetzung folgt...!

38. Panikattacken! – Teil 1
Um mich herum war Dunkelheit. Schnee rieselte vom Himmel herab und mich fror es am ganzen Leib, da ich lediglich Boxershorts trug und mich somit halbnackt vorfand. Die Kälte war unerträglich. Ich suchte mir etwas Warmes - Kleidung, ein Lagerfeuer oder etwas zum Unterstellen - doch ich wurde nicht fündig und irrte orientierungslos und einsam durch die Winterlandschaft. Barfuß stapfte ich durch den Schnee und da meine Füße bereits ganz rot waren, ging ich schneller und schneller – bis ich vor einer kilometerlangen Klippe zum Stillstand kam. Vorsichtig blickte ich über den Rand der Klippe und sah in die Schwärze der unendlichen Tiefe. Auf einmal stieß mich eine Hand von hinten und ich verlor mein Gleichgewicht. Ich stürzte von der Klippe und in die Tiefe, während ich oben am Klippenrand Manne lauthals und boshaft lachen hörte. Ich schrie…!
„Leon! Leon! LEON!“ Als ich meine Augen öffnete, blickte ich in das besorgte Gesicht meines neuen Mitbewohners Max, der seine Hände auf meine Schultern legte und mich wachzurütteln versuchte.
„Es ist alles okay. Du hattest nur einen Albtraum.“
Ich setzte mich in meinem Bett auf und Max nahm neben mir Platz, während er meine Hand hielt, die wie Espenlaub zitterte. Meine Haare waren total verschwitzt und Angstschweiß floss mir am Hals und den Oberarmen hinunter. „Das war kein normaler Albtraum.“, sagte ich zu Max. „Das geht jetzt schon seit Tagen so.“
„Du hast Mannes Namen gerufen. Hast du von deinem Klippensturz geträumt?“, fragte Max mich.
„Ja habe ich. Ich träume sehr oft davon, nur dass der Traum immer ein kleinwenig variiert dabei.“, erklärte ich Max und trank drei Schluck Mineralwasser aus der Flasche, die auf meinem Nachtkästchen stand. Danach wischte ich mir den Schweiß von der Stirn.
„Es ist alles gut Leon. Du hast überlebt.“ Max versuchte mich zu beruhigen, was äußerst lieb von ihm war, auch wenn es nur wenig half.
„Ich weiß, aber wieso träum ich dann immerzu davon?“, fragte ich zurück.
„Vielleicht solltest du deswegen mal zu einem Arzt gehen und dich erkundigen. Schadet bestimmt nicht.“, meinte Max und er hatte natürlich Recht.
„Gleich morgen früh werde ich mir einen Termin bei Dr. Fauna geben lassen. Danke dir Max. Du kannst wieder ins Bett gehen, wenn du magst.“, sagte ich dankbar zu ihm.
Max lächelte mich an und ging mit seiner Hand durch meine nassverschwitzten Haare. Dann stand er von meinem Bett auf, ging wieder in sein Zimmer und ließ mich alleine.

„Sie leiden ganz offensichtlich unter akuten Panikattacken.“, prognostizierte Dr. Fauna mir am nächsten Tag, als ich ihr vor meinen nächtlichen Albträumen berichtete. „Das kann schon einmal vorkommen, wenn man so etwas Schlimmes durchlebte, wie sie es vor kurzem taten.“
„Und wie kriege ich diese Panikattacken wieder los?“, fragte ich Dr. Fauna.
„Nun ja, das Beste in solchen Angelegenheiten ist meistens, sich seiner Angst zu stellen, was in ihrem Fall sich als schwer erweisen dürfte. Außerdem bin ich kein Psychologe um das genau beurteilen zu können.“, erklärte Dr. Fauna mir und ich war kurz davor sarkastisch zu erwidern, dass ich keine Klippe runterspringe, um meine Angst zu bezwingen. „Ich werde ihnen deshalb ein Medikament verschreiben, was sie immer eine Stunde vor dem Schlafengehen einnehmen sollten. Es wird sie besser schlafen lassen und verhindern, dass sie weitere, derartige Panikattacken bekommen. Doch muss ich sie warnen. Das ist keine dauerhafte Lösung, denn diese Medikamente können einen schwer abhängig machen.“
„A-Abhängig?!“ Ich wiederholte das Wort unsicher und bekam ein mulmiges Gefühl im Magen.
„Wenn etwas sein sollte, können sie mich jederzeit kontaktieren.“, sagte Dr. Fauna zu mir und überreichte mir das Rezept. Mit meiner zittrigen Hand nahm ich es entgegen.

Seit Professor West´ Weggang fand der Kunstunterricht unter der Leitung von Professor Archibald Unruh statt, der… sagen wir mal anders ist. Professor West hat uns immer angespornt und uns zu Höchstleistungen angetrieben, Professor Unruh hingegen setzt uns ein belangloses Kunstobjekt vor, setzt sich an seinen Schreibtisch und schleift seine Fingernägel. Ohne auch nur einmal aufzusehen, ließ er uns mit unserer Arbeit allein und schenkte uns keinerlei Beachtung.
Das Kunstseminar war nicht mehr dasselbe und ich war froh, als die Stunden endlich vorbei waren. Das einzig Gute war die geringe Herausforderung die Professor Unruh uns stellte, denn so musste ich keinen Gebrauch vom Pinsel und Zeichenstift aus dem Mystic-Shop machen. Der Drang sie zu Benutzen war allerdings groß, doch nach dem Desaster mit dem Bild von Zack riss ich mich zusammen und vermied weiteren Gebrauch von ihnen zu nehmen.
Als ich im Korridor auf Oskar traf, erkundigte ich mich erneut nach seinem Bruder Shane und ob die Chance bestünde, dass er zurückkehre. „Der Arsch soll sich hier bloß nicht mehr blicken lassen.“, erwiderte Oskar auf meine Frage hin und mir wurde klar, dass er gar nicht gut auf seinen Bruder derzeit zu sprechen war.
Ich ließ Oskar also wieder in Ruhe und begab mich in die Mensa, wo ich auf Annabelle stieß, die zusammen mit Roy und Derek an einem Tisch saß und das heutige Mittagsmenü – Reis mit Hackfleischbällchen – verzehrte. „Hallo ihr Drei.“, begrüßte ich sie freundlich, doch als ich mich dazusetzte entfiel mir ein langes Gähnen.
„Da hat wohl jemand wieder bis in die Puppen reingearbeitet.“, sagte Derek scherzhaft.
„Von wegen. Ich bin früh ins Bett, doch schlief ich wieder schlecht.“, entgegnete ich ihm.
„Du schläfst schlecht? Was ist los?“, fragte Roy nach, während er sich eine Gabel Reis und Hackbällchen in den Mund stopfte und darauf herum kaute.
„Ich hab seit dem Skiausflug in den Bergen Albträume.“, antwortete ich ihm und spürte Annabelles Blick von der Seite. Als ich allerdings zu ihr blickte, sah sie ganz schnell wieder weg.
„Das tut mir Leid.“, sagte Roy mitfühlend zu mir.
Derek hingegen versprühte wie immer seinen Charme und sein feines Taktgefühl. „Mir kann so etwas nicht passieren. Mein bester Freund würde mich nicht verprügeln und eine Klippe runterwerfen, denn der schläft meistens neben mir, kuschelt und küsst mich.“ Derek sah lächelnd zu seinem Freund Roy, der ihm zwar ebenfalls zulächelte, aber dabei die Augen verdrehte.
„Das sind nicht nur einfache Albträume.“, versuchte ich ihnen nun etwas genauer zu erklären. „Das sind richtige Panikattacken und… und…ich hab Angst.“
„Ich weiß wie du dich fühlst.“, sagte Annabelle plötzlich. „Mir geht es genauso.“
Roy schien genug davon zu haben. Er schmiss seine Gabel auf seinen Teller, wischte sich den Mund mit einer Serviette ab und sagte: „Wisst ihr was ihr Beide braucht?“ Damit meinte er mich und seine Schwester. „Wir werden heute Abend eine Pyjama-Party im Clubhaus veranstalten. Wir werden Spaß haben, uns unterhalten und keiner von euch wird alleine sein. Das wird eine tolle Nacht!“


39. Panikattacken! – Teil 2
Im Clubhaus wurden sechs Matratzen ausgelegt, die Vorhänge wurden zugezogen und während Roy das Licht im Raum dämpfte um eine passende Atmosphäre zu erzeugen, sprangen Max, Annabelle, Kat, Fiona und ich in unsere Pyjamas und legten uns auf unsere bereitgelegten Matratzen.
„Herzlich Willkommen zur ersten Pyjama-Party des CODA-Clubs!“, rief Roy in seinem schwarzen Pyjama, der seine roten Haare gut zur Geltung brachte. Dann flog ein Kissen in sein Gesicht, das Kat nach ihm warf und hinterher kicherte.
„Setz dich lieber auf deine Matratze und schwing keine Reden!“, rief Fiona ihm lachend zu.
„Wo ist denn eigentlich Derek, Bruderherz?“, fragte Annabelle, die es sich auf dem Bauch liegend auf der Matratze gemütlich machte und ihr Kissen festumschlungen hielt.
„Der hatte keine Lust.“, antwortete Roy ihr. „Ihr kennt doch seine Eitelkeit. Eine Pyjama-Party ist unter seiner Würde…“ Annabelle verdrehte die Augen.
„Und wo sind die Anderen? Also Oskar, Wallace und Zack?“, fragte ich und die Frage galt ganz besonders Letzterem, den ich sehr gerne dabei gehabt hätte.
„Wallace meinte er hat einiges zu Lernen, da er ja im Dezember hauptsächlich mit der Weihnachtsfeier des Waisenhauses beschäftigt war und damals kaum Zeit dazu fand.“, erklärte Roy mir. „Oskar konnte mir zwar keinen Grund nennen, aber er meinte er hätte keine Zeit.“
„Und Zack?“, fragte ich erneut nach.
„Der hat ein Date. Mit einem Jungen…“, sagte Fiona und sah grinsend zu Max rüber, der in einem gestreiften Pyjama auf seiner Matratze lag und Batterien in seine Taschenlampe legte.
„Sind inzwischen eigentlich alle männlichen CODA-Mitglieder schwul?“, fragte Kat genervt und verdrehte die Augen. Inzwischen hatte sich meine Bisexualität auch im Club rumgesprochen und so war Kat einfach nur enttäuscht über die männliche Auswahl hier.
„Zack ist bi und außerdem sucht er sowieso keine Beziehung.“, fügte Fiona hinzu.
„Und wieso dann das Date?“, fragte ich vorsichtig nach.
„Sorry, aber das soll er dir selbst sagen, wenn er Manns genug dazu ist.“, antwortete Fiona mir.
„Was ist nun eigentlich? Was macht man so auf einer Pyjama-Party?“, fragte Max, der seine Taschenlampe neben seine Matratze legte und das Thema wechseln wollte.
„Wir könnten das Licht ausmachen und übereinander herfallen.“, sagte Roy und lachte dabei.
„Mein Bruder kann manchmal ein richtiger Perversling sein.“, schnaufte Annabelle.
„War doch nur ein Scherz!“, rief ihr Bruder ihr lachend zu.
„Wie wäre es mit einer Pyjama-Mode-Show?“, fragte Kat in die Runde und erklärte was sie damit meinte: „Jeder geht ein paar Schritte in seinem Pyjama, damit ihn auch alle gut genug sehen und bewertet ihn anschließend. Dazu darf man sich Notizen machen und hinterher fügen wir alles zusammen, tragen es vor und küren den Pyjama-Sieger!“
„Klingt albern…“, sagte Roy. „… das gefällt mir!“
„Bin auch dabei.“, sagte Max und ich stimmte ebenfalls zu. Dass die Mädchen da ebenfalls mitmachten war ja sonnenklar.
„Lasst uns die Mode-Show starten!“, rief Kat ganz begeistert, stand von ihrer Matratze auf und präsentiere ihren Pyjama als Erstes. Es war ein „Hello Kitty“-Pyjama, pink mit lauter kleinen weißen Kätzchen drauf. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann hätte ich Kat als ein achtjähriges Mädchen eingestuft.
Als Kat fertig war, durfte einer von uns Jungs ran. Max und ich hielten uns zurück. Roy, der seine Schwester aufmuntern wollte, präsentierte deshalb seinen schwarzen Pyjama aus Seide als Nächstes.
Vom Ehrgeiz gepackt, setzte sich Fiona in ihrem neonhellblauen Pyjama als Dritte in Bewegung. Max der als Vierter an der Reihe war, sah unglaublich süß und knuddelig in seinem hellbraun-dunkelbraun gestreiften Pyjama aus. Annabelles Pyjama trug natürlich ihre Lieblingsfarbe Lila und war wie der ihres Bruders aus Seide. Als Letzter stand ich auf und ging ein paar Schritte. Irgendwie war es mir peinlich, aber wir waren ja unter uns und so machte es mir nicht allzu viel aus, mich in meinem Pyjama zu präsentieren, der schwarz-grau längsgestreift war.
Nach der Auswertung verkündete Kat das Ergebnis der Mode-Show: „Der Sieger ist… Trommelwirbel bitte… Max Schilling!“ Wir applaudierten Max zu und Roy pfiff sogar vor Freude. „Eine ganz besondere Anmerkung bekam Max von Leon.“, sagte Kat und ich wurde dezent rot im Gesicht, als sie vorlas, was ich mir über seinen Auftritt notierte. „In seinem dunkelbraun-hellbraun gestreiften Pyjama sieht er erst Recht wie ein Tiger aus. Ein großer süßer, knuddeliger Tiger!“
Roy lachte und auch Kat, Annabelle und Fiona mussten grinsen, während ich verlegen auf mein Kissen starrte und Max´ Blick auswich.
Dann flog mir ein Kissen gegen den Kopf und als ich aufblickte entdeckte ich Max freches Grinsen. „Kissenschlacht!“, rief Roy laut und die Mädchen fingen an zu kreischen, mischten aber ebenfalls munter mit. Die Kissen flogen durch den Raum, Bettdecken wurden als Schutzschilde verwendet. Es war eine lustige Schlacht und jeder hatte sichtlich Spaß daran.
Als alles zu Ende ging, schien jeder von uns erschöpft und müde zu sein. Jeder nahm wieder sein Kissen und seine Bettdecke und legte sich auf seine Matratze zum Schlafen. Ich hatte Angst einzuschlafen, doch als ich endlich einschlief, war nicht ich es, der plötzlich anfing lauthals und panisch zu schreien – sondern Annabelle!


40. Panikattacken! – Teil 3
Alle wurden auf der Stelle wach, als Annabelle zu Schreien begann. Max nahm seine Taschenlampe zur Hand und knipste sie an. Er leuchtete zu Annabelle und erst jetzt konnten wir sehen, dass sie in Wirklichkeit noch schlief und offensichtlich nur träumte. Max leuchtete Roy den Weg zum Lichtschalter und als es im Raum hell wurde, versuchten Kat und Fiona Annabelle aus ihrem Schlaf aufzuwecken. Roy rannte ebenfalls zu seiner Schwester und Besorgnis spiegelte sich in seine Augen.
Als Annabelle endlich erwachte, erkannte sie die Gesichter um sich herum erst gar nicht, doch als Roy auf sie einredete und versuchte sie zu beruhigen, legte sich das wieder und ihr wurde wieder bewusst, wo sie war und wer wir waren.
„Oh mein Gott. Es tut mir so unendlich leid.“, sagte Annabelle schuldbewusst. „Jetzt hab ich euch alle aus eurem Schlaf gerissen.“
„Kein Grund zur Sorge Schwesterchen. Hab von tanzenden Essiggurken geträumt. War grausam sag ich dir…Null Taktgefühl!“, sagte Roy und streichelte ihr durch die Haare, während wir ihn alle perplex anstarrten und uns das Lachen gerade so verkniffen, ist die Lage doch alles andere als lustig.
„Du hattest nur einen Albtraum.“, sagte Kat und tröstete sie.
„Es war nicht NUR ein Albtraum. Es war Realität!“, erwiderte Annabelle und war kurz vorm Weinen. „Ich habe ihn auf meiner Haut gespürt, wie er sich an mich gepresst hat, sein Atem in meinem Nacken gespürt und… und… es war so grauenvoll. Ich hab es nicht geschafft mich zu wehren und ich schäme mich!“ Annabelle flüchtete sich in Roys Arme, der versuchte sie zu trösten.
„Vielleicht wäre es sinnvoll, einen Therapeuten aufzusuchen.“, meinte Kat schließlich.
Fiona sah zu Max, der seine Blicke auf Annabelle richtete. Dann beugte er sich zu ihr und Roy runter und hielt ihre Hand, so wie er es neulich bei mir tat. „Du musst dich vor nichts schämen Annabelle. Dieser Arsch der dir das angetan hat, der muss sich schämen! Dich trifft keine Schuld!“ Max Worte kamen sanft und beruhigend aus seinem Mund, während wir um ihn herum alle schwiegen. „Er hat dich sehr verletzt und der Schmerz den du empfindest wird noch eine sehr lange Zeit anhalten. Wenn du glaubst, dass du nicht mehr kannst, dann denk daran, dass du nicht allein bist. Du hast Freunde um dich herum, die für dich da sind!“ Max wirbelte mit seiner linken Hand um sich und zeigte auf uns alle, während Annabelle ihn mit feuchten Augen anstarrte und seine Worte Wirkung bei ihr zeigten.
„Danke.“, sagte sie und Fiona reichte ihr ein Taschentuch, an dem sie sich ihre Tränen abwischen konnte. Roy gab seiner Schwester einen Kuss auf den Kopf und umarmte sie dabei.
„Wir gehen jetzt wieder alle schlafen und wenn du willst, dann halte ich deine Hand.“, sagte er zu seiner Schwester und lächelte sie an. Annabelle nickte und lächelte zurück. „Sollen wir das Licht anlassen und nur gedämpft halten?“
„Wenn es euch nichts ausmacht.“, erwiderte Annabelle schüchtern, doch wir hatten natürlich nichts dagegen. Wir legten uns alle wieder zum Schlafen und als ich in meinem Kissen vor mich hindöste, dachte ich darüber nach, was Max alles Schlimmes widerfahren ist und was er alles durchmachen musste. Wenn ich mir ihn jetzt so ansah, dann war sein Schmerz nur noch tief in seinem Inneren erkennbar. Max war sehr stark und ein wirklich guter Freund. Ich musste lächeln, doch als meine Gedanken weiter zu Zack schweiften, verging mir das Lächeln. Wenn ich daran dachte, dass er gerade mit diesem einen Jungen… ich wurde wütend und traurig.
„Du elender Schwuchtel, hast mich all die Zeit belogen! Unsere Freundschaft war nichts weiter als eine riesengroße Lüge!“, rief Manne mir zu. Dann schlug er mir mit einer Faust ins Gesicht und ich ging zu Boden. Ich krümmte mich vor Schmerzen, doch wich ich nicht vor Manne zurück.
„Lass mich in Ruhe.“, sagte ich flehend zu ihm.“
„Du willst, dass ich dich in Ruhe lasse? Dafür ist es zu spät!“, rief Manne mir entgegen. „Du bist ein falscher Freund, ein Lügner und eine Schwuchtel noch dazu. Du widerst mich an!“
„Lass mich in Ruhe!“, sagte ich nochmals und diesmal schrie ich dabei. „Du bist hier der falsche Freund nicht ich. Du hast mich verraten und mich im Stich gelassen!“ Manne sah mich entsetzt an. „Verschwinde.“, sagte ich und schließlich verschwand mein ehemals bester Freund vor meinen Augen. Doch auch alles andere verschwand, was um mich herum geschah. Der Schnee der vom Himmel fiel, die Berge, die Hütten, die Bäume , sogar der Boden um mich herum verschwand, als würde er einfach nur unsichtbar werden. Wieder einmal stand ich vor einer Klippe, wieder breitete sich Angst und Panik in meinem Körper aus und wieder wollte ich schreien, doch dann…
Etwas hielt schützend meine rechte Hand fest und ich hörte, wie mir eine Stimme ins Ohr flüsterte, dass ich nicht alleine bin und er bei mir ist. Dann wachte ich auf und merkte, dass ich alles nur träumte. Alles - bis auf die Tatsache, dass Max, dessen Matratze neben meiner lag, meine Hand hielt, während er schlief. Ich lächelte zu ihm herüber und fühlte mich frei und geborgen.

Fortsetzung folgt...!

41. Das Rätsel um die magischen Kunstutensilien – Teil 1
Der Januar konnte mir gar nicht schnell genug vorüber gehen, nachdem was alles geschah: Mein Beinahe-Tod, Annabelles Vergewaltigung und das Verschwinden von Professor West. All das nahm die letzten Wochen so viel Platz in meinem Leben ein, dass ich eine Frage, die ich mir schon seit längerer Zeit stellte, fast vergas. Was hat es mit den Kunstutensilien aus dem Mystic-Shop auf sich? Bisher machte ich zweimal von ihnen Gebrauch und hinterher kam ein echtes Meisterwerk an Kunst heraus, zumindest behauptete das Professor West. Doch aus einen mir noch unklaren Grund, hatte ich hinterher immer wieder große Gedächtnislücken und nach meinem Ohnmachtsanfall bei der Moden-Show, zögerte ich weiteren Gebrauch von ihnen zu machen.
Ich war gerade auf dem Weg zum Kunstseminar, als Maria mich auf der Treppe einholte und mich mit einem strahlenden Lächeln begrüßte. „Was ist denn mit dir los? Du strahlst ja vor lauter Glück.“, fragte ich sie und ihr Lächeln war ansteckend, so dass ich gleich selber lächeln musste.
„Ich hab die Erlaubnis! Im nächsten Semester studiere ich Modedesign!“, antwortete sie mir glücklich und ich hob sie freudig in die Luft und gratulierte ihr.
„Weiß Kat schon davon?“, fragte ich Maria daraufhin.
„Noch nicht, aber ich wollte später noch zu euch ins Clubhaus, denn ich wollte ohnehin noch etwas mit Roy bereden.“, sagte Maria und als ich sie stutzig ansah, erklärte sie mir: „Ich wollte ihn fragen, ob ich eurem Club beitreten darf. Nur wenn du nichts dagegen hast natürlich!“
„Ich kenne da ein Mädchen, die vor ein paar Monaten behauptet hat, dass der Club jämmerlich wär und sich dort nur Spinner rumtreiben.“, sagte ich zu Maria augenzwinkernd.
„Oje, dass tut mir sooo unendlich leid. Ich hab mich geirrt. Bitte verzeih mir!“, flehte Maria mich an.
„Schon gut. Ich kenne dich lange genug, dass du oftmals etwas sagst, was dir hinterher leid tut und ich würde mich freuen, wenn du dem Club beitrittst…, aber was ist mit Fiona?“, erwiderte ich.
„Ich werde mit ihr reden, aber wir haben schließlich ein Friedensabkommen. Das wird schon irgendwie denke ich.“, erklärte Maria mir. Dann drückte sie mich nochmal ganz fest und wir verabschiedeten uns voneinander.
Ich blickte auf meine Uhr und sah, dass ich zu spät zum Unterricht kam. Ich nahm meine Beine in die Hand, nahm zwei Treppenstufen auf einmal und eilte den Korridor entlang. Als ich den Raum betrat, indem das Kunstseminar stattfand, starrten mich zwölf Paar Augen an.
„Herr Schopp, wie schön, dass sie uns mit ihrer Anwesenheit beehren.“, begrüßte mich Professor Unruh sarkastisch. „Bei ihrem ausgesprochenem Talent, halten sie es womöglich nicht mehr für notwendig pünktlich zu erscheinen.
„Ich bin doch nur fünf Minuten zu spät.“, erwiderte ich genervt, als ich mich auf meinem Platz setzte.
„Fünf Minuten, in denen sie mir nicht endlich das zeigen, was mir mein Vorgänger von ihnen berichtete.“, sagte Professor Unruh und ich sah verwirrt auf, als von Professor West die Rede war.
„Sie haben mit Professor West über mich geredet?“, fragte ich ihn verwirrt.
„Ich wollte mit ihm über die Arbeit reden, doch er hat andauernd nur von ihnen und ihrem großen Talent geredet, dass mir – wie ich leider sagen muss – nicht wirklich ersichtlich scheint.“, antwortete Professor Unruh mir, während er mit seiner Brille in der Hand herumwedelte und gegen die Wand starrte. „Wie dem auch sei. In einem anderen Kurs hat sich ein Student über meine einfachen „Herausforderungen“ beschwert. Herr Tanner war offenbar der Ansicht, dass sie alle zu weitaus Höherem bestimmt sind und so habe ich mir überlegt, dass sie alle doch das bekommen sollen, was sie so gerne haben wollen.“ Dass sich Zack über den geringen Anspruch an Herausforderung beschwerte, wunderte mich ehrlich gesagt nicht im Geringsten, wenn ich an die Zeichnung dachte, die ihn als Nacktmodell offenbarte. Professor Unruh entfaltete ein großes Plakat und befestigte es mit Magneten an der Tafel. „Das ist das wundervolle Schloss Neuschwanstein, das 1869 für den bayerischen König Ludwig II. errichtet wurde.“, erklärte Professor Unruh uns. „Ich möchte, dass sie es abzeichnen, mit allem was dazu gehört. Jeder Stein muss haargenau auf ihrer Zeichnung zu erkennen sein. Machen sie sich an die Arbeit!“
Offenbar hatte Zack Professor Unruh mit seiner Beschwerde stark erzürnt, denn mit dieser Herausforderung ging unser neuer Professor doch ein wenig zu weit. Es abzuzeichnen, schön und gut, aber so perfekt und genau, wie er sich das vorstellt, ist unmöglich! Es sei denn… Mein Blick wanderte zu der Schatulle, indem sich der Zeichenstift und der Pinsel befanden. Nein! Ich kann sie nicht wieder verwenden. Das darf ich einfach nicht riskieren! ...Andererseits, nur so besteht die Chance, dass ich diese Herausforderung auch wirklich schaffe. Ich überlegte hin und her, während die anderen Studenten und Studentinnen bereits fleißig am Werkeln waren.
„Gibt es ein Problem Herr Schopp?“, fragte mich Professor Unruh mit provozierender Stimme, als er sah, dass ich noch immer nicht mit der Arbeit begann.
„Nein, nein Professor!“, antwortete ich ihm, während ich mit meinen Händen nervös am Tisch herumfuchtelte und mein rechtes Bein auf und abging und zitterte.
Verdammt, ich hab keine andere Wahl! Ich öffnete die Schatulle und entnahm den Zeichenstift um mir erst einmal eine Skizze zu erschaffen. Als ich den Stift aufs Papier ansetzte, könnte ich schwören, dass die feinen Linien darauf anfingen rot zu leuchten. Ich ließ den Stift schreckhaft fallen, in der Vermutung er könnte auch noch heiß werden, da er ja aus der Asche eines Phönix stammt. Mein Nachbar sah verwirrt zu mir herüber und ich lächelte ihm nur nervös zu. Als ich den Blick wieder auf den Stift warf, war das rote Leuchten verschwunden und ich fragte mich, ob ich mir das nur eingebildet hatte. Der Gedanke, dass er heiß werden würde, war ja auch einfach nur lächerlich. Ich verhielt mich wirklich dumm. Ich nahm den Stift mutig zur Hand und setzte erneut zum Zeichnen aufs Papier an. Diesmal leuchtete er nicht mehr rot, doch als ich zu zeichnen begann, durchflutete mich ein eigenartiges Gefühl und was es immer es war, ich musste dem endlich auf den Grund gehen.
Ich beschloss noch einmal in dem Mystic-Shop zu gehen und den Ladenbesitzer ein paar Fragen zu stellen. Ich muss herausfinden, was es mit dem Zeichenstift und dem Pinsel auf sich hat.


42. Das Rätsel um die magischen Kunstutensilien – Teil 2
Bevor ich mich zu Fuß auf den Weg zum Mystic-Show machte, lud ich meine Sachen bei mir daheim ab und stopfte mir noch schnell ein selbstgemachtes Sandwich in den Mund. Ich dachte Max befände sich noch in der Uni und ich wäre alleine, weshalb ich recht verwundert war, als ich seine Stimme aus seinem Zimmer vernahm. Er schien sich mit Jemand zu unterhalten und erst nach fast einer Minute erkannte ich, dass er mit Zack sprach, der ihn besuchte.
„Ich hab dir schon einmal gesagt, dass das mein Leben ist und du dich nicht einmischen sollst!“, rief Zack seinem besten Freund so laut zu, dass ich es durch Wände und Tür hörte.
„Findest du es etwa okay, jede Woche ein anderes Mädel oder einen anderen Typen abzuschleppen?“, fragte Max ihn aufgebracht.
„Immerhin ist es mir dadurch gelungen, Leon von seiner Schwärmerei für mich abzugewöhnen.“, erwiderte Zack daraufhin und jetzt wurde ich erst recht hellhörig und lauschte weiter.
„Ja ganz toll. Willst du, dass er dich für einen kompletten Arsch hält, was du gar nicht bist?!“, fragte Max seinen Kumpel.
„Ich weiß gar nicht was du willst. Immerhin hab ich dir geholfen, dass du und Leon euch küsst. Silvesterabend, Flaschendrehen, du erinnerst dich?!“, erwiderte Zack und meine Augen weiteten sich.
„Ich erinnere mich, aber ich glaube Leon nicht, nachdem er kurzdarauf beinahe gestorben wäre.“, sagte Max. „Nicht zu vergessen, dass du mit ihm zusammen in einem Bett geschlafen hast.“
„Bist du eifersüchtig?! Das ist nichts zwischen uns gelaufen!“, erklärte Zack und das stimmte auch. „Du solltest mal wieder ein wenig runterkommen, schließlich wohnst du jetzt mit Leon zusammen und wenn du einfach ehrlich zu ihm wärst und ihm sagen würdest, dass du dich in ihn verliebt hast, würde das unser aller Leben erleichtern. Ich muss zur Uni. Wir sehen uns.“ Mit den letzten Worten verabschiedete sich Zack von seinem besten Kumpel und rannte zur Tür heraus. Ich versteckte mich geradeso im Badezimmer, dass er mich nicht bemerkte.
Dafür lief ich Max in die Arme, als ich das Badezimmer wieder verlassen wollte. „Was machst du denn hier? Wieso bist du nicht in der Uni? Seit wann bist du da?“, fragte Max mich verwirrt und leicht panisch. In der Angst, ich könnte sein Gespräch mit Zack mitbekommen haben – was ich ja auch hab!
„Ich bin gerade eben erst gekommen und musste dringend aufs Klo.“, log ich.
„Okay.“, sagte Max und blickte verlegen zu Boden.
„I-Ich wollte zum Mystic-Shop. Hast du Lust mitzukommen?“ Ehe mir bewusst wurde, was ich da von mir gab, war es schon zu spät. Wieso frag ich Max, ob er mit mir kommt?!
„J-Ja gerne.“, antwortete Max mir, der sich über mein Angebot sehr freute.
„G-Gut, dann gehen wir.“, sagte ich mit etwas nervöser Stimme. Gerade als wir zur Tür rausmarschieren wollten, stand auf einmal Annabelle vor uns, die uns sanft zulächelte.
„Hey ihr Beiden!“, begrüßte sie uns freundlich. „Ich hab gute Nachrichten. Ich gehe jetzt einmal wöchentlich zu einer Therapeutin und außerdem hab ich eine Anzeige gegen Gregor erstattet.“
„Das ist gut.“, sagte ich zu Annabelle und drückte sie ganz fest und lieb, während ich versuchte die Tür hinter mir zu schließen, damit Annabelle nicht an Gregors Zimmer denken musste, indem sie viele Stunden mit ihm verbrachte.
Annabelle bemerkte das und sagte: „Ist schon gut Leon. Ich komm damit klar und außerdem wohnt jetzt Max in dessen Zimmer, der sicherlich eine sympathischere Atmosphäre erschuf.
„Sicher doch!“, grinste Max sie an.
„Wir wollten gerade zum Mystic-Shop. Hast du Lust und Zeit mit uns zu kommen?“, fragte ich Annabelle, damit sie nicht immerzu an Gregor denken musste. Außerdem wäre ich dann mit Max nicht ganz allein und statt krampfhaft würde es lockerer zugehen.
„Gerne doch.“, antwortete Annabelle. „Aber wieso wollt ihr dahin?“
Auf dem Weg zum Mystic-Shop klärte ich die Beiden über meine Kunstutensilien auf und über die seltsamen Vorkommnisse, die seitdem ich sie benutze, geschehen sind. Es war seltsam, denn das war das erste Mal das ich jemandem darüber berichtete. Annabelle und Max hörten mir aufmerksam und interessiert zu. Sie werteten meine Geschichte nicht als völligen Blödsinn ab und schienen mir zu glauben, was ich ihnen erzählte.
Als wir am Mystic-Shop ankamen, entdeckte ich einen bärtigen Mann in zerlumpten Kleidern, den ich glaub ich bereits damals schon bei meinem ersten Besuch hier antraf. Der Mann lächelte, als er mich sah, schenkte uns aber keinerlei weitere Beachtung.
„Lasst uns bitte schnell reingehen.“, meinte Annabelle. „Der Typ verursacht bei mir eine Gänsehaut.“
Gesagt getan. Max, Annabelle und ich betraten den Mystic-Shop, der noch genauso skurril aussah, wie bei meinem ersten Besuch. Nachdem die Klingel betätigt wurde, kam allerdings nicht der Ladenbesitzer um uns zu begrüßen, sondern ein Junge, der ein wenig jünger aussah als wir.
„Tut mir Leid, aber wir haben geschlossen.“, entschuldigte sich der Junge freundlich.
„Aber es war nicht abgesperrt.“, meinte Max und er hatte Recht.
„Ja, hat mein Großvater wohl vergessen.“, klärte der Junge uns auf.
„Dominik!“, rief eine Stimme aus dem Hinterzimmer und kurz darauf tauchte auch der ältere Mann auf, der mir einst den Pinsel und den Zeichenstift samt Schatulle verkaufte. „Ah!“, stieß er überrascht aus, als er mich und meine Freunde sah. „Wir kennen uns, nicht wahr?!“
„Guten Tag Sir. Ich muss ganz dringend mit ihnen reden und ein paar Fragen stellen.“, sagte ich.


43. Das Rätsel um die magischen Kunstutensilien – Teil 3
Der Ladenbesitzer des Mystic-Shops sah mich verdutzt und ängstlich an. Doch um seine Haltung zu bewahren lächelte trotz alledem. „Ein paar Fragen möchten sie mir stellen? Nun das ist ja äußerst interessant, aber gerade heute bin ich ein wenig in Eile. Mein Enkelsohn Dominik ist zu Besuch und ich hab wirklich keine Zeit…“
„Bitte Sir, es ist wirklich wichtig!“, bat ich den Ladenbesitzer freundlich und ging einen Schritt auf ihn zu. „Seitdem ich bei ihnen die Kunstutensilien gekauft habe, geschehen eigenartige Dinge.“
„Aber mein Junge. An eigenartigen Dingen ist doch nichts Schlimmes.“, erwiderte der Ladenbesitzer.
Ich schüttelte meinen Kopf. „Zu vergessen was man am Vortag tat und in Ohnmacht zu fallen, ist also nicht schlimm?!“ Ich sah zum Ladenbesitzer, der mich nun wiederum erschrocken ansah.
„In Ohnmacht fallen? Wovon reden sie?“, fragte er mich verwirrt. „Erzählen sie mir keine Lügen.“
„Er erzählt keine Lügen.“, mischte sich Annabelle nun ins Gespräch ein. „Ich war dabei, als er sein Bewusstsein verlor und zu Boden fiel. Ich weiß zwar nicht, warum und ob das etwas mit den Kunstutensilien zu tun hat, aber eigenartig ist es in der Tat."
„Das klingt ja beinahe so, als wollten sie meinem Großvater die Schuld dafür zuschieben.“, sagte nun Dominik, der Enkelsohn des Ladenbesitzers.
„Dominik, geh doch bitte ins Hinterzimmer und kümmere dich um meine Sachen. Ich komm hier vorne schon alleine zu recht. Bitte!“, wies der Ladenbesitzer seinen Enkel an und Dominik marschierte ins Hinterzimmer, wenn auch nicht gern. Der Ladenbesitzer setzte sich auf einen dunkelbraunen, hölzernen Stuhl, der neben einer Kommode mit goldenen Griffen stand. Er atmete kurz ein und wieder aus, ehe er sich wieder an uns wandte. „Ihr Drei hört mir jetzt genau zu und das müsst ihr mir einfach glauben! Alles im Leben hat seine positiven und seine negativen Seiten, denn nur so lässt sich das natürliche Gleichgewicht des Lebens beibehalten. Wo Schatten ist, ist auch Licht. Wo Feuer wütet, gibt es Wasser zur Not. Wo Leben entsteht, endet das eines anderen im Tod. Und so weiter und so weiter. Das ist der natürliche Verlauf des Lebens…!“
Ich sah verwirrt und skeptisch drein und ich bin mir sicher, dass es Max und Annabelle neben mir nicht anders erging. „Was wollen sie mir damit jetzt eigentlich sagen?“, fragte ich den Ladenbesitzer.
„Ich betreibe diesen Laden schon seit sehr vielen Jahren.“, sagte der Ladenbesitzer und fing an uns eine Geschichte zu erzählen: „Die meisten Kunden kommen herein, weil sie Interesse an all diesen wundersamen Gegenständen hier haben, aber die Meisten gehen ohne etwas davon zu kaufen. Hauptsächlich wegen der Preise, aber irgendwie muss ich mich ja über Wasser halten und außerdem sind die Preise sehr wohl gerechtfertigt, wenn bedenkt wird, was in jedem einzelnen dieser Gegenstände für eine Macht schlummert. Ich berichte, ich erzähle, doch die wenigsten Menschen schenken mir Glauben. Die Ungläubigen werden diese Macht niemals verstehen oder selbst anwenden können, doch die Gläubigen die werden diese Macht nutzen können. Ob nun für sich selbst, oder für andere, dass liegt in ihren Händen. Als du in meinen Laden kamst, da wusste ich auf der Stelle, dass du ein Gläubiger bist. Das hab ich nicht an deinem Aussehen, deiner Aussprache oder deiner Haltung ausgemacht, sondern an deiner Aura.“
„An meiner Aura? So etwas wie meiner Ausstrahlung?“, fragte ich etwas genauer.
„Ganz genau! Als du meinen Laden betreten hast, spürte ich sofort, dass du etwas Besonderes bist – ein Teil von etwas Großem!“, erklärte mir der Ladenbesitzer und auch wenn das recht schmeichelhaft klang, so machte es mir dennoch ein wenig Angst, auch wenn es Unfug war, was er redete.
„Ich finde wir sollten gehen.“, flüsterte Annabelle mir schließlich ins Ohr.
Ich empfand dasselbe wie sie, denn ich legte die Vermutung nahe, dass der Ladenbesitzer nicht mehr wirklich bei Sinnen war. Klare Antworten würde ich so jedenfalls keine bekommen und ehrlich gesagt, rechnete ich davor schon nicht wirklich damit, denn woher sollte der Ladenbesitzer auch wissen, warum ich auf einmal anfange zu vergessen und in Ohnmacht zu fallen?! „Ich denke wir gehen jetzt besser.“, sagte ich schließlich. „Trotzdem danke.“
Der Ladenbesitzer stand abrupt und überrascht, über unser plötzliches Aufbrechen, von seinem Stuhl auf, öffnete die unterste Schublade der Kommode und zog etwas heraus, das in einem kleinen roten Stofffetzen eingewickelt war. Dann kam er auf uns zugeschritten und hielt genau vor Max an. „Nimm das hier bitte mit. Es wird dich auch nichts kosten.“, sagte er zu Max und überreichte ihm das Stoffbündel.
Max zog den Stoff weg und zum Vorschein kam ein kleiner Kompass, der die vier Himmelsrichtungen anzeigte. „Was soll ich damit?“, fragte Max den Ladenbesitzer skeptisch.
„Er wird dir die Richtung weisen, wenn du deinen Weg aus den Augen verlierst.“, erklärte der Ladenbesitzer ihm. Max sah ihn weiterhin skeptisch an, nahm es aus Höflichkeit aber dankend an.
Kaum hatten wir den Mystic-Shop verlassen, drehte der Ladenbesitzer sein Schild von „Offen“ auf „Geschlossen“ um. Seine Augen blickten uns hinterher und auf einmal konnte es mir gar nicht mehr schnell genug gehen, von dem Laden wegzukommen.

„Seltsamer Tag.“, sagte Max zu mir, als wir Annabelle nach Hause begleiteten und abends schließlich selbst nach Hause kamen, kurz duschten und dann gemeinsam auf der Couch saßen und noch ein Abendbrot einnahmen. „Dieser Mann war schon ein klein wenig verrückt oder?“
„Klein wenig oder sehr stark?!“, erwiderte ich und kaute auf meinem Wurstbrot rum.
„Trotz allem sehr interessante Dinge, die er da im Laden hat.“, sagte Max zu mir.
„Keine zehn Pferde bringen mich noch einmal in diesen Laden.“, erwiderte ich daraufhin. „Wirst du den Kompass behalten, oder wegschmeißen?“
„Ich behalte ihn erst einmal als eine Art Souvenir.“, antwortete Max mir. Dann sah er mir in die Augen und als ich seinen Blick erwiderte, musste ich wieder an das Gespräch zwischen ihm und Zack denken, dass ich heute belauscht hatte. „Leon, ich muss dir da noch was gestehen…“
Ob Max mir gerade ein Liebesgeständnis machen wollte? Keine Ahnung, aber anzunehmen war es! Doch ließ ich ihn gar nicht so weit kommen und ergriff selbst die Initiative. Es überkam mich plötzlich, denn ich fühlte mich von Max angezogen, wie er da saß, seine wunderschönen Augen, sein süßer Blick. Also beugte ich mich zu ihm herüber und küsste ihn leidenschaftlich auf den Mund!

Fortsetzung folgt...!

44. Der Tag der Entscheidung – Teil 1
Wenn mir einer gesagt hätte, dass ich in einem Jahr freiwillig einen Jungen küsse, ich hätte ihn eiskalt ausgelacht. An so etwas war für mich damals überhaupt nicht zu denken, doch die Zeiten ändern sich und als ich Max küsste, änderte sich das bisherige gemeinsame Verhältnis zwischen uns.
Als ich Max kennenlernte waren wir nur einfache Bekannte, dann traten wir beide dem CODA-Club bei und wurden zu so etwas wie eine Art Kollegen, dann als wir uns näher kennenlernten wurden wir Freunde und als er bei mir einzog auch noch Mitbewohner. Doch nach unserem gemeinsamen Kuss, wusste ich nicht mehr, was wir nun waren. Freunde? Beste Freunde? Ein Liebespaar?! Durch einfaches Kommunizieren miteinander käme bestimmt eine Antwort auf meine Frage zustande, doch dies war nicht so leicht…
Falls ihr nämlich denkt, das war die große Nacht – dann muss ich euch enttäuschen! Nachdem ich Max küsste, konnten wir zwar eine ganze Weile nicht mehr damit aufhören, doch als Max anfing, mir langsam mein Shirt hochzuziehen, bekam ich Angst. Ich löste mich von Max und rutschte ruckartig zurück, so dass ich sein enttäuschtes Gesicht erblickte. Küssen ja, aber Sex? Mit einem Jungen zu schlafen war Neuland für mich und ich bekam das Gefühl nicht los, dass es dafür noch zu früh war. Ich entschuldigte mich bei Max und zog mich auf mein Zimmer zurück. Mir war das peinlich und ich bekam ein schlechtes Gewissen gegenüber Max, weshalb ich die ganze Nacht kein Auge zubekam. Da verpufften sogar die Gedanken an die Kunstutensilien im Nirwana.
Ich nahm mir fest vor mit Max über die Geschehnisse der letzten Nacht zu reden, doch als ich mich am nächsten Morgen an den Frühstückstisch setzte, kam er nicht und als ich eine Stunde später in seinem Zimmer nachsah, stellte ich fest, dass sein Bett unbenutzt war.
Als wäre das nicht schon alles deprimierend genug, erfuhr ich in der Uni ausgerechnet von Zack, dass Max bei ihm übernachtet habe. Zudem übermittelte er mir eine Nachricht von ihm, dass er nicht böse auf mich, oder enttäuscht von mir sei, sondern einfach nur eine Weile braucht, um klare Gedanken zu fassen und ich ihm ein wenig Zeit geben solle.
Nun ich gab ihm Zeit und das reichlich. Seit jenem Abend sind drei Wochen vergangen und außer den üblichen Plänkeleien wie „Guten Morgen“, „Hey, wie geht´s?“, oder „Danke gut“ kam kein vernünftiges Gespräch zwischen uns zustande.
Mit meiner Reaktion an jenem Abend hab ich ihn vermutlich verletzt – na gut, nicht nur vermutlich, sondern mit größter Wahrscheinlichkeit, aber ist das ein Grund, mir wochenlang mehr oder weniger aus dem Weg zu gehen? Wir wohnen zusammen und selbst da gelingt es ihm jeden Tag aufs Neue unsere Begegnungen gering und kurz zu halten.
Ich bin mir gerade erst meiner Bisexualität bewusst geworden und jetzt soll ich gleich mit ihm ins Bett springen? Ich finde, er könnte wenigstens mit mir darüber reden, aber sein Verhalten mir gegenüber, ist alles anderes als fair. Ich finde ich hab lange genug gewartet…
Mit Fionas Hilfe – die meine Situation verstand und es ebenso nicht guthieß, dass Max mich wochenlang ignorierte – mogelte ich einen Brief in Max Tasche, indem geschrieben stand, dass ich in zwei Tagen – am Valentinstag, nebenbei bemerkt – eine Entscheidung von ihm hören möchte.
Entweder er redet vernünftig mit mir, sagt mir, was er für mich fühlt und ich werde das Gleiche tun, oder aber er schweigt mich weiter an und wir vergessen das alles und gehen wieder getrennte Wege.

Das erste Semester näherte sich seinem Ende und ich freute mich drauf. Professor Unruh konnte Professor West in keiner Weise ersetzen und ich wünschte mir fast, dass Letzterer wieder zurückkehren würde. Doch ich wusste, dass dies nicht geschehen würde und das war auch besser so, denn wenn Oskar herausfände, dass ich mit seinem Bruder rumgeknutscht habe, der mindestens fünfzehn Jahre älter ist als ich, dann wär die Hölle los. Oskar war ein lieber und hilfsbereiter Mensch, doch immer wenn es um sein Privatleben ging, wurde er sehr aufbrausend und unfreundlich.
Immerhin stattete er uns wieder öfters einen Besuch im Club ab, auch wenn er immer noch nicht so oft da war, wie früher. Ich fragte mich langsam wirklich, ob sein Bruder der einzige Grund für seine Abwesenheit ist, doch ich fragte ihn nicht danach. Erstens um zu vermeiden, dass wir über seinen Bruder sprachen und zweitens da ich genug eigene Probleme hatte.
Einen Tag vor Valentinstag trafen wir uns alle im Clubhaus und es war das erste Mal seit langem, dass alle zehn Mitglieder wieder beisammen waren! Max machte es sich im Sessel bequem, während Fiona auf der Lehne saß und ihre Arme um ihn legte. Zack stand dahinter mit verschränkten Armen und wartete darauf, den Grund für unser Zusammenkommen zu erfahren. Ich saß auf der breiten Couch zwischen Derek und Annabelle, die sich noch immer nicht sonderlich ausstehen konnten. Ich fühlte mich wie die Schweiz… Kat saß neben Annabelle, Oskar neben Kat auf der Lehne und Wallace hockte mit seinem Laptop auf dem Teppichboden und tippte in die Tasten.
Roy stand vor uns und erklärte uns den Grund für das Treffen. Aus zehn Club-Mitgliedern wurden nun elf, denn Maria trat unserem Club bei, sofern alle damit einverstanden waren. Wir alle freuten uns sehr darüber – und Fiona hatte auch nichts dagegen. Wenn ich auf das letzte halbe Jahr zurückblicke, dann hab ich Maria schon lange nicht mehr so glücklich gesehen wie jetzt.
Roy lud uns außerdem alle zu seinem Klavierkonzert am kommenden Tag ein, an dem er gegen vier Kontrahenten antreten muss und jeder von ihnen von einer Jury bewertet wird, die den Studenten am Semesterende Noten geben. Roy war sichtlich nervös, ist es doch die Chance zu zeigen, was in ihm steckt, doch auch er strahlte vor Freude.
Auch für Derek würde der morgige Tag spannend werden, da er ebenfalls vor einer Jury auftreten und ihnen sein schauspielerisches Talent offenbaren muss.
Ja ein spannender Tag erwartete ein jeden von uns morgen. Es war für alle „Der Tag der Entscheidung“ und egal wie es kommen mag… es könnte sich dadurch von jedem das Leben ändern!


45. Der Tag der Entscheidung – Teil 2
„Bitte verlass mich nicht Geliebter!“, rief das Mädchen und Verzweiflung lag in ihrer Stimme.
„Ich muss meine Stadt beschützen und den Tod meines Bruders rächen.“, erklärte der junge Krieger.
„Ich habe Angst, dass du im Kampf getötet wirst.“, erwiderte das Mädchen daraufhin verängstigt.
„Vielleicht werde ich sterben, aber denk bitte immer daran, dass ich dich mehr als alles andere liebe und ich es nicht bereue dich mit zu mir nach Troja genommen zu haben.“, sagte der junge Krieger, namens Paris, Prinz von Troja.
„Ich liebe dich Paris und wenn es sein muss, dann folge ich dir bis in den Tod.“, sagte das wunderschöne Mädchen Helena, die einen Krieg zwischen Troja und Griechenland verursachte.
Ich drückte zusammen mit Roy mein Ohr gegen die Tür und lauschte, um zu hören, wie Dereks entscheidendes Schauspiel verlief. Derek spielte Prinz Paris, der die wunderschöne Helena mit nach Troja verschleppte und damit den Trojanischen Krieg auslöste.
„Also Jungs bitte.“, sagte Annabelle peinlichst genervt. „Müsst ihr so an der Tür kleben?!“
„Pssscht!“, zischte Roy sie an. „Ich will hören, wie es Derek ergeht. Zuschauer waren nicht erwünscht, also müssen wir hier draußen warten und ihm die Daumen drücken.“
„Ich drück ihm ja die Daumen, nur sind diese bereits ganz blau vor lauter Drücken.“, sagte Annabelle scherzhaft, lächelte uns an und ich musste zurücklächeln.
„Ich glaube er ist fertig.“, sagte ich schließlich, nachdem es eine ganze Zeit lang still war.
„Dann erhält er jetzt sicherlich seine Jurywertung.“, meinte Annabelle.
Roy war sichtlich nervös. Während wir draußen im Korridor auf seinen Freund warteten marschierte er ständig auf und ab, tippelte mit seinen Füßen oder bewegte sich sonst anderweitig, denn ruhig stehen bleiben konnte er nicht. „Was dauert denn da so lang?“, fragte er nach etwa einer guten halben Stunde und ich gähnte vor Langeweile.
„Vielleicht hat die Jury ihn niedergemacht und er traut sich nun nicht mehr raus.“, meinte Annabelle im trockenen Ton. Sie meinte es natürlich nicht ernst und wollte nur ihren Bruder ein wenig necken.
„Haha, sehr witzig.“, reagierte Roy daraufhin gereizt.
„Bleib mal locker, Bruderherz!“, sagte Annabelle. „Ich mag Derek zwar nicht so sonderlich, aber ich weiß, dass er ein toller Schauspieler ist und so wie sich das vorhin da drinnen angehört hat, schien es ganz gut zu laufen. Also ganz ruhig, das wird schon.“ Annabelle lächelte ihren Bruder an.
„Und wieso kommt er dann nicht raus?“, fragte Roy nochmals und kurz darauf öffnete sich die Tür zur großen Theaterhalle und Derek stand zwischen Tür und Angel.
Sein Gesicht zeigte keinerlei Emotionen, weshalb ich zuerst annahm, dass es doch nicht so gut lief, wie von uns angenommen, doch dann merkte ich, dass er uns nur ein wenig auf die Folter spannen und ärgern wollte. Derek fing an vor Glück und Freude zu strahlen und fiel seinem Freund mit einem strahlenden Lächeln in die Arme, während dieser einen lauten Jubelschrei von sich stieß. Dann küssten sich die Beiden mehrmals auf den Mund und uns allen fiel ein Stein vom Herzen.
Danach gratulierte und umarmte ich Derek und sogar Annabelle schien sich für den Freund ihres Bruders zu freuen.
„Einer der Jury-Mitglieder meinte zu mir, dass ich sehr talentiert sei, viel Potenzial in mir stecke und dass ich mit meiner eindrucksvollen Darbietung des Prinz Paris Gänsehaut bei ihm verursachte.“, erklärte Derek uns euphorisch, der sein Glück kaum fassen konnte und ich konnte es in Annabelles Gesicht ablesen, dass sie hoffte, dass Derek vor Freude nicht gleich in die Luft springe. „Aber ohne meine hinreißende Kollegin, die die Helena verkörperte, hätte ich das nie geschafft.“
Gerade als Derek von seiner Kollegin sprach, stieß ein Mädchen mit blonden Haaren zu uns dazu. Optisch sah sie Maria sehr ähnlich, doch hatte sie die angenehme Natürlichkeit, die Kat versprühte.
„Hallo, freut mich euch kennen zu lernen. Ich bin Caro.“, stellte sie sich vor und begrüßte uns der Reihe nach. „Derek hat mir schon viel von euch erzählt.“
„Ehrlich?“, fragte Roy überrascht. „Derek hat nämlich nie etwas von dir erzählt.“
„Bist du wieder zurück ans andere Ufer geschwommen?“, fragte Annabelle Derek bissig.
„Sehr lustig.“, erwiderte Derek. „Caro und ich kennen uns erst seit den Proben für den heutigen Tag. Wir haben wunderbar miteinander harmoniert.“, erklärte Derek uns.
„Wie wäre es denn, wenn wir zusammen in die Mensa marschieren, uns einen ungenießbaren Kaffee gönnen, uns näher kennen lernen und gleichzeitig ein wenig den heutigen Tag feiern?!“, fragte Caro uns freundlich und jeder von uns war sofort angetan von dieser Idee.
„Und heute Abend kommen wir wieder her, denn dann ist meine große Stunde.“, sagte Roy.

Am Abend des Valentinstages trafen sich Freunde und Familien der teilnehmenden Pianisten in der Theaterhalle Die Bühne wurde leer geräumt, so dass lediglich ein Klavier darauf stand, auf dem schon in wenigen Minuten Roy und seine vier Kontrahenten ihr Bestes geben.
„Ich bin so aufgeregt.“, sagte Roy zittrig zu mir, während wir hinter der Bühne warteten. Roy trug einen eleganten schwarzen Smoking, mit weinroter Krawatte, die gut mit seinen feuerroten Haaren harmonierte.
„Wo ist denn Derek?“, fragte ich verwirrt. „Wieso ist er nicht bei dir und spricht dir Mut zu?“
„Ich wollte, dass er mit meiner Mum und meiner Schwester schon einmal seinen Platz einnimmt.“, antwortete Roy mir. „Ich wollte nicht, dass er hier hinten ist, dass würde mich nur noch nervöser machen, nachdem was ich plane…“
Ich stutzte. „Was hast du denn geplant?“, fragte ich.
Roy ignorierte meine Frage augenscheinlich und spähte durch den roten Bühnenvorhang auf die Zuschauerränge. „Ich lud meinen Vater auch ein und er hat zugesagt. Ich hoffe er kommt wirklich.“
Ich legte Roy meine Hand auf seine Schulter und versuchte ihn zu beruhigen. „Das wird schon Roy. Du schaffst das! Vor mir steht der zukünftige Beethoven.“ Ich grinste und auch Roy musste leicht grinsen, sodass die Anspannung bei ihm ein wenig abfiel und es endlich beginnen konnte.


46. Der Tag der Entscheidung – Teil 3
„Hey, du bist auch gekommen?“, fragte ich Maria überrascht, als ich mich zu meinem Platz begab.
„Ja, ich bin Roy so dankbar, dass er mich in euren Club aufgenommen hat, da ist es das Mindeste, dass ich ihn jetzt mental unterstütze.“, antwortete Maria mir, während wir unsere Plätze einnahmen.
Ich schaute durch die Reihe und entdeckte Kat, Annabelle, Frau Kirchner und Derek. Von Roys und Annabelles Vater fehlte also jede Spur. Ob er noch kommt? Das Licht im Saal wurde gedämpft und mir wurde klar, dass er wohl nicht mehr kommen würde.
Die Scheinwerfer warfen ein Licht auf die Bühne und nachdem sich die Jurymitglieder dem Publikum vorstellten, zog sich der rote Vorhang zur Seite und der erste Pianist betrat die Bühne. Er spielte auf dem Klavier ein sehr heiteres Lied und bekam auch hinterher tosenden Applaus von den Zuschauern. Der zweite Pianist stammte aus einer italienischen Familie und die waren bekanntlich sehr gut in so was. Auch er erhielt sehr viel Applaus. Der dritte Teilnehmer war der einzige weibliche Pianist in der Runde. Ein junges Mädchen das ein wunderschönes Lied auf dem Klavier spielte und sanfte Töne in unsere Ohren zauberte.
Endlich war es soweit! Der vierte Pianist war Roy und als dieser die Bühne betrat, lächelte er unsicher ins Publikum und verbeugte sich freundlich. Dann nahm er seinen Platz am Klavier ein und jeder von uns spitzte die Ohren und betete, dass alles gut ging. „Weißt du, was er für ein Lied spielen wird?“, fragte mich Maria leise flüsternd ins Ohr, doch ich schüttelte nur den Kopf, denn ich wusste es nicht.
*Musikstück* Roy dehnte seine Finger und als alle Scheinwerfer auf ihn gerichtet waren, konnte seine Show beginnen. Roy drückte in die Tasten und spielte ein wunderschönes emotionales Lied, dass mit jedem Ton erneut Gänsehaut auf meinem Körper verursachte.
„Das ist unendliche Liebe.“, erklärte Maria mir begeistert und ebenso verzaubert wie ich es bin. „Ob es einen bestimmten Grund gibt, warum er sich so ein romantisches Stück ausgesucht hat?“
Ich beugte mich ein wenig vor und blickte zwei Sitze weiter und konnte sehen, wie Derek feuchte Augen bekam und kurz davor war zu weinen. Ein sanftes Lächeln bildete sich in meinem Gesicht, denn ich glaubte zu wissen, was Roy plant…
Als die verzaubernde, emotionale und wunderschöne Musik verstummte, die Roy uns auf dem Klavier präsentierte, griff er noch zum Mikro und entschuldigte sich beim Publikum für seine kleine Unterbrechung, aber das es nötig und wichtig sei. „Ich möchte etwas wirklich Wichtiges sagen.“, sagte Roy durchs Mikrofon. „Im Leben gibt es kein schöneres Gefühl als die Liebe. Zu glauben, dass man den Richtigen gefunden hat, macht einen so unglaublich glücklich und ich glaube, dass ich den Richtigen für mich gefunden habe. Er ist charmant, lieb und immer für mich da. Natürlich kann er auch sehr anstrengend sein, aber ich liebe ihn und für nichts auf dieser Welt würde ich ihn eintauschen. Derek…“ Roys Blick verharrte bei seinem Freund, der emotional fertig war und kaum fassen konnte, was Roy da eben sagte. „Derek ich liebe dich und ich will für immer und ewig mit dir zusammen sein. Willst du mich heiraten?“ Die Menschen im Saal gaben ein lautes „Awwww“ von sich, so begeistert und ergriffen waren sie von Roys Antrag und auch ich war emotional sehr berührt.
Derek schluchzte vor Freude, während Frau Kirchner ihm liebenswürdig den Arm um die Schulter legte. Dann riss sich Derek zusammen, stand von seinem Platz auf und rief durch den Saal: „Ich will!“
Roy war sichtlich erfreut über Dereks Antwort und beide strahlten vor Glück.
Dann bat die Jury, dass Roy die Bühne für den letzten Kandidaten verlässt. Der letzte Pianist trug schwarze Haare und irgendwie sah ich mich optisch in ihm wieder. Er spielte ein sehr trauriges Lied und obwohl ich dachte, dass mich nach Roys Auftritt und seinen Antrag an Derek an diesem Abend nichts mehr berühren könnte, so irrte ich mich. Das Lied das der Junge spielte war emotional so ergreifend und traurig. Mein bisheriges Leben zog an meinen Augen vorbei und all der Schmerz, denn ich erleiden musste, kam in mir hoch. Ich musste an Max denken… und fing an zu weinen.
Zum Glück war es im Saal dunkel, so dass keiner bemerkte, wie mir Tränen die Wangen hinabliefen. Doch Maria bemerkte es irgendwann doch noch und legte tröstend ihren Arm um mich und wischte mit ihrem Handrücken die Tränen auf meiner Wange weg.
Das Lied des Pianisten endete und nachdem auch dieser seinen wohlverdienten Applaus bekam, zog sich die Jury zu ihrer Entscheidung zurück und eine Pause fand statt.
Während Derek sofort hinter die Bühne rannte um Roy zu sehen, ging ich ein wenig raus an die frische Luft um mir die Beine zu vertreten. Es war immer noch sehr kalt draußen, doch gerade als ich wieder reingehen wollte, stand da auf einmal Max!
„Ich hab deinen Brief bekommen.“, sagte er zu mir. „Du willst eine Entscheidung?!“
„Das bist du mir schuldig.“, erklärte ich ihm. „So wie du mich behandelst, behandelt man keine Menschen. Mich ignorieren, mir aus dem Weg zu gehen und nicht mit mir zu reden.“
„Es tut mir Leid.“, sagte Max lediglich.
„Ist das alles? Es tut dir Leid? Ist das alles was du mir zu sagen hast?!“, fragte ich ihn aufgebracht, denn nun platzte mir der Kragen. „Ich hab mein Herz für dich geöffnet! Mir tut es leid, als du mir mein Shirt hochziehen wolltest und ich dich zurückwies, aber ich war noch nicht soweit. Mich deshalb aber wochenlang zu ignorieren, ist das Letzte!“
Max sah mich wehleidig an. „Das hat nichts mit deiner Zurückweisung zu tun!“
„Mit was dann? Mit was hat es dann zu tun?!“, schrie ich Max nun an. „Was soll das Ganze?!“
„Ich liebe dich nicht.“, antwortete Max mir und als diese Worte aus seinem Mund kamen, gefror mein Herz zu Eis. Ich war starr und konnte mich nicht mehr bewegen. „Tut mir Leid, Leon.“, sagte Max zu mir. „Du wolltest eine Erklärung von mir und hier hast du sie!“
Wie in Trance marschierte ich in den Theatersaal zurück und ließ Max draußen alleine in der Kälte stehen. Die Pause war inzwischen rum und als ich meinen Platz wieder einnahm, verkündete die Jury gerade den Sieger. Leider war es nicht Roy der gewann, doch der Junge mit den schwarzen Haaren, der mich an mich selbst erinnerte, gewann und dies durchaus verdient.
Ich klatschte dem Sieger und freute mich auch für Roy und Derek, doch innerlich fühlte ich mich schlecht und gebrochen. Wie konnte Max mir das nur antun?
Hätte ich an jenem Abend gewusst, was schon bald passiert, dann hätte ich vielleicht eingreifen und den Lauf der Dinge verändern können, doch ich wusste nichts…, nichts davon, was in Max wirklich vorging, nichts davon, was Zack bald zustoßen würde und nichts davon, dass Oskar herausfand, warum sein Bruder wirklich verschwand!

Fortsetzung folgt...!

47. Zack-und-Bumm! – Teil 1
Das Leben setzt sich aus einem einzig großen Puzzle zusammen. Betrachtet man alle Vorgehensweisen der Protagonisten so kommt die Wahrheit ans Licht und ein Ergebnis entsteht!

Zack:
„Wieso zum Teufel hast du Leon das angetan?!“, fragte ich meinen besten Freund Max wütend.
„Ich hab ihm gesagt, dass ich ihn nicht liebe. Was verstehst du daran nicht?“, erwiderte Max.
„Ach komm schon. Seit Monaten schwärmst du, wie toll du ihn findest und auf einmal willst du keine Gefühle mehr für ihn haben?!“ Mir kam das sehr komisch vor was Max mit Leon abzog, denn das war so gar nicht seine Art, auf den Gefühlen anderer herum zu trampeln. Max musste einen Grund für seine Handlung gehabt haben und ich musste die Wahrheit herausfinden. „Max ich kenne dich! Sag mir was los ist! Bedrückt dich etwas? Hat das was mit mir zu tun?“
„Spinnst du? Das hat nicht im Geringsten etwas mit dir zu tun!“, antwortete Max mir entrüstet.
„Dann sag mir endlich was los sei, eher lasse ich dich auch nicht in Ruhe.“, sagte ich zu ihm.
Max überlegte hin und her, während wir bei ihm Zuhause gemütlich auf der Couch saßen und eigentlich den letzten Tag an der Uni, vor den Semesterferien, feiern wollten. „Also schön, wenn du es unbedingt wissen willst…“ Ich lauschte meine Ohren. „Ken hat mich gefunden!“
„WAS?!“, schrie ich entsetzt auf und Max Kater Gero, der gemütlich am Boden faulenzte, erschrak auf und lief in die Küche davon. Ken war ein ehemaliger Freund aus Max´ Vergangenheit, der ihn damals in die Drogenscheiße mit hineinzog. „Wann und was will er von dir?!“
„Es war an dem Abend als Leon und ich uns küssten.“, antwortete Max mir. „Als Leon mich abblockte und in sein Zimmer verschwand, bin ich noch einmal raus an die frische Luft und da bin ich dann auf Ken gestoßen. Ich will natürlich nichts mehr mit ihm zu tun haben, aber dann hat er mir gedroht und solange ich nicht weiß, was er vorhat, kann ich nicht mit Leon zusammen sein, denn ansonsten würde er vielleicht in Gefahr schweben.“
„Oh Max.“, sagte ich mitfühlend. „Aber Leon liebt dich und du hast ihn sehr schwer verletzt.“
„Ich weiß und was soll ich jetzt deiner Meinung nach machen?“, holte Max bei mir Rat.
Ich überlegte kurz, doch die Antwort lag auf der Hand. „Als allererstes entschuldigst du dich bei Leon und eroberst sein Herz zurück, danach kümmern wir uns um Ken den Bastard!“

Leon:
Es war der letzte Tag vor den Semesterferien und ich war so froh drum. Ich freute mich auf den Frühling, der den kalten Winter hoffentlich hinter sich ließ und damit auch meine verletzenden Erinnerungen.
Professor Unruh ließ es sich nicht nehmen, uns noch ein letztes Mal eine nervige Ansprache zu halten: „Einigen von ihnen, schadet es sicherlich nicht, wenn sie die Ferien über fleißig weiter üben.“ Dabei warf er mir einen Blick von der Seite zu und ich verdrehte die Augen. „Doch ich bin mir sicher, dass die Meisten von ihnen das nicht für nötig empfinden und faul im Gras rumflacken.“
Es klopfte an der Tür und ich war froh darüber, denn so blieb mir weiteres sinnloses Gerede erspart. Allerdings war ich überrascht, als ich Oskars Kopf durch den Türspalt erspähte. Professor Unruh ging nach draußen und ich fragte mich kurz was da los sei.
Doch ich beschäftigte mich nicht weiter damit und warf einen Blick auf die Kunstutensilien aus dem Mystic-Shop. Ich nahm die feinen Linien auf dem Zeichenstift und dem Pinsel genau unter die Lupe, um vielleicht etwas herauszufinden. Vergessen… wie gerne würde ich vergessen, dass Max mir mein Herz brach…!

Oskar:
Eigentlich konnte es mir inzwischen egal sein, wo mein großer Bruder Shane steckte. Ich war wütend auf ihn und konnte ihm nicht verzeihen, dass er mich einfach so alleine ließ. Doch nun musste ich ihn unbedingt sprechen. Der Dekan war in einer Besprechung, also versuchte ich es bei Professor Unruh, dem Kunstprofessor, der meinen Bruder ersetzte. Vielleicht wisse er etwas…
Ich klopfte an der Zimmertür, indem er gerade seinen Unterricht abhielt und kurz darauf kam er auch zu mir heraus. „Was kann ich für sie tun, Herr West?“, fragte er mich genervt freundlich.
„Entschuldigen sie, dass ich sie störe, aber ich weiß noch immer nicht wo sich mein Bruder zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufhält, müsste ihn aber ganz dringend sprechen.“, versuchte ich dem Professor zu erklären, der mich mit seiner Unschuldsmiene durch seine Brille hinweg anstarrte.
„Tut mir Leid, aber da kann ich ihnen leider nicht weiter helfen.“, erklärte Professor Unruh mir.
„Bitte Professor!“, flehte ich nun regelrecht. „Es geht um Leben und Tod!“
Professor Unruh blickte mich skeptisch an. Er musste mir einfach erzählen, wo Shane steckte, schließlich bin ich dessen Bruder! „Also schön, ich werde es ihnen sagen!“

Max:
Zack hatte Recht! Ich brach Leon das Herz und das war zwar das Letzte was ich tun wollte, aber tun musste. Ich wollte ihn nicht in meine Vergangenheit mithineinziehen, die drohte, wieder aufzukeimen. Doch ich will Leon nicht verlieren, also musste ich es wieder gutmachen – sofern es dazu nicht bereits zu spät ist.
Ich sprach mit Roy und konnte mit ihm aushandeln, dass ich das Clubhaus heute Abend ganz für mich allein und Leon bekam. Ich zog die Vorhänge zu, breitete eine kuschlige Decke am Boden aus, bereitete ein Dinner für Zwei vor und besorgte viele Kerzen und Rosenblüten, die ich am Boden verteilte, damit es schön romantisch aussah. Okay, kitschig ich weiß, aber ich musste einfach alle Register ziehen, damit Leon mir auch nur ansatzweise verzieh.
Mein Handy klingelte und als ich auf den Display blickte, erstarrte ich vor Schreck. Ich nahm ab und fragte sauer: „Woher hast du meine Nummer Ken?!“
„Wer wird denn zu seinem ehemaligen besten Freund so unhöflich sein?“, erwiderte eine schmierige Stimme am anderen Ende der Leitung, die zweifelsohne Ken gehörte.
„Ehemalige Freunde – du sagst es!“, entgegnete ich und versuchte ihn abzuwimmeln. „Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben Ken, also lass mich endlich in Ruhe!“
„Du solltest ein wenig freundlicher zu mir sein, oder hast du vergessen, dass ich dich ohne mit der Wimper zu zucken, ins Gefängnis bringen könnte?!“ Ken fing wieder an, mir zu drohen.
„Wenn ich ins Gefängnis gehe, dann gehst du mit!“, erwiderte ich stark.
„Keiner muss ins Gefängnis.“, sagte Ken und erklärte mir, was er damit meinte: „Heute Abend findet ein U-Bahn-Rennen statt und ich möchte, dass du kommst und daran teilnimmst!“
„Du spinnst!“, entgegnete ich laut und hielt Ken für verrückt und lebensmüde.
„Du kommst, oder deine Freundin Fiona wird ebenfalls dafür büßen müssen!“, drohte Ken mir und ich schluckte. Dieser verdammte Mistkerl spioniert mir und meinen Freunden nach…!


48. Zack-und-Bumm! – Teil 2
Leon:
Als mein letzter Tag an der Uni endlich vorbei war, konnte es mir eigentlich gar nicht schnell genug gehen, meine wichtigsten Sachen zusammen zu packen und für ein paar Tage oder Wochen zu meiner Familie nach Hause zu fahren. Meine Hände und Beine zitterten wie so oft seit dem Unglück in den Bergen. Ich zog die von Dr. Fauna verschriebenen Tabletten aus meiner Tasche und warf mir eine ein, damit es mir wieder besser ging.
Auf einmal klopfte es an meiner Tür und ohne eine Antwort abzuwarten, betrat Max vorsichtig mein Zimmer und sah mich mit der Packung Tabletten in der Hand. „Hast du immer noch Panikattacken?“, fragte er mich sichtlich überrascht. „Deine Ärztin hat doch gesagt, du sollst nicht zu viele von den Tabletten nehmen, da sie dir auf Dauer nicht gut tun und dich abhängig machen.
„Meine Panikattacken sind vorüber.“ Dank ihm, fügte ich gedanklich hinzu. „Doch meine Hände und Beine zittern, aber eigentlich geht dich das auch gar nichts an.“
„Du bist aufbrausend zu mir. Das versteh ich.“, sagte Max betrübt. „Es mag für dich jetzt vielleicht ein wenig seltsam klingen, aber können wir uns heute Abend um Zehn in der CODA treffen?“
„Wieso so spät? Ich wollte eigentlich nach Hause zu meiner Familie.“, erklärte ich ihm.
„Bitte. Davor kann ich leider nicht… muss noch was erledigen…“, erwiderte Max. Ich überlegte kurz, ob ich mir einen weiteren Tag hier antun sollte und schließlich nickte ich.

Max:
Es dauerte keine drei Sekunden, als meine leibliche Mutter meinen Anruf auf ihrem Handy entgegen nahm und sie mich voller Freude über meinen Anruf begrüßte. „Es freut mich sehr, dass du dich wieder bei mir meldest Max. Wie geht es dir? Was machst du so?“, fragte sie besorgt, wie Mütter eben nun mal sind…
„Danke es geht schon.“, antwortete ich ihr und versuchte ihr zu erklären was vorgefallen ist. „Ich hab ziemlichen Mist gebaut und hab jemanden den ich sehr mag das Herz gebrochen.“
„Wenn du es bereust, dann musst du es wieder gerade biegen.“, erklärte meine Mutter mir.
„Es ist ein Junge!“, sagte ich, denn ich war mir nicht mehr sicher, ob ich ihr erzählte, dass ich schwul bin, oder ob es ihr bewusst war, dass sie einen Homosexuellen als Sohn hat.
Es war kurz still, ehe ich einen leichten Seufzer aus der Leitung vernahm. „Es ist mir egal, ob du schwul oder hetero bist. Du bist mein Sohn und ich liebe dich Max!“, erwiderte meine leibliche Mutter und ich war tatsächlich gerührt über ihre Worte.
„Danke.“, sagte ich und lächelte dabei, was sie natürlich nicht sehen konnte. „Wir haben beide viele Fehler in unserem Leben begannen und du bist dabei sie zu beheben und das Gleiche werde ich nun auch machen. Falls ich mich nicht mehr bei dir melden kann, dann tut es mir leid.“
„Max, was ist los? Wieso sagst du so etwas?“, fragte meine leibliche Mutter nun ehrlich besorgt.
„Mach dir keine Sorgen um mich.“, erwiderte ich und legte daraufhin auf.

Zack:
Max erzählte mir von Kens Anruf und dessen Drohung, dass er Fiona etwas antut, wenn Max seinen Aufforderungen nicht Folge leistet. Ich musste sicherstellen, dass es Fiona gut geht, also stattete ich ihr einen Besuch in ihrer Wohnung ab.
Als ich allerdings dort ankam, stand die Tür einen Spalt breit offen und ich vermutete bereits das Schlimmste. Ich betrat die Wohnung und sah mich um. Alles sah so wie immer aus, doch von meiner besten Freundin fehlte jede Spur. „Fiona?!“, rief ich durch die Wohnung, doch keine Rückantwort.
Fionas Wohnung war außergewöhnlich eingerichtet. Verschiedene Kunstobjekte standen im Raum, die keinerlei Sinn ergaben und farblich passte nichts zusammen, aber eben das wiederum passte sehr gut zu Fiona, die es ja sehr extravagant mochte. „Fiona?!“, rief ich noch einmal.
„Bin schon da, tut mir leid.“, sagte Fiona, die plötzlich aus ihrem Badezimmer kam und sich mit einem Handtuch ihre Haare abtrocknete. „Hatte Wasser im Ohr und hab dich nicht gehört.“
„Deine Tür war offen.“, erklärte ich ihr.
„Ja ich hab es ein wenig eilig. Bin jetzt erst aus der Uni gekommen und ich wollte doch heute nach Hause zu meinen Eltern fahren und bin schon spät dran. Ich hab noch schnell geduscht und muss noch fertig packen.“, erklärte Fiona mir. „Ist alles okay? Du siehst ein wenig bleich im Gesicht aus…“
„Nein, nein alles bestens.“, log ich, denn ich wollte Fiona nicht ihre Ferien verderben und dass sie anfängt sich Sorgen zu machen. „Soll ich dir beim Packen helfen?“
Als Fiona mit ihrem Auto davonfuhr, war ich sehr erleichtert, sie in Sicherheit zu wiegen. Als ich auf die andere Straßenseite blickte, glaubte ich meinen Augen nicht trauen zu können, denn da stand er: Ken! Mit seinem eiskalten und teuflischen Blick sah er zu mir herüber und als ihm klar wurde, dass ich ihn bemerkte, verschwand er spurlos aus meinem Sichtfeld.

Oskar:
„Heute war der letzte Tag an der Uni vor den Semesterferien.“, erzählte ich. „Ich hab das Semester gerade so über die Bühne gebracht. In den letzten Wochen ließ ich mein Studium ein wenig schleifen, was mir fast alle Noten versaute, die ich mir zu Semesterbeginn aufbaute. Aber ich hatte schließlich auch einen guten Grund dazu – Ich musste Shane suchen! Nach all den Wochen hab ich auch endlich herausgefunden wo er steckt und stell dir vor, ich hab sogar eine Telefonnummer erhalten, unter der ich ihn erreichen kann. Ich hab ihn allerdings noch nicht angerufen…, hab mich nicht getraut. Ich weiß nicht was und wie ich es ihm sagen soll. Er wird wütend werden und dann werde ich wütend und dann endet das womöglich in einem Streit, das alles nur verschlimmert. Ich weiß nicht mehr was ich tun soll… Mum!“ Ich blickte auf die Frau, die vor mir in einem Bett liegt und mit einer weißen Bettdecke zugedeckt ist. Ihre Augen blickten starr zur Decke und ich wusste nicht, ob sie mich überhaupt wahrnahm. Ich hielt die Hand meiner Mutter und flehte innerlich. „Bitte Mum halte durch! Du darfst jetzt noch nicht sterben!“


49. Zack-und-Bumm! – Teil 3
Max:
„Nein, du wirst nicht gehen!“, rief mir Zack entgegen, nachdem er sicherstellte, dass es Fiona gut geht und mich in der CODA aufsuchte. „Ich werde dich nicht gehen lassen, Max!“
„Und was soll ich deiner Meinung dann tun? Ken wird mich weiter terrorisieren, er wird nicht Ruhe geben, bis er das bekommen hat, was er will. So war es schon immer. Er will mich wieder in seiner Gang haben!“, schrie ich Zack an.
„Er kann dich nicht zwingen…“, sagte Zack eindringlich zu mir.
„Nein, aber er kann mir drohen und diese Drohung auch umsetzen.“, erklärte ich ihm.
„Dann musst du zur Polizei gehen und ihn anzeigen.“, wies Zack mich an.
„Das kann ich nicht.“, sagte ich, doch das würde Zack nicht verstehen…
„Warum nicht?!“, schrie Zack mich fragend an.
„Verstehst du das wirklich nicht?! Wenn ich Ken anzeige, dann fliegt alles auf. Die illegalen Rennen, die Einbrüche und auch der Konsum von Drogen, samt Handel!“ rief ich Zack fix und fertig zu. „Wenn ich Ken anzeige und er ins Gefängnis geht, dann sorgt er dafür, dass ich auch ins Gefängnis muss!“

Oskar:
Ich saß am Küchentisch und starrte auf mein Handy, das vor mir lag. Inzwischen wusste ich wo mein Bruder Shane steckt und eine Nummer unter der ich ihn erreichen kann, besaß ich inzwischen ebenfalls. Trotzdem traute ich mich einfach nicht, ihm die traurige Nachricht zu übermitteln. Wie soll man seinem Bruder auch schonend beibringen, dass die eigene Mutter im Sterben liegt?!
Ich tippelte mit meinen breiten Fingern auf dem Tisch herum und dachte scharf nach. Nach reiflicher Überlegung nahm ich mein Handy schließlich zur Hand und gab die mir gegebene Nummer in die Tasten ein. Ich hörte das Summen am anderen der Leitung und wartete…
„Ja hallo?“, sagte eine Stimme am anderen Ende, die ohne jeden Zweifel die meines Bruders Shane war. „Wer ist denn da?“
„Hallo Shane.“, begrüßte ich schließlich meinen Bruder mit klarer Stimme und Shane schwieg. „Weißt du noch wer ich bin? Dein Bruder, der den du allein zu Hause sitzen gelassen hast!“
„O-Oskar, w-woher…?“ Aus Shanes Stimme hörte ich Verwirrung.
„Das ist jetzt egal, denn ich möchte das du mir aufmerksam zuhörst du Penner!“, rief ich durchs Handy entgegen und ich bemerkte, wie Wut in mir hochstieg. „Du kannst nicht einfach abhauen und mich mit all den Problemen alleine lassen, weißt du eigentlich was hier los war, seitdem du verschwunden bist?!“
„Es tut mir Leid, aber ich hatte keine andere Wahl. Ich hab einen Fehler gemacht.“, erwiderte Shane.
„Keine andere Wahl? Man hat immer eine Wahl!“, schrie ich Shane zu.
„Das ist nicht so leicht Oskar…“, sagte Shane zu mir zähneknirschend.
„Es ist mir egal, was für einen Fehler du begangen hast. Du bewegst jetzt deinen Arsch hierher und dann werde ich dir alles Weitere erklären!“, rief ich.
„Ich wollte unserer Familie nur weitere Schande ersparen und auch Leon beschützen…!“ Der letzte Teil des Satzes rutschte aus Shane versehentlich raus.
„Leon?“, fragte ich verwirrt. „Was zum Henker nochmal hat jetzt Leon mit der ganzen Sache zu tun?“
„Nichts, ist doch jetzt auch egal.“, versuchte Shane sich herauszureden.
„Du sagst mir jetzt sofort was los ist, oder ich rede nie wieder ein Wort mit dir!“, drohte ich meinem Bruder an und widerwillig berichtete er mir, was mit Leon vorgefallen war.

Leon:
Ich dachte eigentlich, dass meine Gefühle für Max verschwanden, nachdem er mir quasi mein Herz herausriss, doch als ich mich für den gemeinsamen Abend mit ihm fertig machte, freute ich mich schon wieder richtig darauf.
Ich sprang unter die Dusche, rasierte meine Bartstoppel weg und stylte meine schwarzen Haare, um cool rüberzukommen. Als ich vor dem Spiegel stand, fing ich auf einmal an verschwommen zu sehen und mein Spiegelbild war nur noch eine unerkennbare Silhouette. Ich drückte mir einen nassen Waschlappen ins Gesicht, damit ich wieder klar sehen konnte. Danach ging ich zurück in mein Schlafzimmer und legte mir eine Kette um den Hals und zog mir mein schönstes Shirt an.
Ich sah auf die Uhr. Es war bereits kurz vor halb zehn und ich brauch eine gute halbe Stunde bis zum Clubhaus. Wenn ich mich jetzt beeile, dann schaff ich es genau pünktlich. Ich zog mir Jacke und Schuhe an und rannte zur Tür hinaus.
Wieder verschwamm alles um mich herum und ich fing an zu torkeln. Was ist nur los mit mir? So kann ich unmöglich mit dem Auto fahren…!
„Kann ich dich mitnehmen?!“, rief mir eine bekannte Stimme fragend entgegen und als ich zumindest wieder ein wenig klar sehen konnte, entdeckte ich Oskar in seinem Auto, der mir die Beifahrertür aufhielt. Ich nickte dankbar und stieg ein.

Zack:
Max´ Handy klingelte. Es war eine SMS von Ken. „Er frägt wo ich solange bleibe!“, erklärte Max mir.
„Du darfst da nicht hingehen, dass ist zu gefährlich für dich. Das lasse ich nicht zu!“, sagte ich zu ihm.
„Es ist fast zehn Uhr und Leon kommt gleich.“, sagte Max zu mir traurig und verzweifelt. „Verdammt Zack, ich weiß nicht was ich tun soll! Ich wollte doch nie jemand etwas Schlimmes und bereue meine Vergangenheit. Ich will nicht ins Gefängnis!“ Verzweiflung und Angst packte meinen besten Freund und ich nahm ihn tröstend in den Arm und drückte ihn ganz fest an mich.
„Dann haben wir nur noch eine Wahl…“, sagte ich leise zu ihm ins Ohr. Ich erzählte ihm von meinem Plan und Max war damit einverstanden. Es blieb ihm auch nichts anderes mehr übrig…


50. Zack-und-Bumm! – Teil 4
Oskar:
Ich fuhr mit meinem Auto zum CODA-Club, um Leon dort abzusetzen, der dort ein Treffen mit Max hat. Es herrschte eine beklommene Stille im Auto, denn Leon schien es nicht sonderlich gut zu gehen und mir lag noch immer schwer im Magen, was mir mein Bruder erzählte.
„Geht es dir nicht gut?“, fragte ich Leon schließlich, nachdem er sich erneut die Augen rieb.
„Ich weiß nicht, irgendwie bin ich heute nicht ganz fit.“, antwortete Leon mir. „Dich schickte der Himmel, denn ich glaube nicht, dass ich noch fahrtauglich war.“
„Hm.“, ich murmelte lediglich vor mich hin.
„Wieso warst du eigentlich da? Wolltest du zu mir, oder zu Max?“, fragte Leon mich schließlich.
„Ich wollte eigentlich zu dir, auch wenn ich mir unsicher war, ob ich wirklich zu dir fahren sollte…“, erklärte ich ihm und dem war auch wirklich so. Wäre Leon nicht gerade in dem Moment rausgekommen, wo ich vorfuhr, dann wäre ich höchstwahrscheinlich wieder weiter gefahren.
„Und was wolltest du von mir?“, fragte mich Leon leicht nervös.
Mir war es inzwischen egal, was ich sagte und es kümmerte mich auch nicht, wie Leon darauf reagieren würde, also…: „Grüße von meinem Bruder. Es tut ihm leid, dass er nach eurem gemeinsamen Kuss so schnell das Weite suchte, aber er wollte dich damit nur schützen.“
Leon drehte seinen Kopf überrascht, aber auch erschrocken zu mir herum und starrte mich mit großen Augen an. „O-Oskar ich…, ich hab oft überlegt ob ich es dir sagen soll…“
„Spar dir deinen Atem. Mich interessiert es nicht, was du mir zu sagen hast.“, erwiderte ich und mein Blick verfinsterte sich. „Ich dachte wir wären Freunde, aber da hab ich mich wohl geirrt.“
„Oskar, wir sind Freunde!“, entgegnete Leon, doch ich schenkte ihm kein Glauben.
„Ich hab dir doch gesagt, dass du dir den Atem sparen kannst!“, sagte ich laut zu ihm, während ich ihn nun zornig ansah und somit für einen kurzen Moment abgelenkt war. Es folgte ein lauter Warnschrei von Leon, dann krachte es und mich umfing die Dunkelheit.

Zack:
Es war stockdunkel. Ich hab aber auch immer die bescheuertsten Einfälle Die Neueste darunter war, dass ich anstelle von Max an dem U-Bahn-Rennen teilnehme, während dieser auf Leon im Clubhaus warten kann. Ken war zwar nicht gerade begeistert, dass Max nicht kam, aber da ich Max´ bester Freund bin, nahm er dennoch an.
Das Rennen begann, nachdem die aktuelle U-Bahn den Bahnhof verließ und in den U-Bahn-Tunnel davonfuhr. Spät abends waren nicht mehr so viele Leute unterwegs und in einem unbeobachteten Moment sprangen Ken und ich auf die Gleise und rannten in die Dunkelheit und um die Wette.
Jetzt hieß es lauf oder stirb, denn im U-Bahn-Tunnel war es dunkel und eng und wer nicht schnell genug vorankam, würde von der nächsten U-Bahn erwischt werden und das war’s!
Ich rannte also so schnell mich meine Beine tragen konnten und da ich neben meiner Kunst auch noch sehr sportlich war, überraschte ich Ken mit meiner ungeheuren Schnelligkeit. Damit hatte er wahrlich nicht gerechnet und als ich ihn weit hinter mich ließ, schien der Sieg schon in der Tasche zu sein. Doch dann hörte ich einen dumpfen Aufprall, gefolgt von einem Schrei. Ken schien gestürzt zu sein. Ich fluchte laut, denn ich konnte ihn ja schlecht zurücklassen und ihn dem Tod überlassen. Also rannte ich noch einmal zurück und tastete mich vorsichtig vor. Ich fand Ken schließlich auf den Gleisen liegend vor, doch als ich ihm aufhelfen wollte, zückte er rasch ein Taschenmesser.
Ich wich in letzter Sekunde aus, bevor er es mir ins Bein oder in den Magen rammen konnte. Dieser verdammte Bastard. Ken fing wieder an zu rennen und als ich hinter mir das laute Geräusch der nächsten anrollenden U-Bahn vernahm, rannte ich ebenfalls weiter. Ken lag vorne, doch das war mir eigentlich schnuppe, denn wenn ich mich nicht beeilte, würde es gleich Bumm machen und ich wäre Zackbrei. Wenigstens meinen schwarzen Humor verlor ich in diesen riskanten Minuten nicht…
Das Licht des nächsten Bahnhofes erschien vor meinen Augen. Ken und ich lagen inzwischen wieder Nase an Nase, doch die U-Bahn hinter uns kam näher und näher…!

Max:
Ich blickte auf meine Armbanduhr. Ich fragte mich wo Leon solange blieb, während ich in der CODA auf ihn wartete. Dies war womöglich die letzte Chance, dass wir uns sehen konnten. Ich stellte mich ans Fenster und blickte hinaus in die Nacht. Von hier oben hatte man eine wunderschöne Aussicht auf die Stadt. In der Ferne hörte ich Sirenen und nicht weit entfernt sah ich Blaulicht.
Angst durchflutete mich und ich betete, dass Zack nichts zugestoßen sei. Dieser Dummkopf musste ja unbedingt an meiner statt, an dem U-Bahn-Rennen teilnehmen. Was, wenn ihm nun etwas zugestoßen ist, oder schlimmer, wenn er gar nicht mehr am Leben ist! Ich könnte mir das niemals im Leben verzeihen…
Mein Handy vibrierte und als ich nachsah, entdeckte ich eine SMS von Zack, in der geschrieben stand: „Mir geht es gut und ich hab es durchgestanden. Halte dich dennoch an unserem Plan!“
Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich blickte nochmals auf meine Uhr und musste mit Bedauern feststellen, dass Leon es sich wohl anders überlegt und nun doch nicht mehr kommt. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Ich hab sein Herz gebrochen, dass wird er mir so schnell nicht verzeihen.
Mein Blick wanderte ein letztes Mal durchs Clubhaus und auf den Zettel, den ich für Leon schrieb, und der nun auf der ausgebreiteten Decke am Boden lag. Eine Träne kullerte mir die Wangen hinab, doch wischte ich mir sie zugleich wieder weg. Dann marschierte ich zur Tür raus…!

Leon:
„Oskar pass auf!“, schrie ich Oskar noch warnend zu, denn er bemerkte nicht, dass die Ampel an der Kreuzung bereits auf Rot umsprang. Doch es war zu spät. Von der linken Seite rammte uns ein LKW und es schleuderte uns meterweit davon ins Ungewisse. Zuerst rammten wir eine Straßenlaterne, während Passanten schreiend davonrannten, und dann krachten wir gegen eine Hausmauer, wo ich zunächst erst einmal mein Bewusstsein verlor.
Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen war, als ich wieder zu mir kam, doch ich saß noch immer angeschnallt in Oskars Auto. Meine Augen wollten nicht so recht wie ich wollte. Mein Nacken tat weh und mit verschwommenen Augen konnte ich erkennen, dass in meinen Händen Glassplitter steckten und sie bluteten. In der Ferne hörte ich die Sirenen eines Krankenwagens und um mich herum Schreie und Rufe von Menschen, die entweder fassungslos um das Auto herumstanden, oder versuchten uns aus dem Auto zu befreien. Doch offenbar schien alles verzogen und verklemmt zu sein und sie mussten auf die Feuerwehr warten.
Mein Blick wanderte zur Seite und als ich wieder etwas klarer sehen konnte, erblickte ich Oskar. Blut floss von seinem Kopf und er hatte die Augen geschlossen. Meine Hände zitterten und schmerzten, doch das hinderte mich nicht daran, nachzusehen, was mit Oskar ist. Als ich meine linke Hand schließlich auf dessen Brustkorb legte, musste ich mit Entsetzen feststellen, dass Oskar nicht mehr atmete. Ich schloss meine Augen. Nein, nein, nein – das darf nicht sein! Doch ich musste mir eingestehen, dass Oskar nicht mehr am Leben war!

Fortsetzung folgt...!